Warum Feine Räder Bielefeld eine Zukunft hat
Das Fahrradgeschäft Feine Räder Bielefeld hat Insolvenz angemeldet. Die wirtschaftliche Lage war zu kritisch geworden. Die Beteiligten bleiben aber zuversichtlich, dass das Unternehmen eine Zukunft hat – aus guten Gründen.
Foto: Michael Bollschweiler

Nach der Insolvenzanmeldung Ende April wurde Rechtsanwalt Dr. Holger Theurich von der Kanzlei Brinkmann und Partner in Bielefeld zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Diese Kanzlei hatte vor einiger Zeit die Insolvenz auch schon eines Fahrradherstellers begleitet.

Theurich ist noch dabei, sich tiefer in das Unternehmen einzuarbeiten. Als hauptsächliche Ursache benannte er gegenüber dem RadMarkt – als erste Erkenntnis – dass die allgemeine Branchensituation auch auf den Betrieb in der Bielefelder Innenstadt durchgeschlagen habe.

In die gleiche Richtung äußerte sich auch die geschäftsführende Gesellschafterin Sandra Rathert: Nicht nur sei die Nachfrage generell zurückgegangen, vor allem habe sich die Rabattschlacht negativ ausgewirkt. Große Wettbewerber, insbesondere Filialisten, hätten mit sehr hohen Nachlässen geworben, die Feine Räder nicht mitgehen konnte. Man habe dadurch Kunden verloren, die größere Nachlässe verlangt hätten. Bis 2022 schrieb das Unternehmen solide Gewinne; 2023 war das erste Verlustjahr.

Dr. Theurich sagte, das Insolvenzverfahren werde am 1. Juni 2025 eröffnet. Bis dahin – kurz vor oder kurz nach diesem Stichtag – wolle er in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern eine tragfähige Lösung für die Zukunft erarbeitet haben. In dieser Hinsicht ermittle er in alle Richtungen, also vom möglichen Einstieg eines Investors bis zu einer internen Lösung.

Als ermutigendes Signal wertete der Insolvenzverwalter die umfassend positiven Reaktionen sowohl von Lieferanten als auch von Endverbrauchern. Alle Seiten stünden dem Unternehmen positiv gegenüber und wünschten deren Erhalt. Das kommt nicht überraschend. Denn die Gründer haben etwas aufgebaut, was Substanz hat.

Was 1977 mit den ersten Aktivitäten engagierter Studenten begann, gewann 1984 Kontur, als sich das Geschäftsführer-Team formierte, das das Unternehmen lange prägen sollte. Das Geschäft hieß zunächst Freilauf und residierte ab 1987 in der August-Bebel-Straße. 1985 gehörte Freilauf zu den VSF-Gründungsmitgliedern. Die wesentliche Triebfeder bestand darin, Fahrräder mit mehr Qualität auf die Straße zu bringen – das war damals nicht die Regel. 2000 war das Unternehmen der erste Flyer-Händler in Deutschland und damit ein Pionier des Elektrofahrrades.

2001 zog das Unternehmen in die Innenstadt und firmierte um zu „Feine Räder“. Dadurch wurde das Bekenntnis zu besten Qualitätsprodukten Teil des Firmennamens. Dazu passend wurde das Geschäft besonders schick eingerichtet, was damals noch nicht so häufig vorkam wie heute. Der RadMarkt berichtete mit vielen Fotos in seiner Print-Ausgabe. 2009 gehörte Feine Räder zu den ersten Werkstattbetrieben mit einer VSF-Allride-Zertifizierung.

Im selben Jahr wurde eine Filiale in Paderborn eröffnet. 2018 wurde diese unter Regie von Udo Schwarz ausgegründet. Damit begann eine Phase der Veränderungen, denn später verabschiedete sich der geschäftsführende Gesellschafter Dipl.-Ing. Wilhelm Schulze-Sünninghausen in den Ruhestand. Andererseits wurde schon 2018 Sandra Rathert, bis dahin Mitarbeiterin im Unternehmen, in die Geschäftsführung berufen. Dieser Schritt wurde auch als langfristige Zukunftssicherung verstanden. Sie führt das Unternehmen gemeinsam mit dem Mitgründer Peter Dreischmeier, der zudem im VSF verschiedene Funktionen ausgeübt hat.

Das ursprüngliche Anliegen des Unternehmens, Fahrrädern von hoher Qualität eine Plattform zu bieten, ist inzwischen Allgemeingut geworden. Dennoch hat Feine Räder im Bielefelder Fahrradfachhandel eine eigene Position und ist für den lokalen Branchenmix relevant.

In dieser Stadt gibt es einerseits etablierte Filialisten (BOC, Lucky Bike, Multicycle/Cubestore) sowie mit Radwelt einen gestandenen ZEG-Betrieb mit großer Auswahl und großer Teststrecke vor der Tür. Andererseits gibt es ein breites Spektrum kleinerer inhabergeführter Geschäfte mit unterschiedlicher Ausrichtung, mit Spezialisierung beispielsweise auf Reparaturleistungen, Radsport oder Manufaktur-Marken.

In diesem Mix ist Feine Räder wichtig für die Abdeckung oberer Preissegmente im Mobilitätsbereich, etwa durch die Marke Riese und Müller. Für den Erhalt dieses Unternehmens sprechen das große Potential in diesem Segment und der über die Jahre aufgebaute treue Kundenstamm, der ein Geschäft in diesem Stil und die hier gepflegte Kundenansprache besonders schätzt.

Weitere Themen
Wir woanders
Trekking & Radkultur
Das Magazin für E-Bikes
Taktik & Training
Das Branchenmagazin
Club für leidenschaftliche Fahrradfahrer
Community aus sportlichen Radfahrern