Seitdem Europas Premium-Bikeanbieter Accell Group N.V. (alias Accell Group) von Sprint Bidco B.V. – einem von der US-amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts (KKR) & Co. eigens für die Accell-Übernahme gegründeten Konsortium – geschluckt wurde, hat sich das Unternehmen via Delisting am 22. August 2022 von der Börse verabschiedet. Seitdem ist es – was Geschäftszahlen betrifft – ziemlich ruhig geworden.
Dass es aber wie in der gesamten Branche auch nicht mehr rund lief, wurde schon Anfang 2024 sichtbar. Damals wurden im Zuge einer Produktionsverlagerung innerhalb Europas ein Stellenabbau kommuniziert.
Im Oktober letzten Jahres wurden die Probleme noch offensichtlicher: da musste sich das Unternehmen mit der hinter ihr stehenden Investoren-Mehrheit in Sachen Umschuldung einigen.
Kurz darauf (Anfang November) gaben die Niederländer den Abbau ihrer Unternehmensverschuldung mit einer gesicherten Unterstützung von circa 80 Prozent ihrer vorrangigen Kreditgeber bekannt. Somit konnte mit Hilfe der wichtigsten Stakeholder die Umsetzung der Rekapitalisierung fortgesetzt werden. Die soll planmäßig bis Anfang des erstes Quartal 2025 umgesetzt werden.
»2024 war sowohl für die Fahrradindustrie als auch für Accell ein schwieriges Jahr«, wird Accell Group-CEO Tjeerd Jegen im vorliegenden Business-Updates zitiert, »unsere Erholung ist jedoch im gesamten Unternehmen auf einem guten Weg. Wir haben die Lagerbestände normalisiert und sind stolz darauf, dass eine der wichtigsten Marken von Accell, Lapierre, in die UCI World Tour zurückkehrt. Auch der Babboe-Rückruf steht kurz vor dem Abschluss. Die Einführung neuer Modelle wird für Mitte 2025 erwartet. Unser Blick in die Zukunft zeigt, wir sind gut positioniert, um von den günstigen makroökonomischen Trends zu profitieren und auf diesen im neuen Jahr weiter aufzubauen.«
2023 war für Accell Group ein Jahr des Wandels
Nach der Einigung über die Rekapitalisierung mit den Stakeholdern hat Accell Group seinen Jahresabschluss für das Jahr 2023, das für die Niederländer »ein Jahr des Wandels« war, fertiggestellt. Der 2023er- Gesamtumsatz sank im Vergleich zum Vorjahr um rund 10 Prozent auf 1,294 Milliarden Euro. Dabei wurde ein EBITDA ohne Einmaleffekte von 12 Millionen Euro (2022: 140 Millionen Euro) eingefahren. Das EBIT ohne Einmaleffekte sank auf negative 13 Millionen Euro.
Die gesamten einmaligen Aufwendungen für 2023 beliefen sich auf 344 Millionen Euro. Dabei handelt es sich laut Accell Group »hauptsächlich um Kosten für veraltete Lagerbestände, Restrukturierungskosten im Zusammenhang mit den Integrationsmaßnahmen bei Raleigh UK, Ghost und Velosophy sowie der Rückruf von Babboe«.
Infolge dieser einmaligen Ereignisse belief sich der (Netto-)Jahresfehlbetrag auf 390 Millionen Euro.
So erlebte Accell Group das Jahr 2024
Da sich die weltweite Branchenflaute im Jahr 2024 fortsetzte und weiterhin von hohen Lagerbeständen auf Hersteller- als auch Händler-Seite geprägt war – und dann auch noch die Nachfrage von globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten ausgebremst wurde, kam es zu erheblichen Preisnachlässen – und somit letztlich zu einem weiteren Jahr des Rückgangs.
Daraufhin hat Accell Group eigenen Angaben zufolge seine Organisation weiter gestrafft und sich zu einem integrierten Unternehmen gewandelt. »Durch die Nutzung seiner starken europäischen Produktionsstandorte und die Reduzierung der betrieblichen Komplexität ist das Unternehmen besser positioniert, um die Effizienz zu steigern und Werte zu schaffen. Um die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, wurde zusätzlich ein kontinuierliches Einsparungsprogramm gestartet«, heißt es dazu im vorliegenden Business-Update.
Rekapitalisierung kurz vor dem Abschluss
Da rund 80 Prozent der vorrangigen Darlehensgeber und der Kreditgeber der revolvierenden Fazilität sowie alle anderen Hauptgläubiger der Rekapitalisierung einstimmig zugestimmt haben, tritt der Plan nun in die nächste Umsetzungsphase: »Dazu gehören eine Versammlung der vorrangigen Kreditgeber zur Abstimmung über den Plan und eine Gerichtsanhörung zu seiner Genehmigung, die beide für Januar 2025 geplant sind«.
Das Verfahren soll Anfang des ersten Quartals 2025 vollständig abgeschlossen sein. Die nachhaltige Finanzstruktur und die zusätzlichen Barmittel, die durch die Transaktion gesichert wurden, würden es der Gruppe auch wieder ermöglichen, in ihre Zukunft zu investieren.
»One Accell«-Plattform
Nach Abschluss der großen Umstrukturierungen in 2023 und 2024 kam es zu weiteren Optimierungen in der Organisation. Gleichzeitig wurden weitere Investitionen in langfristiges strategisches und nachhaltiges Wachstum getätigt.
Somit würden heute alle Marken unter dem Dach der Accell Group (Atala, Babboe, Batavus, Carqon, Ghost, Haibike, Koga, Lapierre, Loekie, Sparta, Van Nicolas, Winora, XLC etc.) von einer gemeinsamen Lagerverwaltung profitieren. Die Komplettrad-Lagerbestände, die Ende 2023 ihren Höchststand erreicht hatten, sind endlich wieder auf das Niveau der Vor-Covid-Zeit gefallen.
Ein Beispiel: während im November 2023 an die 340.000 Kompletträder die Warenlager verstopften, waren es in November 2024 nur noch 169.000 Einheiten. Davon besteht der größte Teil aus Modellen, die im vergangenen Jahr produziert wurden. Gleichzeitig konnte der Bestand an Teilen und Zubehör wieder auf Normalniveau heruntergefahren werden.
Ausblick
Was die Niederländer optimistisch stimmt: die Verkäufe an die Kundschaft in den Accell-Schlüsselmärkten schalten wieder hoch. zunehmen.
»Mit gestrafften Abläufen, einem integrierten Vertriebsmodell, einem starken Führungsteam und einer soliden Bilanz ist Accell nun darauf ausgerichtet, dass die einzigartigen und kultigen Marken so aufgestellt sind, dass sie von den langfristigen positiven Trends profitieren können«, heißt es im Business-Update.
Auch wenn die Marktaussichten kurzfristig gesehen weiterhin herausfordernd seien und die Erholung der einzelnen Märkte voraussichtlich länger dauern wird: »Die Liquidität des Unternehmens wird weiterhin im Mittelpunkt stehen, während seine Schulden deutlich sinken und die Laufzeiten nach der geplanten Rekapitalisierung verlängert werden. Die zugrundeliegenden Marktfundamental-Daten sind nach wie vor günstig und bieten längerfristig für skalierte Anbieter wie Accell erhebliche Wachstumschancen.«
Text: Jo Beckendorff