Sachsenring Bike Manufaktur hat Insolvenz angemeldet
Sachsenring Bike Manufaktur Logo.

Und das in einem Jahr, in dem der Fahrradsektor boomt und das Thema einer europäischen Vor-Ort-Produktion immer heißer gehandelt wird: vorgestern (18. November) hat der einst aus dem Traditionsunternehmen Mifa hervorgegangene deutsche Produzent Sachenring Bike Manufaktur GmbH beim verantwortlichen Amtsgericht Halle (Saale) einen Insolvenzantrag gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. Philipp Hackländer von der Anwaltskanzlei White & Case in Leipzig bestellt.

Wichtig zu wissen: Produktion und Werksverkauf laufen weiter. Zudem will Hackländer zuallererst dafür sorgen, dass Löhne und Gehälter weitergezahlt werden. Außerdem soll bis spätestens Jahresende 2020 eine Sanierungslösung präsentiert werden.
Von Mifa zu Sachsenring
Ein Blick zurück: nachdem die aus der Automobilbranche kommende Unternehmerfamilie von Nathusius die im September 2014 zum wiederholten Mal in die Insolvenz gerutschte Mitteldeutsche Fahrradwerke GmbH übernommen und unter dem Namen Mifa-Bike GmbH neu durchstarten ließ, gab es große Pläne. So wurde unter anderem am Unternehmensstandort Sangerhausen ein Grundstück (bei der die öffentliche Hand der renommierten Unternehmensfamilie sehr entgegen kam) für eine neue moderne Produktionsstätte vor den Türen von Sangerhausen gekauft werden. Aber auch diese ambitionierten Pläne führten nicht zum Erfolg. Anfang 2017 meldete Mifa-Bike GmbH Insolvenz an.
Damit kam wieder der renommierte Insolvenzverwalter und Sanierungsexperte Prof Dr. Lucas Flöther von der Berliner Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung zum Zuge. Nachdem er die Sangerhausener schon zuvor als Insolvenzverwalter durch schwierige Zeiten geführt und mit jeweiligen Übernahme-Interessenten zur Rettung des deutschen Fahrradproduzenten verhandelt hatte, müsste er eigentlich das Unternehmen wie kein anderer kennen. Diesmal kommt allerdings nicht er, sondern ein anderer vorläufiger Insolvenzverwalter zum Einsatz. Warum – dazu unten mehr.
Allerdings scheint es Flöther auch mit dem im Juli 2017 in letzter Sekunde eingesprungenen Coburger Investor Stefan Zubcic nicht gelungen zu sein, eine Lösung mit einer langfristigen Perspektive gefunden zu haben. Zubcic  – mit seiner Sachsenring-Gruppe auch im Automotive-Sektor aktiv – startete offiziell zum 1. August mit der ehemaligen Mifa unter dem neuen Namen Sachsenring Bike Manufaktur GmbH an alter Wirkungsstätte in den alten Mifa-Hallen durch.
Neuer Name, gleiche Probleme?
Seitdem war es ruhiger um den Anbieter geworden. Es gab berechtigte Hoffnungen, dass man nicht nur mit den Eigenmarken (Grace etc.), sondern auch mit der Übernahme einiger Produktionsaufträge europäischer Markenanbieter (Stichwort marktnahe Produktion) sowie den Einstieg ins Flottengeschäft bergauf radeln würde.
Es gab Meldungen (zum Beispiel die Übernahme des Antriebsherstellers Relo, Großaufträge von Nextbike und Stromer, eine Erweiterung der Produktionskapazität, der Ausbau des Geschäftsbereichs Cargo etc.), die Außenstehenden Glauben ließen, dass sich alles zum Besten entwickelt.
Woran es diesmal genau gehakelt hat – darüber kann man in Zeiten des allgemeinen Fahrradbooms nur mutmaßen.
Mifas Nachwende-Insolvenzen und Rettungen holen Sachsenring ein
Eine Reihe von Spekulationen gab es bereits kurz zuvor in der lokalen Medienwelt spekuliert. Auf der einen Seite wird von ausstehenden Mietschulden in Höhe von circa 100.000 Euro berichtet, die aus welchen Gründen auch immer nicht bezahlt wurden.
Auf der anderen Seite scheint die Lokalpolitik mit Blick auf die jeweiligen Rettungen des Traditionsunternehmens von der Vergangenheit eingeholt zu werden. So hatte der verantwortliche Landkreis der damaligen Mifa AG im Jahr 2014 insoweit aus der Patsche gerettet, dass es ihr den in der Innenstadt gelegenen Firmensitz für 5,7 Millionen Euro abkaufte – um ihn dann wieder an die Mifa zu vermieten.
Die damalige Rettung des heimischen Anbieters inklusive der Erhaltung heimischer Arbeitsplätze könnte sich jetzt als Boomerang erweisen. Besagter Deal wurde nämlich für nicht rechtens erklärt. Somit fällt dieses »Tafelsilber« an den Insolvenzverwalter der damaligen Mifa AG zurück. Heißt, dass der Landkreis Mansfeld-Südholz Gefahr läuft, nicht mehr viel von oben genannter Summe zu sehen.
Was letztendlich auch dazu führt, dass sich für Sachsenring Bike Manufaktur selbst bei Begleichung der Mietschulden oder Kündigung des Mietvertrags nicht alles zum Guten wendet. Hier kommt wieder der oben genannte Mifa-Kenner und damalige Mifa AG-Insolvenzverwalter Flöther ins Spiel. Das Bundesgerichtshof hat ihm bestätigt, dass das Mifa-Gelände bei der damals absehbaren Insolvenz gar nicht hätte verkauft werden dürfen – und damit der Mifa AG zugesprochen wird. Somit müsste Flöther direkt mit Zubcic über einen neuen Mietvertrag sprechen – und nicht der leer ausgehende Landkreis.
Mit anderen Worten: es wartet viel Arbeit und Verhandlungsgeschick auf den diesmal eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Philipp Hackländer.

Text: Jo Beckendorff, Logo und Foto: Sachsenring Bike Manufaktur
 

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