Dass die BICO in diesem Jahr auf der Eurobike nicht ausstellt, ist rein statistisch keine große Sache: Sie hatte zuletzt 300 Quadratmeter, und wer gewöhnlich mehrere 10.000 Quadratmeter vermietet, sollte davon nicht umfallen. Und doch könnte diese Nachricht einen Wendepunkt bedeuten in der Geschichte der deutschen Fahrradmesselandschaft.
In den letzten Tagen waren führende Köpfe des Friedrichshafener Messeteams unermüdlich im Einsatz: Sie führten auf der Winter-Ispo viele Gepräche mit Ausstellern, die auch für die Outdoor in Friedrichshafen buchen oder buchen könnten. Denn in diesen Tagen fällt die European Outdoor Group die Entscheidung, wo die Outdoor ab 2019 abgehalten werden könnte. Nach einem Entscheidungsprozess a la Voice of Germany sind noch Hamburg, München und Friedrichshafen im Rennen, wobei Hamburg angeblich nur Außenseiterchancen hat. Doch dass München den Zuschlag bekommt und Friedrichshafen diese Messe verliert, ist durchaus denkbar.
Vor diesem Hintergrund wäre ein Schrumpfungsprozess der Eurobike durchaus unangenehm, denn Eurobike und Outdoor sind die Cash Cows der Messe Friedrichshafen und der eigentliche Grund, warum das Hallenensemble nach seiner Errichtung noch zwei mal erweitert wurde.
Die Absage der BICO kommt da ungelegen. Zwei Missverständnisse sind hier auszuräumen. Zum einen ist der Rückzug nicht das Ergebnis einer Abstimmung auf der Mitgliederversammlung, wie gelegentlich zu hören war. Die Entscheidung fällte die Geschäftsführung und verkündete sie auf der Versammlung, wenn auch unter akustisch vernehmbarer Zustimmung der Anwesenden. Zum anderen kann der Geschäftsführer der BICO gerne versichern, dass diese Absage kein politisches Statement sei, nur entscheidet er gar nicht darüber. Wie politisch eine Entscheidung eines Ausstellers pro oder contra einer Messe ist, bemisst sich nämlich vor allem an seiner Bedeutung. Hier fehlt nicht nur ein ziemlich marktrelevanter Verbund mit über 700 Händlern (und der andere große ist auch nicht am Bodensee), sondern dieser Verbund hat eine Reihe namhafter Streckenlieferanten, die viele Händler dorthin ziehen, wo sie anzutreffen sind. Zwei unter ihnen, Gudereit und Stevens, haben ihren Verzicht zuvor schon erklärt.
BICO macht First View in Köln
Diese beiden hatten sich insbesondere an dem frühen Termin Anfang Juli gestört. Den hatten die Messemacher aber gerade mit Blick auf die Fahrradhersteller erfunden, was ja auch nicht völlig abwegig ist, wie ein neues Format der Bico zeigt: Ein „First View“ im Palladium Köln wird synchron mit der ZEG Bike Show am 22.-24. Juli stattfinden mit dem klaren Fokus auf Fahrräder. Dort soll sich der Händler orientieren und dann auf den nachfolgenden Hausmessen im August und der BICO-Hausmesse Anfang September ordern.
Genau diese Logik hatte die Messe Friedrchshafen mit dem Vorziehen der Eurobike ebenfalls für sich in Anspruch genommen, aber zumindest mit dem Ausmaß der Vorverlegung kaum Unterstützer gewonnen. Lücken zeigt der Eurobike-Aussteller-Katalog gerade in den Reihen arrivierter Fahrradhersteller, zumal jetzt auch Storck absprang. Die schon zuvor ausgebliebenen Marken wie Specialized, Cannondale, Trek, Cube, Giant, Diamant, Batavus und Sparta bringt der frühe Termin offenbar auch nicht zurück. Zugleich beklagt der Handel, dass dieser Messetermin die laufende Saison stört, während die Aussteller die Überschneidung mit der Ferienzeit bemängeln, sowohl mit Blick auf Urlaubsansprüche des Standpersonals als auch auf die Auslastung der Betten am Bodensee.
Neue Gemengelage
Die Eurobike behält ihren Status als internationale Leitmesse, ist erste Adresse für Aussteller und Besucher aus vier Kontinenten. Ihre Bedeutung für den in Europa eminent wichtigen deutschsprachigen Markt beginnt sich aber in der neuen Gemengelage zu verwischen. Nun kommen auch Kritikpunkte wieder auf die Tagesordnung, die schon immer bekannt, aber bis vor kurzem noch akzeptiert waren wie die Verkehrs- und Hotelsituation rund um Friedrichshafen.
Vor diesem Hintergrund könnte man im First View der BICO in Köln einen Einstieg in ein gemeinsames Format der beiden Einkaufsverbände vermuten, ein IFMA-Revival gewissermaßen. Indes betont die BICO, dass ihre eigene Ordermesse Anfang September in Mainhausen auch langfristig der Fixpunkt ihres Messekalenders bleiben wird, denn dies ist und bleibt der bestmögliche Zeitraum für das Ordergeschäft: Nach der Saison und einer Möglichkeit, andernorts sich einen Überblick zu verschaffen.
Gemeinsam zur besten Lösung?
Eine ordnende Funktion für die Schaffung eines allseits akzeptierten Messeformats für den deutschsprachigen Markt weisen einige Beobachter nicht den Einkaufsverbänden, sondern dem Zweirad-Industrie-Verband zu. Der ist zunächst jedoch offiziell ideeller Partner der Eurobike. Außerdem müsste man ja nicht zwingend ein Gebilde schaffen, das mit der Eurobike konkurriert oder diese ablöst. Eine Konsens-Lösung für 2019 ff. könnte man ja auch gemeinsam mit der Messe Friedrichshafen erarbeiten, deren Fahrradmesse immerhin für zwei Jahrzehnte das Maß der Dinge war. Für den großen einvernehmlichen Wurf müsste man aber alles auf den Prüfstand stellen – vom Termin über das Konzept bis zum Standort.
Text: Michael Bollschweiler, Foto: Messe Friedrichshafen