Globaler Lieferkettendruck-Index 2022 auf Höchststand
Der GSCPI von New York Fed basiert auf Daten vom Bureau of Labor Statistics; Harper Petersen; Baltic Exchange; IHS Markit; Institute for Supply Management; Haver Analytics; Bloomberg sowie eigenen NY Fed-Kalkulation.

Ein von der Federal Reserve Bank of New York aufgelegter Index für den globalen Lieferketten-Druck verdeutlicht, dass die russische Invasion Richtung Ukraine noch einmal eine gehörige Extraportion »Pressure« auf die ohnehin schon aufgrund der von Corona-Lockdowns angespannten Situation ausübt. In diesem März ist dieser Druck laut Index, der bis ins Jahr 1997 zurückschaut und alle globalen Branchen betrifft, auf einem absoluten Höchststand.

Besagter Global Supply Chain Pressure Index (GSCPI) fasst 27 Variablen zusammen, die alles von grenzüberschreitenden Transportkosten bis hin zu länderspezifischen Produktionsdaten in China, der Euro-Zone, Großbritannien, Japan, Südkorea, Taiwan und den USA erfassen. Zudem wurden nationale Einkaufsmanager-Indizes und globale Frachtraten (inkl. Container-Index) und verschiedene Luftfrachtpreis-Indizes hinzugezogen.
Der Index ist wie folgt normiert: die Null zeigt an, dass er auf seinem Durchschnittswert liegt. Positive Werte geben an, wie viele Standardabweichungen der Index über diesem Durchschnittswert liegt. Anders ausgedrückt: je höher dieser Wert ist, umso mehr Lieferketten-Störungen liegen vor. Negative Werte geben indes an, wie viele Standardabweichungen der Index unter diesem Durchschnittswert liegt.
Ausfall nur eines einzigen Teils kann Herstellung komplett lahmlegen
Was für den Fahrrad-Sektor gilt, gilt natürlich auch für alle anderen Branchen: es ist nicht immer ein Produkt als Ganzes von der aktuellen Liederketten-Problematik betroffen, sondern oftmals nur ein einziges Teil der Wertschöpfungskette. Dieses allein kann das ganze Kartenhaus zusammenbrechen lassen. Heißt: wenn dieses eine Teil nicht geliefert werden kann, kommt der gesamte Herstellungsprozess zum Stillstand. Ergo kann der Hersteller auch nicht mehr liefern.
Index-Entwicklung 1997 – 2020
Schaut man auf den im Jahr 1997 knapp unter Null ausgewiesenen Wert, sieht man im Jahr 2011 einen ersten größeren Ausschlag. Dieser beruht auf zwei Naturkatastrophen: da war zum einen das Tōhoku-Erdbeben und der daraus resultierende Tsunami in Japan. Der brachte ein globales Zentrum der Automobil-Herstellung ins Stottern. Zum anderen waren da die Überschwemmungen in Thailand. Sie fluteten sieben der größten Industriegebiete des Landes. Davon wurden die globalen Produktionsketten der Automobil- und Elektronikindustrie ausgebremst.
Ein zweiter auffälliger Index-Anstieg in den Jahren 2017/18 beruht auf den Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA.
Corona und Ukraine-Invasion sorgen für Index-Höchststand
Diese GSCPI-Ausschläge sind allerdings nichts im Vergleich zum Dritten, der zu Beginn der Corona-Pandemie einsetzte. Zunächst waren es Chinas rigorosen Abriegelungsmaßnahmen, die den Index sprunghaft anstiegen ließen. Als die Weltproduktion im Sommer 2020 wieder loslegte, nahm das sofort wieder Druck heraus – bevor er dann im Herbst/Winter 2020 aufgrund steigender Covid-19-Zahlen und erneuter Lock-Down-Phasen wieder kräftig anstieg.
Anfang 2022 schien endlich wieder Licht am Ende des Tunnels zu erkennen zu sein. Insider prognostizierten bereits einen beträchtlichen Druckausgleich – wäre da nicht im Februar der Krieg gegen die Ukraine ausgebrochen. Der sorgte letztendlich auch für den aktuellen Höchststand des von GSCPI ausgewiesenen Drucks auf einen Wert von über 4 Punkte.
Wann sich dieser Wert wieder nach unten bewegen wird, hängt nun sowohl von der weiteren Corona- als auch Kriegsentwicklung ab. Wovon man allerdings jetzt schon ausgehen kann (und in der Hoffnung, von weiteren globalen Querschlägern verschont zu bleiben): selbst wenn die beiden oben genannten Problemfelder gelöst werden können, ist der Index noch lange nicht sofort wieder auf Null (sprich Durchschnittsniveau).
Es wird Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis die globale Lieferkette und -situation wieder komplett im Lot ist.
Darauf sollten auch Fahrrad-Fachhändler vorbereitet sein – und gegebenenfalls (Stichwort Preiserhöhung und weiter anhaltende längere Lieferzeiten) im Verkaufsgespräch mit dem Kunden immer wieder darauf hinweisen.

Text: Jo Beckendorff, Graphik: Federal Reserve Bank of New York
 

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