Seit mehr als 50 Jahren veröffentlicht der ZIV jährlich die Wirtschaftszahlen der deutschen Fahrradindustrie. Das vergangene Jahr war für die Produzenten von Fahrrädern und E-Bikes, Fahrradkomponenten und Fahrradzubehör herausfordernd, aber der Verband sieht in Anbetracht der Lage der Gesamtwirtschaft Grund für verhaltene Zuversicht. Geschäftsführer Burkhard Stork: »Die wirtschaftliche Situation unserer Branche bleibt angespannt. Und es ist noch nicht alles überstanden. Dennoch sind die Rückgänge geringer als erwartet. Aktuell gehen wir von einer Normalisierung des Marktes ab dem Jahr 2026 aus.«
Sinkende Preise bedingen Umsatzminus
»Viele Händler und Hersteller verfügen immer noch über einen hohen Lagerbestand», ergänzt Katharina Hinse, Leiterin für Wirtschafts- und Industriepolitik beim ZIV. »Das Rekordjahr 2022 war ein Ausnahmehoch, das sich nicht so schnell wiederholen kann. Dennoch ist die Nachfrage im Fahrradmarkt über den Zeitraum mehrerer Jahre betrachtet äußerst stabil. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der Fahrrad- und E-Bike-Markt in den nächsten Jahren insgesamt rückläufig sein könnte.«
Insgesamt wurden 2024 in Deutschland 3,85 Millionen Fahrzeuge verkauft (2,05 Mio. E-Bikes und 1,8 Mio. Fahrräder). Das ist ein Rückgang von 2,53 Prozent gegenüber 2023 (3,95 Mio.). Der Gesamtumsatz bei Fahrrädern und E-Bikes ging um 10,3 Prozent zurück auf 6,33 Milliarden Euro (2023: 7,06 Mrd Euro), liegt aber noch deutlich über dem Umsatz des Jahres 2019 (4 Mrd. Euro).
Über alle Verkaufskanäle hinweg – Fachhandel, Online, SB-Märkte etc. – verzeichnete die Branche 2024 einen Brutto-Durchschnittspreis von 500 Euro bei Fahrrädern (2023: 470 Euro) und 2.650 Euro bei E-Bikes (2023: 2.950 Euro). Den Rückgang bei den E-Bike-Preisen um durchschnittlich 10,1 Prozent führt der ZIV darauf zurück, dass der Handel mit Rabattaktionen die hohen Lagerbestände abzuschmelzen suchte. Fahrräder ohne Motor stiegen im Preis um 6,4 Prozent.
Der Anteil des stationären Fachhandels in der Fahrradbranche blieb laut ZIV mit 70 Prozent (2023: 74 Prozent) sehr hoch, ein Indiz dafür, dass Kunden nach wie vor kompetente Beratung vor Ort schätzen.
Hohe Lagerbestände – weniger Produktion
2024 hat die deutsche Fahrradindustrie 1,97 Millionen Einheiten produziert, das sind etwa so viele wie 2019. Die Produktion von klassischen Fahrrädern verringerte sich um 11,7 Prozent auf 641.000 Einheiten (2023: 726.000 Einheiten). Die Produktion von E-Bikes fiel um 14,8 Prozent auf 1.330.000 Einheiten (2023: 1.561.000 Einheiten). Angesichts der Krise der deutschen Gesamtwirtschaft falle der kumulierte Rückgang beider Fahrradgruppen von 13,8 Prozent im Vergleich zu 2023 verhältnismäßig moderat aus, so der ZIV: »Das E-Bike bleibt das Rückgrat der Fahrradproduktion Made in Germany«, bestätigt Katharina Hinse.
E-Bike-Bestandskorrektur
Der Bestand an klassischen Fahrrädern in Deutschland wuchs auf 73 Millionen. Bei den E-Bikes hat der ZIV wegen neuer Erkenntnisse zur Verschrottung die Bestände der vergangenen Jahre nach oben korrigiert. Für das Jahr 2024 ergibt sich nun ein Bestand von 15,7 Millionen E-Bikes. Damit gibt es in Deutschland insgesamt rund 89 Millionen Fahrräder und E-Bikes.
Erstmals weist der ZIV Gravelbikes und Rennräder getrennt aus, motorisiert und unmotorisiert zusammengenommen wurden in der Modellgruppe Gravel 137 500 Stück und in der Modellgruppe Rennräder 100 300 Stück verkauft, so dass der ZIV einen Trend zu sportlichen Fahrrädern für den Pendel- und Freizeiteinsatz sieht. Ebenso zeigten Kinder- und Jugendräder zeigen eine gute Marktentwicklung.
Fachhandel: Nachfrage hält weiter an – Werkstätten boomen
Als Teil der Präsentation wurden auch Ergebnisse einer Umfrage der Fachhändlerverbände VSF und Bico vorgestellt: Hier liegt der Umsatzrückgang bei 2,8 Prozent, die Lagerbestände werden weiter als hoch beschrieben und der durchschnittliche Verkaufspreis sank sogar um 15 Prozent (Rabattaktionen). »Der Umsatzrückgang war in der Folge des Booms der Vorjahre erwartbar und verunsichert uns nicht. Zudem prognostizieren fast 80 Prozent der befragten Händlerinnen und Händler eine Normalisierung des Lagerbestandes noch in diesem Geschäftsjahr. Eine gute Nachricht für den Fahrradhandel und für die Industrie, die von einem kurierten Orderverhalten profitieren wird«, resümiert VSF-Geschäftsführer Uwe Wöll.
Dass die in Umlauf befindlichen Bikes auch genutzt werden, zeigen volle Auftragsbücher in den Werkstätten: »Knapp 90 Prozent der Betriebe verzeichnen einen deutlichen Anstieg in den Werkstattumsätzen«, berichtet Wöll.
»2024 war herausfordernd, doch langsam sehen wir Licht am Ende des Tunnels. Wir gehen von einem angespannten Jahr 2025 aus und hoffen auf ein gutes Frühjahrsgeschäft. Erste Anzeichen der Besserung zeigen sich bereits im Reparaturen- und im Zubehörgeschäft. Ab 2026 erwarten wir eine deutliche Verbesserung für unsere Branche«, fasst Katharina Hinse zusammen. Und Burkhard Stork lässt noch eine politische Forderung folgen: »Ein Großteil der in Deutschland verkauften Fahrzeuge wird bei uns im Land produziert. Wir erwarten, dass die künftige Bundesregierung das Potenzial unserer Zukunftsbranche als Teil der heimischen Wirtschaft entsprechend erkennt und fördert.«