Nachdem die indische Zweirad-Größe Hero MotoCorp Ltd. (alias Hero Motor Company, kurz HMC) im März dieses Jahres bekannt gegeben hatte, mit Hero International (HIT) eine neue internationale Zentrale in Europa zu errichten, hat sie nun einen erfahrenen U.S-Branchenkenner als CEO für dieses in London eröffnete Jungunternehmen gewinnen können. Welche Pläne die Inder mit Jeff Weiss (Bild unten) und HIT in Europa genau verfolgen, erfahren Sie hier.
HMC ist einst als Joint-Venture von Honda mit dem indischen Fahrradhersteller Hero Cycles entstanden. Seit 2011 befindet sich die Gruppe zu 100 Prozent in indischer Hand. Mit einer Jahreskapazität von 6 Millionen Fahrrädern ist die Geschäftssparte Fahrrad (alias Hero Cycle) mit ihren Produktionsstätten in Indien und Sri Lanka zumindest mengenmäßig größter Fahrradproduzent der Welt. Das erklärte Ziel, die Produktionskapazität unter dem Deckmantel des sich im Aufbau befindenden 100 Hektar großen »Cycle Valley« in Ludhiana/Punjab auf jährliche 10 Millionen Einheiten hochzufahren, lenkt auch den Blick Richtung Europa.
HIT hat europäischen E-Bike-Markt im Visier
Genau hier kommt HIT ins Spiel. HIT soll das Übersee-Geschäft von Hero Cycles erweitern. Gleichzeitig wird damit die globale Präsenz gestärkt. Zeitgleich soll das europäische Hero Cycles-Geschäft unter dem HIT-Dach vereint und vor allem jenes von E-Bikes ausgebaut werden.
Heißt auch, dass der zu Hero Cycles gehörende britische Anbieter Avocet Sports mit seiner Marke Insync Bikes sowie der deutsche Anbieter HNF mit HNF-Nicolai langfristig dazu beitragen sollen, mit vereinten Kräften auf dem boomenden europäischen E-Bike-Markt Fuß zu fassen.
Mit Jeff Weiss hat HMC nun einen versierten Vertriebs- und Marketing-Führungskraft mit über 25 Jahren Branchenerfahrung als HIT-CEO für sich gewinnen können. Weiss kommt von U.S.-Zubehör-Hersteller Saris Cycling. Für seinen neuen Job bei HIT wird er nach London ziehen. Bei Saris war der gebürtige U.S.-Amerikaner als Director, Global Sales & Marketing im Einsatz. Zuvor arbeitete er unter anderem von 2007 bis 2019 als Senior Vice President, International Sales bei Dorel Sports‘ Cycling Sports Group (CSG) sowie von 2002 bis 2004 als International Territory Manager EMEA (= Europe, Mittlerer Osten und Afrika) bei Trek Group.
Ziel: bis 2026 einen Europa-Umsatz von 300 Millionen Euro
Zu seinem Einstieg als HIT-CEO erklärt Jeff Weiss: »Ich kenne Hero schon seit vielen Jahren und war immer beeindruckt von ihrer Dominanz in Indien. Was mich aber wirklich reizt, dem Team jetzt beizutreten, ist die Vision, außerhalb Indiens zu wachsen – vor allem in Europa zum ersten Mal in Verbindung mit der Störung des fernöstlichen Fahrradherstellungsmarktes. Die Pläne von Hero, das ‚Cycle Valley‘ in Indien zu bauen, ist ein ernsthafter Game-Changer, der einen alternativen Standort für die Großserien-Produktion von Fahrrädern für den europäischen Markt bietet. Ich war sehr beeindruckt von den Ambitionen von Herrn Munjal und dem Team, den organischen Umsatz von Hero International in Europa bis 2026 auf 300 Millionen Euro zu steigern.«
Synergien nutzen
Mit Blick auf die zu HIT gehörenden Anbieter Avocet Sports und HNF freut er sich darauf, die Geschäfte der beiden europäischen Marken von Hero – die in Großbritannien ansässige Insync Bikes in Manchester und die in Berlin ansässige HNF Nicolai – zu unterstützen: »Ich komme zu einer Zeit, in der sowohl Insync als auch HNF florieren – wobei Insync eine Verdreifachung des Einzelhandels-Umsatzes 2020 einfuhr und HNF ein 2020er-Wachstum von 100 Prozent erzielte. Der Schlüssel ist jetzt zu planen, wie man das Interesse am Radfahren aufrechterhalten kann, das nach der Pandemie immer noch hoch ist. Ein Teil davon wird sein, eine starke Präsenz im Markt für erschwingliche Fahrräder zu haben und engere Beziehungen mit wichtigen Partnern sowohl im IBD- als auch im kommerziellen Bereich zu knüpfen. Wir müssen diesen Kunden weiterhin zuhören, eine proaktive Haltung einnehmen und sicherstellen, dass wir ihnen eine großartige Erfahrung bieten.«
Dabei sei auch klar, dass ein großer Teil der Zukunft im E-Bike liegt: »Wir sind der Meinung, dass Hero in diesem Segment Marktführer werden kann, indem es qualitativ hochwertige E-Bikes herstellt und dabei das Fachwissen von HNF im Bereich Technik und Design mit den Fertigungskapazitäten von Hero kombiniert.«
Das erste Fahrrad der Marke HNF, das in Indien gebaut wurde, sei bereits in Europa gelandet.
Text: Jo Beckendorff, Foto: HMC