Zum Tod von Andy Rihs: Der Patron ist gegangen
Andy Rihs mit Tour-de-France-Gewinner Cadel Evans.
Andy Rihs mit Tour-de-France-Gewinner Cadel Evans.

Die Fahrradbranche hat einen Radsport-Förderer und Mäzen verloren, wie es kaum mehr einen zweiten gab: Andy Rihs. Sein Engagement gründete in seiner persönlichen Affinität zum Rennrad. Im Unterschied etwa zu Scott-Eigner Beat Zaugg scheute er sich nicht, im Rampenlicht zu stehen, seine Meinung zu sagen –  und auch mal kritischen Journalisten die Leviten zu lesen.

Vor gerade 20 Jahren stieg Rihs als Teilhaber bei der damals unbedeutenden Marke BMC ein, zwei Jahre später übernahm er das Unternehmen ganz, um es zum Fliegen zu bringen. Das war ihm eine beträchtliche Summe wert, ebenso wie der Zukauf der Marken Bergamont und Stromer, mit denen er die BMC Holding begründete. Tief in die eigene Tasche griff Rihs aber auch zum Aufbau und Betrieb seiner Profi-Radrennteams. Das erste lief unter den gelb-grünen Farben seiner Hörgerätefirma Phonak, die er mit seinem Bruder Hans-Ueli führte. Die Investition schien sich dank entsprechender Publizität auch zu lohnen: 2006 gewann Floyd Landis die Tour de France für Phonak – leider aber wurde der Sieg alsogleich wegen Dopings aberkannt. 
Der menschlich schwer enttäuschte Rihs zog sich erstmal aus dem Rennsport zurück, doch unter dem Namen seiner Velomarke nahm er noch einen zweiten Anlauf. Dem BMC Racing Team gelang es auch, nachhaltig auf die Erfolgsstrasse einzuschwenken. Mit dem Gewinn der Tour de France durch Cadel Evans 2011, dem Weltmeister-Titel für Philippe Gilbert 2012, zwei Weltmeister-Titeln im Mannschaftszeitfahren 2014 und 2015 sowie Olympia-Gold 2016 und dem Sieg bei Paris-Roubaix 2017 durch Greg van Avermaet konnte Rihs so ziemlich alle großen Erfolge einheimsen, die der Radrennsport zu bieten hat. Auch im Mountainbiking mischte BMC zuvorderst mit, vor allem dank der Verpflichtung des mehrfachen Weltmeisters und Doppel-Olympiasieger Julien Absalon.
Im Gegensatz zum Rennsport wollte aber der BMC Holding der kommerzielle Erfolg nicht gelingen: Trotz hohen Investitionen konnten nie schwarze Zahlen geschrieben werden. Ein Fiasko war insbesondere die 2010 für 40 Millionen Schweizer Franken (33,3 Millionen Euro) errichtete automatisierte Carbonrahmen-Fertigung. 2015 berief Andy Rihs deshalb den erprobten Sanierer Erwin Steinmann. Desintegration hiess die neue Losung: Die Marke Bergamont wurde an Scott Sports und die Squadra Mondo-Ladenkette an die International Retail Corporation des Investors Beat Zaugg verkauft. BMC soll seit 2016 ohne finanziellen Support von Rihs operieren, und auch My Stromer muss seit dem Einstieg neuer Investoren ohne Rihs‘ Finanzspritzen auskommen. Anders sieht es beim BMC Racing Team aus, das bis dato von Rihs‘ Firma AR Cycling finanziert wird.
Andy Rihs hatte aber neben dem Rennsport noch weitere Passionen. Da war der Fußball: Zusammen mit seinem Bruder gehörte ihm der Berner Traditionsverein BSC Young Boys. Zu schade, dass es Rihs nicht mehr vergönnt war, demnächst den ersten Meistertitel seit über 30 Jahren zu feiern. Und auch der Wein: »Das Velo und der Wein gehören für mich zusammen. Beide vereinen Genuss und Perfektion. Die Arbeit der Ingenieure bei BMC fasziniert mich ebenso wie jene der Winzer in meinem Weingut Aureto in der Provence. Deren Resultate haben für mich schon viele gute Tage zu sehr guten gemacht.« Rihs war selber auch ein besessener Rennradler, der jährlich Tausende von Kilometern auf seinen edlen BMC-Flitzern abspulte: »Mein ganzes Leben lang habe ich Ideen entwickelt und Probleme gelöst. Nichts hat mir dabei mehr geholfen als das Velo: Über die Strasse rollend, den Kopf an der frischen Luft, beginnen bei mir die Denkprozesse zu fliessen.«
Leider hat ihn auch das viele Radeln nicht vor seiner Krankheit bewahrt: Rihs war an Leukämie erkrankt. Er ist am 18. April im Alter von 75 Jahren verstorben.

Peter Hummel/Foto: My Stromer
 

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