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Abschied von Hans van Vliet: Der Visionär behielt Recht
Hans van Vliet mit einer Collage aus RadMarkt-Artikeln über ihn und den European Bicycle Design Contest.

Schloss Montfort in Langenargen ist der angemessene Rahmen, um einen ungewöhnlichen Menschen in den Ruhestand zu verabschieden: In Gegenwart von Mitgliedern der Familie Shimano und etlichen Größen der deutschen und niederländischen Fahrradbranche wurde Hans van Vliet gefeiert

Der Visionär sollte in vielen Punkten recht behalten. Jetzt, wo sich so vieles erfüllt hat, was er vorhergesagt und gewünscht und befördert hat, kann er abtreten und zufrieden auf sein Werk schauen. Der RadMarkt hatte in den 1990er Jahren über den European Bicycle Design Contest berichtet, den sich der Mann von Shimano Europa ausgedacht hatte, um die europäische Fahrradindustrie zu fordern. Denn er fand es zwar gut, dass immer mehr Shimano-Komponenten verbaut wurden. Er erkannte aber auch, dass Shimano die eigentliche Marke war, die Fahrradhersteller keine Markenkraft entwickelten und ihre Anstrengungen sich in einem Satz zusammenfassen ließen: „Da ist Shimano Deore XT dran.“ Das machte die Fahrradhersteller austauschbar, verschärfte den Preiskampf (Wer hat das günstigste XT-Rad?) und zeugte von wenigen eigenen Ideen. Nach nur punktuell überzeugenden Resultaten wurde der Contest wieder eingestellt – die Fahrradfirmen begriffen ihre Lektion erst später.
Van Vliet strickte an der Eurobike mit, die eine so beispiellose Karriere hingelegt hat, er sagte den Mountainbike-Boom voraus – und sein Abebben. Seine Vorliebe für drastische Formulierungen sah man an dem Satz: »Das Mountainbike ist tot.«
Das hieß vor allem, dass er sich neuen Trends zuwandte: Er wurde zum Advokaten des Alltagsrades, des Urban Bikes. Die Umkehrung der Alterspyramide wurde sein neues Lieblingsthema. Senioren als Hauptzielgruppe, Komfort vor falscher Sportlichkeit, neue Bedürfnisse, eine neue Mobilität in den Städten – was heute in aller Munde ist, war damals nur das Thema einer Avantgarde.
Nun also ist Schluss und am Ende der Feierstunde blieben die Tränen nicht aus – insbesondere bei Hans van Vliet selbst, als alle im Saal sich erhoben und einem ganz Großen unserer Zunft minutenlang stehend applaudierten.
Text/Fotos: Michael Bollschweiler

 

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