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Lennard Zinn: Wie »e« das Leben eines herzkranken U.S.-Radfahrers veränderte
Lennard Zinn mit seinem Zinn Cycles E-Renner mit Bosch-Antrieb.

Lennard Zinn – anerkannter u.s.-amerikanischer Fahrrad-Journalist (unter anderem VeloNews), Buchautor (»Zinn & the Art of Road Bike Maintenance«, »Zinn & the Art of Triathlon Bikes«, »Zinn’s Cycling Primer«, »The Mountain Bike Performance Handbook« and »The Mountain Bike Owner’s Manual«) und mit seiner eigenen Custom-Build-Fahrrad-Marke Zinn Cycles auch Bikeanbieter – hat sich in seiner ansonsten bisher E-Bike-skeptischen Heimat dem Thema Pedelec verschrieben. Warum, erfahren Sie hier.

Bevor Zinn selbst in die Welt der E-Bikes mit Mittelmotoren eintauchte, hatte er bereits zwei E-Bikes mit Hinterrad-Nabenmotoren in der Garage seiner Heimat Boulder City in Colorado stehen. »Eines habe ich selbst als Shuttle-Fahrzeug für Wildwasser-Kajakfahrten genutzt. Das andere habe ich einer meiner Töchter für ein Jahr als Pendlerfahrzeug geliehen. Allerdings hatte ich mich selbst nie als E-Radler gesehen.«
Das änderte sich erst, als Zinn vor etwa fünf Jahren Herzrhythmusstörungen entwickelte, mit denen er nun leben muss. Seitdem hat er sich sehr mit dem Thema Herzrhythmusstörung beschäftigt. In seinem Buch »The Haywire Heart« veranschaulicht er die direkte Beziehung jahrelangen harten Trainings und Rennen zu einer erhöhen Anzahl an Herzrhythmusstörungs-Erkrankungen. Bei Zinn waren sie so weit fortgeschritten, dass er etwaige Steigungen in seiner Heimat nicht mehr meistern konnte, ohne dass seine Herzfrequenz unkontrolliert hochging. Folge: Diverse Arrhythmie-Vorfälle.
Dann setzte sich Lennard Zinn mit Bosch in Verbindung. Was rückblickend gar nicht so einfach war, weil der deutsche Anbieter an sich keine kleinen Rahmenanbieter autorisiert, seine E-Bike-Antriebssysteme zu verwenden.
In ihrer Rolle als Business Unit Leiterin von Bosch eBike Systems Americas bestätigte Claudia Wasko auf der Interbike in Reno, dass sich ihr Unternehmen seine Geschäftspartner genau anschaut, bevor es mit ihnen zusammen arbeitet und ihnen ihre Produkte liefert.
Im Laufe der Jahre habe man aber sowohl in Europa als auch Amerika OE-Servicepartner an Bord, die sich auch um kleinere Premiumanbieter kümmern und diese mit Rat und Tat zur Seite stehen: »In Europa ist das Kalle Nicolai mit seinem Unternehmen Universal Transmissions – kurz UT -, in Amerika Saris Cycling Group. Über Saris ist auch Lennard Zinn und sein Unternehmen Zinn Cycles an unsere E-Bike-Antriebseinheiten gekommen.«
Anfang Mai baute sich Zinn einen Custom-Titan-Straßenrahmen mit Bosch-Motor und –Batterie. Seitdem ist er damit viel unterwegs: »Es war sehr spannend zu sehen, wie die Motoraufnahme aus Titan mittels 3D-Printer entstand und in den Titanrahmen integriert wurde. Das hat GSD Global für mich gemacht.«
Seitdem habe das E-Bike sein Leben verändert: »Die E-Support hat mir etwas zurückgegeben, was ich sehr vermisst habe: nämlich Berg- und Gruppenausfahrten. Ohne E-Bike wäre ich zu Hause völlig festgefahren oder hätte mich in einem niedrigen Gang kurbelnd auf einem meiner anderen Fahrräder herumgetrieben. Mit dem E-Bike kann ich immer noch fahren, wenn die Intensität niedrig bleibt. Somit kann ich Arrhythmie-Vorfälle minimieren.« Anmerkung des RadMarkts: In den USA gilt für Pedelecs ohne Kennzeichen keine Höchstgeschwindigkeit bis 25 km/h, sondern 20 Meilen (= 32 km/h) bzw. 30 Meilen (= 45 km/h) – eine Regelung, die sich auch viele für Europa wünschen und dem Thema »e« vor allem im Sektor urbane Mobilität sicherlich einen weiteren Schub geben würde.
Und wenn Lennard Zinn einmal während seiner Ausfahrten Arrhythmien verspürt, würde er einfach auf »Turbo« mit 275 Prozent Motorunterstützung hochschalten und mit weniger Anstrengung über Stock und Stein nach Hause kurbeln.
O-Ton Zinn: »Die Freiheit zu wissen, dass ich auch immer nach Hause komme, wenn ich ein Herzproblem habe, ist mir enorm viel wert. Ich nehme sogar noch an den Mittagsausfahrten der VeloNews Wednesday Worlds teil. Die beinhaltet steile und heiß umkämpfte Anstiege. Das ist etwas, das ich liebend gerne getan habe – und seit fünf Jahren nicht mehr machen konnte.«
Wenn er jetzt versuchen würde, mit dem VeloNews-Kollegen auf diesen Anstiegen auf einem konventionellen Rennrad mitzuhalten, wäre sein Herz ständig in Arrhythmie. Mit dem E-Renner könne er in einem einfachen Tempo und mit unter 110 Herzschlägen pro Minute mitfahren – »bei ‚Eco’ in den Ebenen und auf ‚Tour’ bzw. ‚Sport’ sogar bei den großen Anstiegen«. Für Zinn fühlt sich die E-Support »wie ein normales Fahrrad mit viel Rückenwind« an.
»Früher liebte ich ganztägige lange harte Ausfahrten. Die Reichweite des Bosch-Antriebs mit 500-Wh-Akku sorgt dafür, dass ich wieder mindestens einen Teil der epischen Fahrten meiner Freunde mitmachen kann«, erklärte Zinn dem RadMarkt auf der Interbike in Reno.
Heute würde er es nicht mehr vermissen, mit seinem Körper an Höchstgrenzen zu stoßen. Ganz im Gegenteil: »Ich genieße es, mit minimalem Aufwand zu radeln – und dabei nicht einmal ins Schwitzen zu kommen.« Und das sagt einer, der früher auf seine Herzfrequenz von 110 bpm (= »beats per minute«) stolz war.
Egal ob Rennrad oder Cyclocross (eine weitere heiße Fahrrad-Liebe, die der einst ambitionierte Rennradler wieder aufgenommen hat) – für Lennard Zinn ist klar: »Fahren mit höherer Geschwindigkeit bei geringerer aerober Intensität ist eine perfekte Möglichkeit, cooler zu bleiben!«
Lennard Zinns Buch »The Haywire Heart – how too much exercise can kill you, and what you can do to protect your heart« (Co-Autoren: Chris Case und Dr. John Mandrola) kann über den Link http://www.bigandtallbike.com/The-Haywire-Heart–By-Lennard-Zinn-Dr-John-Mandrola-and-Chris-Case_p_452.html bezogen werden (Preis: 24,95 US$).

Text: Jo Beckendorff, Fotos: 1x Jo Beckendorff, 2x Zinn Cycles
 

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