Auf dem vom 30. Mai bis 1. Juni laufendem Mobilitätsgipfel ”Movin’On« 2018 in Montreal – der zweiten Auflage der Nachfolge-Veranstaltung von »Michelin Challenge Bibendum« – hat die französische Reifengröße Manufacture Française des Pneumatiques Michelin (kurz Michelin) einen tiefen Blick in seine Reifen-Zukunft geworfen. Erklärtes Ziel: Bis zum Jahr 2048 will der Produzent seine Reifen zu 80 Prozent aus nachhaltigen Materialien fertigen. Außerdem sollen zu diesem Zeitpunkt sämtliche Reifen aus eigener Produktion komplett recycelt werden.
Der Anteil nachhaltiger Materialien betrage bei der aktuellen Michelin-Reifenproduktion 28 Prozent – »wovon mit 26 Prozent der überwiegende Teil aus nachwachsenden Rohstoffen stammt. Hierzu zählen beispielsweise Naturkautschuk, Sonnenblumenöl und das in einer Vielzahl pflanzlicher Öle enthaltene Limonen. Weitere zwei Prozent stellen bereits recycelte Stoffe wie Stahl und Gummipulver aus Altreifen«.
Um die angestrebten Ziele zu erreichen, wird Michelin zusammen mit Partnern Forschungsprogramme zur Gewinnung von Rohstoffen auf biologischer Basis auflegen. Ein Beispiel hierfür ist die Produktion von synthetischem Kautschuk aus Biomasse wie etwa Holz, Stroh oder Rüben – ein Projekt, das laut Michelin bereits 2012 zusammen mit Axens und IFP Energies Nouvelles durchstartete.
Schon heute entwickelt Michelin innovative Lösungen zum Einsatz von Rezyklaten und erneuerbaren Materialien in seinen Reifen. Hiervon zeugt die jüngste Übernahme von Lehigh, einem Marktführer für Hightech-Mikropulver (Micronized Rubber Powder = MRP), das aus wiederverwerteten Altreifen gewonnen wird. MRP ersetzt im großen Stil Materialien auf Basis von Erdöl und Synthesekautschuk und das »sowohl bei industriellen Anwendungen als auch bei Konsumgütern«.
Dazu Michelins Direktor High Technology Materials Business Line Christophe Rahier: »Diese Investition belegt, wie entschlossen Michelin seine Erfahrung bei Hightech-Materialien auch in Feldern jenseits der Fertigung von Reifen in den Markt einbringt.«
Des Weiteren verweisen die Franzosen auf ihre heute schon bestehende hohe Recyclingquote bei Reifen. O-Ton Michelin in Montreal: »Im Jahr 2018 fallen nach Schätzung des World Business Council for Sustainable Development weltweit rund eine Milliarde Altreifen mit einem Gewicht von 25 Millionen Tonnen an. Pro Jahr werden 70 Prozent der Altreifen zurückgenommen und 50 Prozent für verschiedenste Verwendungen recycelt, wie etwa Sportbodenbeläge. 20 Prozent werden zur Energiegewinnung verbrannt. Damit steht die Reifenwirtschaft im branchenübergreifenden Vergleich sehr gut da. So wurden bei Plastikbehältern und -verpackungen weltweit bisher nur 14 Prozent zurückgeführt.« Trotzdem werde man weiter in Hightech-Recycling-Technologien investieren.
Denn nur so sei das selbst gesteckte Ziel, bis 2048 nur noch Reifen zu produzieren, die zu 80 Prozent aus nachhaltigen Materialien bestehen und komplett recycelt werden. Das würde laut Michelin-Berechnung folgenden Einsparungen entsprechen:
• 33 Millionen Barrel Öl beziehungsweise 16,5 Supertanker-Ladungen oder einer Energieleistung von 54.000 GWh; das entspricht dem gesamten Energieverbrauch Frankreichs in einem Monat
• dem Kraftstoffkonsum einer Durchschnittslimousine über eine Distanz von 65 Milliarden Kilometern
• dem Kraftstoffverbrauch sämtlicher Automobile in Europa über die Distanz von 291 Kilometern beziehungsweise sämtlicher Automobile weltweit über 54 Kilometer Distanz
Mit der bei Movin’On 2017 erstmals vorgestellten Rad-Reifenstudie »Michelin Visionary Concept« zeigten die Franzosen bereits, wie Reifen der Zukunft aussehen könnten. Zu den herausragenden Merkmalen des zu 100 Prozent recycelbaren und vernetzten Konzeptreifens gehört die jederzeit per 3-D-Printverfahren erneuerbare und biologisch abbaubare Lauffläche. Zudem lässt sich das Profil ohne Reifenwechsel je nach Witterungs- und Straßenverhältnissen per Tastendruck als Sommer-, Winter- oder Offroadreifen auslegen. Damit haben die Michelin Forscher einen Prototyp entworfen, »der maßgeschneidert die Bedürfnisse kommender Autofahrergenerationen erfüllen und den ökologischen Fußabdruck von Autofahrten reduzieren soll«.
Text: Jo Beckendorff/Michelin