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»Holländischer Italiener« Vittoria Group in neuen Händen
Geht - aber nicht ganz: Vittoria Group-Veteran Rudie Campagne.

Ein ganz großer Veteran der internationalen Fahrrad-Branche hat die Zukunftsweichen für sein Lebenswerk gestellt: wenn sich der schillernde 76-jährige Vittoria Group-Präsident und -CEO Rudie Campagne in diesem Monat Juli in den Ruhestand begibt, übernimmt die italienische Risikokapital- und Private Equity-Fondsgesellschaft Wise Equity SGR S.p.A. (www.wisesgr.com) als Investor und Aktionär das Firmenruder. Neuer Vittoria Group-Präsident und -CEO wird Campagne-Landsmann Stijn Vriends (Bild unten). Der niederländische 48-jährige Investorenunternehmer ist Wise Equity-Partner. Über den Kaufpreis, den die im Jahr 2000 gegründete Mailänder Fondsgesellschaft für »den niederländischen Italiener« Vittoria Group gezahlt hat, werden allerdings keine Angaben bekannt gegeben.

Mit frischem Wachstumskapital und einer neuen Führung soll Vittoria Group gemäß ihrem Manifest »Nie zufrieden, immer hungrig« auch zukünftig in der Lage sein, »die unbestrittene Nummer Eins bei der Entwicklung von Produkten und Materialien mit neuartigen disruptiven Technologien zu werden«.
Um die zukünftige Strategie der Gruppe mit zu entwickeln und zu begleiten, wird Rudie Campagne allerdings noch einige weitere Jahre lang als nicht geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Hintergrund an Bord sein. Zudem bleibt »der Macher« seinem Lebenswerk als lebenslanger Ehrenvorsitzender verbunden.
Vittoria-Motor Rudie Campagne
1988 beteiligte sich der zuvor bei mehreren multinationalen Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Singapur und den USA arbeitende Rudie Campagne an Vittoria. Vittoria S.p.A. war ein kleiner italienischer Betrieb in der Region Bergamo, der 1990 mit seinen 180 Mitarbeitern in eine Gruppe namens Vittoria Industries Ltd. (alias Vittoria Group) eingegliedert wurde.
Unter der Ägide von Campagne mutierte das traditionelle italienische Unternehmen im Laufe von 30 Jahren zu einem weltweit führenden innovativen Fahrradreifen-Hersteller, der heute pro Jahr mehr als 7 Millionen Fahrradreifen und 900.000 Fahrradschläuche sowohl für seine Eigenmarke als auch für andere führenden Markenanbieter in seinen Lion Tyres-Fabriken in Thailand produziert. Somit erzielt die Vittoria Group heute mit ihren alles in allem 1.300 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 60 Millionen Euro.
Italien ist und bleibt Vittoria-Heimat und -Stammsitz
Rudie Campagne war es wichtig, dass Vittorias »italienisches Erbe« auch ohne ihn weiter hochgehalten wird: »Italien ist die Wiege der Fahrradwelt und das Land, in dem Vittoria ursprünglich gegründet wurde. Die italienische Wise Equity als Investor und Aktionär zu haben, fühlt sich an, als würde man Vittoria nach Hause bringen, was ein großartiges Gefühl ist. Somit ist mit dem Verkauf auch die Entscheidung verbunden, den Hauptsitz von Vittoria in das Herz des Radrennsports nach Bergamo, Italien, zu verlegen«.
Erst kürzlich hat die Gruppe dort ein hochmodernes Büro mit Testzentrum und ein neues Logistikzentrum für 7 Millionen Euro errichtet. Von hier aus soll die Marke näher an ihren Hauptmarkt heran.
Coming home: Italienische Marke, italienischer Besitzer
Der neue Vittoria-Group-Besitzer Wise Equity ist ein italienischer Risikokapital- und Private-Equity-Fonds-Anbieter mit Sitz in Mailand, der in den letzten drei aufeinander folgenden Jahren als bester italienischer LBO-Fonds ausgezeichnet wurde. Anmerkung des RadMarkts: »LBO« steht für »leveraged buy-out«. Dabei handelt es sich um fremdfinanzierte Unternehmensübernahmen im Rahmen einer strukturierten Finanzierung (mit hohem Fremdkapital-Anteil). Derartige Finanzkonstrukte sind typisch für Private-Equity-Investoren wie Wise.
Wise Equity verwaltet derzeit drei Fonds, mit denen in kleine und mittlere Unternehmen »mit besonderem Schwerpunkt auf Italien« investiert wird. Der Fonds Wiseequity V hat im Juli 2019 die Mittelbeschaffung mit einer Obergrenze von 260 Millionen Euro abgeschlossen. Der Einstieg in die Vittoria Group ist die zweite Investition dieses Fonds.
Neuer holländischer Chef
Der neue Vittoria Group-Präsident und -CEO und Campagne-Nachfolger Stijn Vriends arbeitet derzeit mit Wise Equity zusammen. Zuvor war er CEO und Managing Partner von zwei italienischen Unternehmen (Schneller und Carraro), die wichtige Off-Highway-Fahrzeuge und -Komponenten liefern und herstellen. Unter ihm soll die eigene Marke Vittoria zwar eine Top-Performance-Marke im Sport bleiben. Allerdings sieht die Gruppe für die Zukunft auch in den Sektoren Urban Mobility und E-Bikes enorme Wachstumschancen.
Dazu Vriends: »Es ist aufregender denn je, Teil der sich ständig verändernden Urban Mobility-Landschaft zu sein, die von uns entwickelte Graphen-Technologie kann jetzt zu unserem dominierenden Wettbewerbs-Vorteil in der Kategorie Urban Bikes werden, Graphen-Reifen sind ideal für City- und E-Bikes, die lange Ausdauerreifen benötigen, die nicht platt laufen.«
So habe Vittoria bereits am 30. Juni eine neue Reifenlinie mit einem sogenannten »Battery Saving Compound« auf den Markt gebracht, hinter dem laut Firmenangaben eine revolutionären Technologie steckt, »die die Reichweite von E-Bike-Batterien verlängert«.
Italienische Wurzeln, niederländisches Top-Management
Unter Vriends bleibt Vittorias Top-Management auch weiterhin in niederländischer Hand, »das die globale Unternehmenskultur auf Kurs hält und eine intensive Verbindung zum riesigen und schnell wachsenden nordeuropäischen Markt für Alltagsfahrräder aufrechterhält. Das Gebiet Bergamo wird zum neuen globalen Zentrum der Vittoria-Gruppe, wodurch sie ihre starke Präsenz auf den traditionellen Straßenrenn- und MTB-Märkten bewahren und ausbauen kann«.
Bis dato die Corona-Krise gut gemeistert
Letztendlich noch der Hinweis, dass die Unternehmensmission auch unter der neuen Führung unverändert bleiben soll. Zudem sei man trotz der Corona-Krise in sehr guter Verfassung: »Während der Monate März und April gab es natürlich einen starken Umsatzrückgang, aber in der zweiten Maihälfte stiegen die Verkäufe sprunghaft an, angespornt durch den enormen Anstieg des Interesses am Radfahren als Transportmittel und Freizeitbeschäftigung.« Heißt auch, dass Vittoria eine Betriebsschließung vermeiden konnte. Die globale Organisation habe durch smartes Arbeiten aus dem Home-Office keine Gruppenverluste verbuchen müssen.

Text: Jo Beckendorff/Vittoria Group, Fotos: Vittoria Group

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