Eine Branchenumfrage der Verbände ZIV, VSF und BVZF zeigt auf, dass die Fahrradbranche von der Krise getroffen zwar spürbar wurde, jedoch insgesamt optimistisch in die Zukunft blickt, sofern es nicht zu einem weiteren Lockdown oder Lieferengpässen kommt. Angesichts der aktuellen Entwicklung mit langen Schlangen vor Fahrradläden fordern die Verbände von der Politik, für ein fahrradfreundliches Verkehrsklima zu sorgen.
Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes ist erleichtert, dass nur sehr wenige Unternehmen (3,5%) aus dem Bereich Hersteller, Großhandel und Distributeure Arbeitsplätze in Folge der Corona-Krise abbauen mussten. »Für etwa ein Viertel der Firmen hat sich zudem die Auftragslage bereits wieder normalisiert, weitere 45% rechnen mit einer Normalisierung ab dem dritten Quartal dieses Jahres«, so Neuberger weiter.
Kredite (16%) und Soforthilfen (22%) seitens Bund und Ländern wurden nur von einer Minderheit der Unternehmen in Anspruch genommen. Allerdings wurde die Möglichkeit von Kurzarbeit von über 60% der Befragten beantragt. Was die Umsatzentwicklung für 2020 angeht, ist das Meinungsbild noch recht vielseitig, da es für viele Teilnehmer schwierig ist, eine Prognose abzugeben. 48% der Hersteller wollen künftig stärker mit digitalen Angeboten beschäftigen. 30% sehen sich in diesem Bereich bereits gut aufgestellt.
Handeln will Fachkräfte halten
VSF-Geschäftsführer Dirk Sexauer bestätigt, dass die schnellen Hilfen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen ein wichtiger Beitrag für den Fahrradhandel waren, das die Schließung in das besonders umsatzrelevante Frühjahr fiel. Die Soforthilfen wurden von 59% der Unternehmen genutzt, Kurzarbeit von 40%, Kredite nur von 18%.
Um kostbare Fachkräfte in den Unternehmen zu halten, haben weniger als 10% der Einzelhändler Mitarbeitende entlassen.
Unter dem Eindruck der ersten Tage nach Öffnung der Läden erwarten zwei Drittel der Fachhändler für 2020 einen Umsatz auf Vorjahresniveau oder sogar darüber – unabhängig von der Unternehmensgröße. Für 54% der Betriebe hat sich die Absatzsituation bereits normalisiert.
Rund 70% der Fahrradhändler wollen sich zukünftig stärker um digitale Angebote für Ihre Kunden kümmern, wie z. B. Click&Collect oder Dropshipping.
Dienstleistungen kommen einigermaßen zurande
Wasilis von Rauch, Geschäftsführer des BVZF, zieht ein vorsichtig optimistisches Fazit: Corona habe die Dienstleister getroffen, weil mit dem Fahrradhandel der zentrale Vertriebskanal zur Hochsaison schließen musste. Zahlreiche Unternehmen haben Kurzarbeit beantragt (30%) oder Soforthilfen in Anspruch genommen (52%). Arbeitsplätze abgebaut haben 8%, 11% befürchten, es noch tun zu müssen. Das Fahrrad hat als krisensicherere Verkehrsmittel jedoch auch neue Zielgruppen überzeugt und befindet sich im Aufwind – 69% der Dienstleister erwarten für 2020 den gleichen oder höheren Umsatz als 2019 und eine baldige Normalisierung des Absatzes.
Fahrrad ist unentbehrliches Verkehrsmittel
Die Corona-Krise zeigt sehr deutlich, dass das Fahrrad ein unentbehrlicher Bestandteil moderner Mobilität ist. Sehr viele Menschen sind aus dem öffentlichen Nahverkehr auf Alternativen umgestiegen – viele von ihnen aufs Fahrrad. Gerade für sie ist die aktuelle Fahrradinfrastruktur an vielen Orten unzureichend.
Händler, Hersteller und Dienstleister fordern vor allem gute Infrastruktur und ein fahrradfreundliches Verkehrsklima als zentrale Voraussetzungen für ihren wirtschaftlichen Erfolg. Der öffentliche Raum muss fairer aufgeteilt werden, einige Städte, wie Berlin machen es vor. Nur so kann verhindert werden, dass Corona bedingt noch mehr Menschen ins eigene Auto steigen und der städtische Verkehr zum Erliegen kommt.
Deshalb unterstützen die beteiligten Verbände das Bündnis #MobilPrämieFürAlle und fordern, die Debatte um Förderungen der Autoindustrie breiter zu führen. Es muss darum gehen, einen gesunden und klimagerechten Verkehr zu fördern. Dazu gehören Bus und Bahn, Fußverkehr und das Fahrrad.
Text: Michael Bollschweiler