USA: ASE stellt Vergleichsantrag nach Chapter 11
ASE-Organigramm mit ASI und PB..

Bereits letzten Donnerstag (15. November) informierte Advanced Sports Enterprises (ASE)-CEO Pat J. Cunnane seine Kundschaft in einem auch dem RadMarkt vorliegenden Schreiben, dass er im Namen seines Unternehmen am kommenden Tag (Freitag, 16. November) einen Vergleichsantrag nach Chapter 11 stellen wird. Unter dem Schutz von Chapter 11 will man das Unternehmen reorganisieren und für die Zukunft neu aufstellen. Chapter 11 ist eine Besonderheit des U.S.-Rechts, die strauchelnden Unternehmen einen temporären Gläubigerschutz bzw. eine Schutzperiode einräumt, in der sie sich – ohne ausstehende Forderungen bedienen zu müssen – neu aufstellen können.

Ganz wichtig: Der Vergleichsantrag nach Chapter 11 betrifft ausschließlich das ASE-Geschäft in den USA. »Advanced Sports Europe und Advanced Sports Asia werden weiter wie bisher arbeiten«, versichert Cunnane.
»Wir – die Advanced Sports GmbH alias Advanced Sports Europe – sind ein sowohl finanziell als auch juristisch eigenständiges Unternehmen. Für den Vertrieb unserer Marken für das Modelljahr 2019 in Europa wird der von ASE gestellte Vergleichsantrag  ach Chapter 11 keine Auswirkungen haben«, erklärte Advanced Sports-Geschäftsführer Armin Hoogstraten auf Nachfrage des RadMarkts am Freitag. Für ihn und sein Team komme das jetzt zu einer ungünstigen Zeitpunkt: »Unsere Marken laufen gut. Und zwar so gut, dass wir gerade in unserer Mutlanger Firmenzentrale zwei neue Mitarbeiter angestellt haben!«
Mit Blick auf die Geschehnisse in den USA verweist Hoogstraten auch darauf, dass nicht Advanced Sports Incorporated (ASI), sondern Advanced Sports Enterprises (ASE) Chapter 11 beantragt habe.
ASE ist das Dach von ASI (als Fahrrad-Großhandel verantwortlich für die Fahrrad-Marken Breezer, Fuji, Kestrel, SE Bikes und Tuesday Cycles sowie der Partsmarke Oval Concepts) und der U.S.-Fachhandelskette Performance Bicycle (PB). ASE wurde im August 2016 geformt, nachdem ASI das PB-Fachhandelsgeschäft mit seinen landesweit 104 Filialen inklusive den Onlinegeschäften Performancebike.com and BikeNashbar.com übernommen bzw. sich mit ihm zusammen geschlossen hatte. Somit überschaut ASE, die auch Eigentümer der oben genannten Markennamen ist, mit ASI ein Fahrrad-Groß- und mit PB ein Fahrrad-Einzelhandelsgeschäft.
Und dieses Fachhandelsgeschäft bereitet der den Chapter 11-Antrag stellenden Mutter ASE aus Philadelphia/Pennsylvania auf dem derzeit darbenden heimischen Fahrrad-Fachhandelsmarkt ernste Probleme. Anders als in vielen Ländern Europas kann das hochpreisige Thema »e« in den USA (noch) nicht die generell sinkenden Fahrrad-Stückzahl-Verkäufe auffangen.
»Wie Sie wissen, hat sich Advanced Sports vor etwas mehr als zwei Jahren mit PB zusammengeschlossen. Seitdem versuche ich, Einzelhandel zu lernen – und ich habe gelernt, dass ich großen Respekt vor dem habe, was Sie tun«, heißt es gleich zu Anfang im oben genannten Kundenschreiben von ASE-Chef Pat Cunnane, »es ist kein einfaches Geschäft – und gerade jetzt mit einer sich ständig verändernden Handelslandschaft, mit unterschiedlichem Einkauf von Konsumenten und der Konkurrenz von unerwarteten Seiten.«
Während ASI mit seinen Fahrradmarken-Vertrieb gut da stehe, hätten sich weder PB noch BikeNashbar.com so entwickelt wie erhofft: »Wir hatten erwartet, dass sich die Einzelhandelsumsätze in der Saison 2018 ab Anfang Mai verbessern und über den Sommer behaupten werden. Der Umsatz hat sich aber nicht verbessert. Wir konnten die Einzelhandelsverkäufe nicht so steigern wie wir es gebraucht hätten. Viele unserer Läden haben den Turnaround nicht geschafft.«
Seit der PB-Übernahme habe man allerlei Schritte unternommen, um das Geschäft zu verbessern. »Wir haben eine umfangreiche Überprüfung von Alternativen durchgespielt, sind aber letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass eine umfangreiche Umstrukturierung nach Chapter 11 der beste Weg für den langfristigen Erfolg von ASE ist«, versichert Cunnane. Dabei hofft er auch auf einen möglichen Käufer bzw. Investor.
Mit Blick in die Zukunft meint Cunnane: »Während ASE den Prozess von Chapter 11 durchläuft, werden wir wie gewohnt weiterarbeiten. Bestellungen werden erfüllt und Performance Bicycle-Läden ihren Betrieb weiterführen. Bis zur abgeschlossenen Neuordnung unseres Unternehmens vor einem Insolvenzgericht kann ich keine weiteren Aktionen ankündigen.«
Mitarbeiter-Entlassungen und Schließungen von Geschäften seien allerdings unvermeidlich. Genauere Angaben könne er dazu derzeit noch nicht geben. U.S.-Branchenkenner gehen allerdings davon aus, dass in den kommenden Monaten an die 40 PB-Läden geschlossen werden. Letztendliches Ziel sei es, das ASE-Geschäft mittels Umstrukturierung möglichst intakt zu halten: »Meine Vision für ASE ist es, ein rentabler und vertikal integrierter Omnichannel-Fahrradhersteller, -Großhändler und –Einzelhändler zu sein.«
Cunnane glaubt fest daran, dass das Geschäft am Ende der Reorganisation gut dastehen wird: »Wenn einmal ein engagierter Käufer gefunden wird, erwarte ich, dass wir – wenn wir unseren Kunden weiterhin die qualitativ hochwertigen Dienstleistungen und Produkte, die sie von uns gewohnt sind, erhalten – mit unseren Marken und unserem Umsatz wieder wachsen werden.«

Text/Foto: Jo Beckendorff
 

Wir woanders
Trekking & Radkultur
Das Magazin für E-Bikes
Taktik & Training
Das Branchenmagazin
Club für leidenschaftliche Fahrradfahrer
Community aus sportlichen Radfahrern