Unter Federführung der Initiative »Händler helfen Händlern« hat sich eine Gruppe von Händlern zusammengeschlossen, um juristisch gegen die staatlich angeordnete Schließung ihrer Betriebe vorzugehen. Neben dem sportlichen Einkaufsverband Intersport sind mit Modehändlern wie Engelhorn, L+T, Schuster und Tom Tailor auch Fahrradhändler wie Rose Bikes oder Gastronomen wie L’Osteria an Bord.
»Wir sehen eine absolute Ungleichbehandlung, und zwar in allen Bereichen. So gibt es keine Home-Office-Pflicht, es dürfen also auch bei staatlichen Einrichtungen bzw. staatsnahen Einrichtungen mehr als 1.500 Leute in einem Großraum-Büro sitzen, aber Handel und Gastronomie sollen verboten werden und im Privaten darf man sich nur mit einer Person treffen«, erklärt Rose Bikes-CEO Marcus Dieckman in seiner Rolle als Initiator der letztjährig gegründeten Pro-Bono-Initiative »Händler helfen Händlern«.
»Die Regierung zwingt uns, weitere juristische Schritte zu unternehmen«, fügt Intersport-Vorstandschef Alexander von Preen an, »wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir überlegen, die gesetzlichen Regelungen vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.«
Knackpunkt Corona-Notbremse
Momentan sieht es so aus: die Änderungsvorlage des Infektionsschutzgesetztes – die sogenannte »Corona-Notbremse« – sieht ab einer Inzidenz von über 100 im jeweiligen Landkreis vor, dass bundesweit der Einzelhandel schließen muss, eine nächtliche Ausgangssperre sowie Kontaktbeschränkung mit nur einer Person. Im Laufe der kommenden Woche soll erst im Bundestag und dann im Bundesrat über den »Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite« entschieden werden.
Dazu Dieckmann: »Mit der Einführung der bundesweiten Notbremse haben wir jetzt die Möglichkeit, bundeseinheitlich gegen diese staatliche Willkür vorzugehen. Wenn wir jetzt nichts unternehmen, werden wir noch monatelang von Lock-Down zu Lock-Down taumeln. Als Initiator von ‚Händler helfen Händlern‘ kann ich mit dieser Symbolpolitik nicht länger leben und darum muss jetzt gehandelt werden. Menschen werden krank, Menschen sterben und das ist schlimm und wir alle müssen das Leben der Menschen schützen – aber sinnvoll.«
Laut Dieckmann sind alle Mittel da – »Schnelltests, digitale Registrierungsmöglichkeiten, FFP2-Masken, Hygienekonzepte. Lokale und regionale Öffnungs-Projekte, wie zum Beispiel in Tübingen, haben bewiesen, dass es funktioniert. Wir sind gesprächsbereit, gemeinsame Lösungen und Konzepte zur Pandemiebekämpfung zu entwickeln.« Anmerkung des RadMarkts: der Tübinger Modellversuch ist zum Zeitpunkt dieses Schreibens noch nicht so zu bewerten.
Handeln gegen Perspektivlosigkeit
Eine vom Robert-Koch-Institut veröffentlichte Einschätzung des allgemeinen Infektionsrisikos bestätigt dem Einzelhandel ein niedriges Infektionsrisiko sowie grundsätzlich einen niedrigen Anteil am Infektionsgeschehen. Auch fänden in den durchgehend geöffneten Lebensmittelgeschäften bereits 80 Prozent aller Kundenkontakte im gesamten Handel statt – ohne dass es dort zu einer Häufung von Infektionen gekommen sei. In der Logistik oder in Produktionsbetrieben sei es dagegen schon häufig zu Ausbrüchen gekommen. »Doch passiert ist danach nichts«, meint von Preen.
Hauptkritikpunkt: Wettbewerbsverzerrung
Hauptkritikpunkt ist auf jeden Fall die Wettbewerbsverzerrung durch die unterschiedlichen Auslegungen der Systemrelevanz. So dürfen beispielsweise Buchläden oder Gartenmärkte bei höheren Inzidenzen weiter öffnen, Sportgeschäfte oder Fahrradhändler dagegen nicht. Dies ist laut Meinung der betroffenen Händler verfassungsrechtlich nicht tragbar und manifestiere Wettbewerbsverzerrung.
Stationäre Fachhandel verliert Zukunft
Dem stationären Fachhandel droht, seine Zukunft zu verlieren. »Mitarbeiter verlassen den Handel und es fehlen uns die Gelder für die Zukunftssicherung wie zum Beispiel Investitionen in die Digitalisierung, da das in den letzten Jahren angesparte Kapital für die Krisenbewältigung aufgebraucht wird. Damit haben wir gegenüber dem Online-Handel ebenfalls einen substanziellen Wettbewerbsnachteil durch die Corona- Krise“, warnt Intersport-Mann Alexander von Preen.
»Händler helfen Händlern« hilft
Von Preen-Fazit: »Eine Verfassungsklage ist der allerletzte Weg, aber langsam hilft nichts anderes mehr.« Alle Argumente der Unternehmen wären bisher nicht gehört worden. Noch seien die Händler gesprächsbereit. Wenn aber das Gesetz so verabschiedet würde, bliebe ihnen wohl keine andere Möglichkeit als zu klagen.
Die LinkedIn Gruppe »Händler helfen Händlern« (https://www.linkedin.com/groups/13844161/) bietet jetzt an, dass sich jeder melden kann und die Gruppe Anfragen mit Rechtsanwaltskanzleien koordiniert.
Text: Jo Beckendorff