Die soeben veröffentlichten Zahlen des ersten Geschäftshalbjahres 2018 belegen, dass die von Europas führendem Premium-Fahrradanbieter Accell Group N.V. unter dem Slogan »Lead Global. Win Local« getroffenen Strategiemaßnahmen, die der Weichenstellung für die Zukunft nach einer Schwächeperiode langsam greifen. Der Gesamtumsatz fiel mit 636 Millionen Euro und im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahres stabil aus (währungsbereinigte plus 2,7 Prozent). Und das obwohl die Verkäufe in Benelux und Nordamerika geringer ausfielen. Der »Umsatzturbo« E-Bike konnte diese geringeren Mengenverkäufe konventioneller Fahrräder allerdings mehr als ausgleichen. Ganz vorne dabei: E-Bike-Verkäufe in Deutschland.
Das Betriebsergebnis sank hingegen aufgrund höherer Betriebskosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro um 10,1 Prozent auf nunmehr 42,7 Mio. Euro. Somit lag der Nettogewinn mit 25,5 Millionen Euro auch 2,9 Prozent unter dem des ersten Halbjahres 2017. Accell selbst spricht hier von einem »vergleichbaren Ergebnis«.
Fakt ist aber auch, dass das Umsatzwachstum durch Produktverzögerungen einen Dämpfer erhielten. Sie führten laut Accell Group »zu einer suboptimalen Verfügbarkeit, die diese Lieferungen in die zweite Hälfte des Jahres 2018 verschieben wird«.
Der Mehrwert (Nettoumsatz abzüglich Materialkosten und Transportkosten) lag gemessen am Umsatz bei 30,1 Prozent (2017: 28,9%): »Die höhere Wertschöpfung ist im Wesentlichen auf positive Währungseffekte zurückzuführen und in geringerem Maße auf niedrigere Logistikkosten und niedrigere Einkaufspreise für Materialien«.
Mehrkosten
Die operativen Kosten stiegen allerdings um 9,7 Prozent auf 149 Millionen Euro. Darin enthalten: rund 5,0 Millionen Euro für die Umsetzung der umfangreichen neuen Strategiemaßnahmen. Diese Unternehmenskosten stehen im direkten Zusammenhang »mit der Stärkung der Konzern-Organisation, IT-Projekten und der Kommission von Beratungsdiensten«. Des Weiteren stiegen die Personalkosten. In den letzten sechs Monaten sei die Geschäftsleitung an allen wichtigen Positionen wie Marken-Marketing, E-Commerce, Digital-und Change-Management gestärkt worden. Sie würden den Roll-Out der neuen Strategie beschleunigen.
So sei auch die neu aufgebaute regionale Struktur, die die strategischen Markenportfolios pro Region definiert, schon teilweise in Betrieb. Die zentrale Verwaltung von Omni- Channel, E-Commerce und Supply Chain seien nun in Abstimmung mit dem Regionalmanagement strukturiert. Die Entwicklung der neuen E-Commerce-Plattformen sei bereits auf einem guten Weg. »Die regionalen Organisationen konzentrieren sich konsequent auf die perfekte Ausführung von Plänen und können nun auch aus dem gesamten Sortiment der Marken und Modelle des Konzerns wählen«, heißt es im vorliegenden Geschäftsbericht.
Zukäufe
Mit dem Anfang des Jahres übernommenen mobilen U.S.-Fahrradservice-Anbieters Beeline würde man derzeit Richtung Europa rollen: »Die mobile Beeline-Technologie-Plattform bietet eine innovative Lösung für alle unsere Fachhandels-Partner mit einer Lösung, die den Verbrauchern einen einfachen und persönlichen Service bietet.«
Hauptaugenmerk an der Innovationsfront liege weiterhin eindeutig auf E-Bikes. Darüber hinaus sei man auf die Entwicklung von B2C- und B2B-Mobilitätslösungen fokussiert. In diesem Zusammenhang sei auch die jüngste (E-)Cargobike-Übernahme von Babboe-Macher Velosophy zu sehen.
