Während der seit Februar unter einem Schutzschirmverfahren stehende und von einem Turnaround-Unternehmen verwaltete Fahrradkomponenten- und Bikewear-Anbieter Mavic S.A.S. zur Zeit nicht zur aktuellen Situation äußert, hat das US-Fahrrrad-Fachhandelsmagazin Bicycle Retailer & Industry (BRAIN) einige Klarheiten über die aktuellen Besitzverhältnisse des traditionellen französischen Anbieters herausgefunden.
Vorab der Fairness halber aber auch die Info, dass die Mavic-Zentrale in Annecy derzeit aufgrund des Corona bedingten Shut-Downs in Frankreich nicht vollständig besetzt ist. Wie aus Annevy zu hören ist, seit man derzeit damit beschäftigt, den Neustart zu beschleunigen. Momentan arbeitet zum Beispiel das komplett ins Home-Office verlegte Kommunikations-Department nur zu 60-prozentiger Vollzeitbeschäftigung-Auslastung. Dieser Prozentsatz sei allerdings derzeit von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich.
Laut Planungen sieht es – soweit das in Corona-Zeiten überhaupt möglich ist – wie folgt aus: bis Ende Mai sollen wieder ein Drittel der Mitarbeiter aus ihren Büros in der Firmenzentrale herausarbeiten. Dieser Anteil soll im Juni auf 50 Prozent und im Juli/August wieder auf 100 Prozent hochgefahren werden (wobei im Juli/August noch die Sommerferien berücksichtigt werden müssten).
Die Sache mit den aktuellen Mavic-Besitzverhältnissen
Wie bereits berichtet hatten Mavic-Mitarbeiter aus Frankreich – nachdem ihr Unternehmen einen Insolvenzantrag im Schutzschirmverfahren gestellt hatte – herausgefunden, dass sich ihr Unternehmen nicht wie bisher kommuniziert seit Juli 2019 in Händen der US-Beteiligungsgesellschaft Regent LP befindet, sondern in Händen eines Unternehmens namens M Sports International LLC mit Sitz in Delaware. Über dieses Unternehmen gibt es keinerlei Informationen.
Nun deckte BRAIN auf, dass M Sports ein von Regent LP kreierter Ableger ist, der eigens für die sich lange hinziehende Mavic-Übernahme gegründet wurde. BRAIN zitiert David Steinhafel mit den Worten, dass es sich dabei um eine ganz legale und allgemein übliche Geschäftspraxis handelt. Der Regent-Direktor ist nicht nur unter anderen für die von seinem Arbeitgeber in den USA im Juli 2019 von Accell Group übernommenen Fahrrad-Marken Diamondback, Izip und Redline (rollen nun in den USA unter dem Dach der Alta Cycling Group) verantwortlich, sondern fungiert derzeit auch als CEO von Mavic-USA. Dieses Unternehmen sei nicht von der Insolvenz von Mavic S.A.S. in Frankreich betroffen.
Komplizierte Trennung
BRAIN will auch herausgefunden haben, warum sich der Mavic-Verkauf seitens Amer Sports (mittlerweile in Händen des chinesischen Sportriesen Anta Sports) an Regent LP im letzten Jahr über fünf Monate hingezogen hatte. Demnach sei es gar nicht so einfach gewesen, eine genaue Trennlinie bzw. »Entflechtung« zwischen der damaligen Mavic-Mutter Salomon Group und deren Wintersport- und Outdoor-Geschäft auf der einen und dem Mavic-Geschäft auf der anderen Seite vorzunehmen.
Fakt ist, dass die aktuelle Mavic-Zentrale immer noch im Hauptsitz von Salomon Group in Annecy zu Hause ist. Zudem besitze und kontrolliere Salomon-Mutter Amer Sports immer noch eine Mavic-Produktionsstätte für Karbon-Laufräder in Bulgarien (die Laufrad-Produktion in Rumänien gehört hingegen wie die Alu-Felgenproduktion im heimatlichen Triveir-sur-Moignans bei Lyon zu Mavic).
Anvisiertes Heilmittel Kostenbremse und Kapitalbeschaffung
Auch wenn Steinhafel es gegenüber BRAIN ablehnte, auf die Konkurssituation im Schutzschirmverfahren von Mavic in Frankreich einzugehen: in einem Brief an Kunden soll er unter anderem erklärt haben, dass es die derzeitige Situation dem Unternehmen in Frankreich ermögliche, »nicht tragfähige Kosten zu mildern und hoffentlich Zugang zu zusätzlichem Kapital zu erhalten, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern und ein stärkeres mit der Fähigkeit zu schaffen, unsere Kunden weltweit besser zu bedienen«.
Branchenkenner erwarten, dass sich das derzeit Mavic lenkende Turnaround-Team demnächst auch mit einer offiziellen Erklärung an die Öffentlichkeit wenden wird – und zwar dann, wenn das Unternehmen seine von der französischen Regierung verordnete Corona-bedingte Schließung wieder zu 100 Prozent aufheben darf.
Text: Jo Beckendorff