Kurz nach dem weltweiten Börsencrash am 10. Oktober musste das kriselnde traditionelle U.S.-Handelshaus Sears Holdings Corporation am 15. Oktober Insolvenz anmelden. An jenem Tag beantragte das 1886 in Minneapolis gegründete Unternehmen, das auch Fahrradprodukte (inklusive Kompletträder) zu Einstiegspreislagen verkauft, eine Insolvenz nach Chapter 11. Zuvor war die Sears-Aktie kräftig zweistellig in den Keller gerutscht.
Chapter 11 ist eine im amerikanischen Recht vorgesehene Schutzperiode, die zur Reorganisation des Unternehmens genutzt werden muss. Lieferanten können während dieser Zeit bereits geschlossene Verträge weder ändern noch kündigen. Ziel ist die Erarbeitung eines Geschäfts- und Zahlungsplans, mit dem die Gesellschaft aus der Krise gelangt.
Sears war nach der Fusion mit Mitbewerber Kmart im Jahr 2005 unter dem Namen Sears Holdings Corporation zum drittgrößten Handelskonzern in den USA aufgestiegen (hinter WalMart und Home Depot). Allerdings wurde das traditionelle Handelsgeschäft im Laufe der letzten Jahre vor allem von preisaggressiven Online-Verkäufern ausgebremst.
Ein Blick auf die Zahlen belegt, wie das Geschäft immer weiter nach unten abdriftete: 2012 (Das Sears-Geschäftsjahr endet jeweils am 3. Februar) lag der Umsatz zum Beispiel noch bei 41,57 Milliarden US$ (36,04 Milliarden Euro). 2017 waren es nur noch 22.14 Milliarden US$ (19,29 Milliarden Euro). Zwar konnten die Verbindlichkeiten von 2012 in Höhe von 17,04 Milliarden US$ (14,77 Milliarden Euro) auf 13,25 Milliarden US$ (11,55 Milliarden Euro) in 2017 gesenkt werden. Laut Marktbeobachter sind diese Zahlen aber im laufenden Geschäftsjahr 2018 nochmals in den Kellert gerutscht. Und: Kurz vor der Insolvenz standen den Verbindlichkeiten in Höhe von 11,3 Milliarden US$ (9,84 Milliarden Euro) nur noch Vermögenswerte in Höhe von 6,9 Milliarden US$ (6,01 Milliarden Euro) gegenüber.
Erste Maßnahme zur Rettung des Unternehmens unter dem Schutzdach von Chapter 11: Bis zum Jahresende sollen die 142 unrentabelsten der insgesamt an die 700 bestehenden Sears- und Kmart-Filialen geschlossen werden. Die gesellen sich zu den 46 Stores, die bereits diesen Monat Oktober geschlossen wurden. Welche Filialen genau betroffen sind, ist über die Webseite www.searsholdings.com/media/company-statements zu erfahren (dort auf den Link »Store Closures« klicken). Dem Filial-Aus werden auch ein Teil der insgesamt circa 70.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen.
Der Insolvenzantrag nach Chapter 11 wurde mit Blick auf einen Kredit in Höhe von 134 Millionen US$ (116,17 Millionen Euro) gestellt, der am besagten 15. Oktober fällig gewesen wäre. Jetzt hat Sears 1,875 Milliarden US$ (1,63 Milliarden Euro) in die Tilgung seiner bestehenden Darlehen sowie die Weiterführung seines Geschäfts gesteckt. Das sind in etwa 300 Millionen US$ (260,05 Millionen Euro) mehr als das Unternehmen vor der Einreichung seines Insolvenzantrags hätte aufbringen können.
Was das Fahrradgeschäft von Sears Holdings betrifft, sind vor allem u.s.-amerikanische Bikeanbieter von der Insolvenz betroffen. US-Anbieter Kent International Inc. – der seit kurzem die Markenrechten an dem Namen Univega in seinen Händen hält und 2019 auf dem Heimatmarkt mit Univega-USA-Bikes debütieren wird (der RadMarkt berichtete) – gehört zum Beispiel zu den Fahrrad-Lieferanten von Sears. Wie und ob es bei dem traditionellen Handelskonzern weiter gehen wird, scheint zum Zeitpunkt dieses Schreibens noch offen.
Wie sich so eine Insolvenz und ein etwaig folgendes Ende auf das Fahrradgeschäft eines U.S.-Anbieters auswirken kann, war bereits im letzten und diesem Jahr bei der unter dem Dach von Dorel Sports rollenden CSG-Schwester (Marken Cannondale, GT etc.) Pacific Cycle (Marken Instep, Ironhorse, Mongoose, Schwinn etc.) zu sehen: Die Insolenz und die letztendliche Schließung aller Toys’R’Us-Filialen in den USA hat aufgrund der dadurch entstandenen Verluste bei Dorel den Kurs deren Aktie bis Mitte 2018 stark belastet. Da hat das Unternehmen einen großen Batzen Schulden abschreiben müssen.
Text: Jo Beckendorff, Fotos: Sears