2018 = Weichenstellung für die Zukunft
Laut Accell Group Chef Ton Anbeek ist 2018 nach wie vor ein Übergangsjahr – »ein Zeitraum, den wir dazu nutzen, unsere Gruppe intelligent zu reorganisieren und in dem die Kosten unser Einkommen übertreffen werden. In den vergangenen sechs Monaten haben wir unser Management-Team in einer Reihe von entscheidenden Punkten mit einer Mischung aus jungen Talenten und erfahrenen Managern verstärkt. Mit dem neuen Team werden wir unsere eingeleiteten Strategiemaßnahmen beschleunigen«.
Gesamtumsatz aufgeteilt nach Segmenten
Aufgeteilt nach Komplett-Fahrrädern (inkl. E-Bikes) und Fahrrad-Parts & Accessories (P&A) lag der Fahrrad-Gesamtumsatz 01-06/2018 bei stabilen 509,3 Millionen Euro (plus 0,3 Prozent) und der von P&A bei ebenfalls stabilen 126,6 Millionen Euro (plus 0,2 Prozent).
Kompletträder
Während der Kompletttrad-Umsatz in Europa dank hochwertiger sportiver E-Bike-Verkäufe zulegen konnte (und hier vor allem die Marken Haibike, Ghost und Lapierre profitierten), mußten konventionelle Fahrrad-Verkäufe sowohl bei Menge als auch Wert Federn lassen. Das Segmentergebnis sank um 12,1 Prozent auf 44,6 Millionen Euro – was laut Accell »im Wesentlichen auf geringere Umsätze und geringeren Gewinn in Nordamerika zurückzuführen ist – teilweise aufgrund des Verlustes eines Großteils der Verkäufe über den Vertriebskanal Multisport-Filialisten sowie dem Ausverkauf der übriggebliebenen Lagerbestände im Zusammenhang mit diesem Vertriebskanal-Verlust«.
Fahrrad-Zubehör und -Accessories
Was die P&A-Verkäufe betrifft, lagen die auch auf dem Niveau des ersten Halbjahres 2017. Das gelte auch für die einst von Winora Group und jetzt von Accell Group international aufgestellte Eigenmarke XLC. Das Segmentergebnis fiel jedoch mit 6,8 Millionen Euro um 4,2 Prozent niedriger aus als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Hauptgrund: »Die Umsetzung der neuen Strategie.« Accell-Group hatte im ersten Halbjahr 2018 zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit dem Aufbau eines einzigen zentral geführten Teile- und Zubehörgeschäfts zu verbuchen.
Accell-Gesamtumsatz aufgeteilt nach Regionen
Aufgeteilt nach Regionen bzw. Ländern fiel der Accell-Gruppenumsatz 01-06/2018 wie folgt aus:
Niederlande: 110 Millionen Euro (minus 10,4 Prozent)
Deutschland: 217 Millionen Euro (plus 13,4 Prozent)
Rest Europas: 251 Millionen Euro (plus 1,4 Prozent)
Nordamerika: 44 Millionen Euro (minus 22.5 Prozent)
Rest der Welt: 14 Millionen Euro (minus 11,9 Prozent)
Ausblick
Angesichts der unter dem Slogan »Lead Global. Win Local« angekurbelten und aktuell noch laufenden Strategiemaßnahmen sehen die Holländer das Jahr 2018 als »ein bedeutendes Jahr des Übergangs, weitgehend gekennzeichnet durch eine Verringerung der Komplexität und zentralisierten Verwaltung in Bereichen wie (E-)Commerce, Innovation, Supply-Chain und IT«. All dies würde die Umsetzung einer effizienteren Strukturierung der operativen Prozesse sowie eine effektivere Nutzung von Synergiepotenzialen beschleunigen – und letztendlich zu einer Verbesserung der Geschäfte in den jeweiligen Regionen führen.
Somit würde die Accell Group auch weiterhin »zur Größensteigerung« aktiv auf gezielte Akquisitionen, die gut zur neuen Strategie passen, setzen.
Zudem gehen die Holländer davon aus, dass das Umsatzwachstum in der zweiten Jahreshälfte 2018 aufgrund höherer E-Bike- und konventioneller High-end-Bike-Verkäufe weiter steigen wird. So erwartet Accell Group zum Jahresende – von unvorhersehbaren Ereignissen einmal abgesehen – »einen Anstieg des Nettoumsatzes und ein höheres Betriebsergebnis für das Gesamtjahr 2018«.
Text: Jo Beckendorff, Foto/Logo: Accell Group