2020 war auch für den Sportfachhandel in Österreich ein sehr herausforderndes Jahr. Gezeichnet von Planungsunsicherheiten aufgrund des Pandemiegeschehens, verschiedener Lockdowns und dem Ausfall des vor allem für die Alpenrepublik so wichtigen Touristen-Geschäfts kämpften viele Händler um die wirtschaftliche Existenz. Und während in der aktuellen Gesamtwirtschaft ein erstes Aufatmen erkennbar ist, scheint der österreichische Sportartikelhandel noch immer gespalten. Warum das so ist, erklärt Gernot Kellermayr in seiner Rolle als Präsident des Verbandes der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreich (VSSÖ) in einem ersten 2021er-Halbjahres-Resümee.
Vorab kurz der Hinweis, dass es hier auch um Fahrradprodukte geht. Warum? Weil der österreichische Sportfachhandel im Vergleich zu den Kollegen in Deutschland immer schon auch sehr stark auf das Thema Fahrrad (und jetzt auch natürlich auf das Boom-Thema E-Bike) gesetzt hat.
Fallstrick Komplettausfall Wintersaison 2020/2021
Tatsache ist, dass sich der Komplettausfall des Wintersaison 2020/2021 auch noch in das laufende Jahr gezogen hat: bis zum 8. Februar waren die Geschäfte geschlossen. »Aus gesundheitspolitischer Sicht war das absolut nachvollziehbar und notwendig. Für den Sportartikelhandel sprechen wir aber von einem absoluten Worst-Case-Szenario«, spricht Kellermayr Tacheles.
Betroffen waren vor allem jene 750 Geschäfte in Tourismusgebieten, deren Einnahmen zu 60 Prozent von dem Weihnachts- und Wintergeschäft (Dezember bis März) sowie von Touristen abhängen. 94 Prozent dieser Geschäfte sind familiengeführte Einzelunternehmen, die 44 Prozent des Umsatzes des gesamten Sportartikelmarkts in Österreich ausmachen (Quelle: KMU Forschung).
»Die Wirtschaftshilfen der Regierung sind für die gesamte Branche von erheblicher Bedeutung. Vier von fünf Sportartikelgeschäfte in touristischen Regionen hätten den Winter ohne externe Förderung nicht überlebt. Der entscheidende Wendepunkt für diese Unternehmen kam, als das tragende Geschäftsfeld Verleih im Ausfallbonus berücksichtigt wurde«, erklärt Michael Nendwich in seiner Rolle als Sprecher des Sportartikelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich und Geschäftsführer des VSSÖ.
Urbane Sportgeschäfte: Umsatzverlust-Ausgleich auch dank Fahrrad
Während es für die Geschäfte in den Touristenregionen ums Überleben ging, konnten die städtischen Sportartikelgeschäfte vor allem dank hoher Nachfrage »nach Heimfitness-Geräten, Fahrrädern und Outdoor-Sportausrüstung« einen Teil des Umsatzverlustes aus dem Winter wieder aufholen.
Besonders erfreulich für jene Geschäfte: die starke Fahrrad-Nachfrage. Dazu Nendwich: »Das Fahrrad ist spätestens seit Ausbruch der Pandemie als zentrales Verkehrsmittel der nachhaltigen, gesunden und individuellen Mobilität kaum mehr wegzudenken.« So kommt es nicht von ungefähr, dass die heimische Fahrradbranche im letzten Jahr (unter anderem auch dank E-Bikes) auf Rekordkursen cruiste.
Onlineverkauf konnte Lockdown-Verluste nur leicht abfedern
Während der letztjährige Gesamtumsatz des österreichischen Sportartikelhandels mit 2,28 Milliarden Euro noch ganz gut da stand (nur 1 Prozent Minus im Vergleich zum Vorjahr – Quelle: KMU Forschung), ist der nominelle Umsatz im ersten Verkaufsquartals des laufenden Jahres 2021 und im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres um zweistellige 18,8 Prozent eingebrochen (Quelle: Statistik Austria/Economica).
Für Nendwich zeigt sich daran, »dass Sportartikel beratungsintensive Produkte sind, die vor allem im stationären Handel bei Fachkräften eingekauft werden«.
Anders ausgedrückt: Der Online-Handel konnte diesen Ausfall in Lockdown-Zeiten nicht ausgleichen. Dazu VSSL-Präsident Kellermayr: »In den letzten Jahren ist der Online-Anteil in der Sportartikelbranche nur langsam gestiegen. Wir haben uns bei etwa 15 bis 20 Prozent eingependelt – und hier sehen wir auch mittelfristig die Obergrenze. Auch während der Pandemie reden wir nur von einem Zuwachs im einstelligen Prozentbereich.«
Stärkster Beschäftigungszahlen-Einbruch im Einzelhandel
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Komplettausfall der Wintersaison im Sportfachhandel trotz aller Bemühungen auch zu einem Stellenabbau von 12,8 Prozent gekommen. Das ist laut VSSÖ der stärkste Einbruch im gesamten Einzelhandel und steht laut Statistik Austria/Economica sogar Zuwächsen in anderen Handelssparten gegenüber. Nendwich-Fazit: »Der massive Einbruch bei den Beschäftigungszahlen zeigt die Betroffenheit der Sportartikelbranche und die Abhängigkeit von anderen Branchen wie Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. Trotz der Möglichkeit der Öffnung des Handels, haben viele Standorte gar nicht wieder aufgesperrt.«
Positiver Ausblick in die kommende Saison
Auch wenn noch sich absehbar ist, wie sich die für die österreichische Wirtschaft entscheidende Wintersaison 2021/22 entwickeln wird, schaut der VSSÖ zuerst einmal positiv auf den laufenden Sommer: »Die Menschen in Österreich sehnen sich danach, rauszugehen und Sport zu machen. Durch das Voranschreiten der Impfung und der guten Entwicklung des Pandemiegeschehens gehen wir von einer relativ normalen Sommersaison aus.«
Dafür gibt es derzeit allerdings immer noch ein paar andere durch die Pandemie ausgelöste Probleme. Hier verweist der VSSÖ auf die zentrale Herausforderung eines wieder voll funktionsfähigen Liefer- und Produktzyklus. »Durch die weltweit hohe Nachfrage nach einzelnen Produkten wie Fahrrädern und Schwierigkeiten bei der Produktion und Lieferung der Einzelteile aus Asien herrscht derzeit kein Marktgleichgewicht«, heißt es aus der Wiener VSSÖ-Zentrale.
Das komplette Resümee von VSSÖ_Präsident Gerniot Kellermayr können sie auch unter diesem Youtube-Link sehen.
Text: Jo Beckendorff/VSSÖ, Foto: VSSÖ