Rahmen und Teile aus Asien sind inzwischen angekommen, die Versorgung mit Fahrrädern steht, doch was macht die Nachfrage und wie kann man verkaufen? So hat sich die Fragestellung für die Fahrradbranche durch die Ausbreitung des Corona-Virus in den vergangenen Wochen gewandelt. Infektionssicher hatte der Pressedienst Fahrrad (PD-F) zu dem Thema Branchenvertreter vor die Bildschirme zum Online-Pressegespräch geladen. Ein ausführlicher Bericht folgt im gedruckten RadMarkt.
Der Gesundheitsminister empfiehlt Fahrradfahren als Mobilitätsform mit geringem Infektionsrisiko, in Berlin ist die spontane Umwidmung von Autospuren in Fahrradstreifen möglich – thematisch hat das Fahrrad Rückenwind, konstatiert PD-F-Chef Gunnar Fehlau einleitend. Einen Run auf Reparaturleistungen, die die Fahrradwerkstätten ja weiter erbringen dürfen, weil die alten Bikes aus dem Keller gekramt werden, konnten die Vertreter der Teilelieferanten zwar noch nicht bestätigen. Doch: »Irgendwann brauchen die Leute Parts«, ist Lothar Schiffner (Ergon) sicher. Dennis Schömburg (Messingschlager) stellt auch eine gewisse Zurückhaltung fest, weil die Werkstätten nicht sicher sind, was sie dürfen. Außerdem sei es auch wichtig, neue Räder zu verkaufen.
An deren Fertigstellung scheitert es nicht: Riese und Müller, HP Velotechnik und Velotraum melden Lieferfähigkeit. Fraglich ist nur, was geschlossene Läden und die Aussicht von Kurzarbeit in den Köpfen der Verbraucher auslösen. Heiko Müller (Riese und Müller): »Die Bereitschaft, 4- bis 6000 Euro in ein neues E-Bike zu investieren, könnte einen Dämpfer bekommen. Entscheidend ist, dass die Wirtschaftskraft jetzt nicht zusammenbricht.« Es könnte aber auch sein, dass Kostensensibilität und die Erfahrung, dass Homeoffice und Onlinemeetings funktionieren, manchen Zweitwagen auf den Prüfstand stellen, merkte Bike-Bild-Redaktionsleiter Mathias Müller an. Markus Krill (Croozer), bestätigte, dass er gerade in den Ballungsgebieten die Nachfrage nach Cargo-Produkten steige: »Die Leute merken gerade, dass man auch mit dem Fahrrad mit Hänger zum Einkaufen fahren kann.«
Beratung im virtuellen Raum
Um die Bikes raus zum Kunden zu bringen, entstehen neue Formen der Kooperation zwischen Herstellern und Handel und Ideen werden ausprobiert: Hersteller beraten Verbraucher am Telefon, per Mail oder über Facebook, um den Handel zu unterstützen. Händler sollten zusätzlich auf Social Media ihre Kundenkontakte pflegen, empfiehlt Heike Müller. Bikes können direkt an den Endverbraucher geliefert werden, der Händler macht die Endmontage in der Garageneinfahrt und übergibt es kontaktlos. In der angespannten Lage zählt Solidarität, und so erzählt Sebastian Göttling, wie der Vermieter eines seiner Kunden bis Juni auf die Ladenmiete verzichtet, um den Fahrradladen in seinem Gebäude zu halten.
Dennis Schömburg und Heiko Müller regten einen politischen Stufenplan an, der regelt, welche Industrien schneller zurückkehren dürfen und Fahrradläden schneller wieder öffnen zu lassen. Insgesamt gibt es Optimismus, dass die Branche gestärkt aus der Krise hervorgeht. Sebastian Göttling: »Wenn das Gefühl „Hurra wir leben noch“ kommt, dann steht das Fahrrad ganz oben auf der Liste der Dinge, für die man seine Zeit und sein Geld investiert.«
Verena Ziese