Bike Value Portugal setzt auf »Made in Europe«
Von Robotern geschweißt: Erste »Made in Europe«-Alurahmen

Zum Jahresende gibt es in Agueda, einem Zentrum der portugiesischen Fahrradindustrie, triftige Gründe, die Sektkorken knallen zu lassen. Zugleich wird aber intensiv weiter gearbeitet. Woran? Die ersten Fahrrad-Alurahmen verlassen die neu gebaute Produktionsstätte Triangle’s – Cycling Equipments SA, um an einen spanischen Fahrradhersteller ausgeliefert zu werden. Es handelt sich um die weltweit erste komplett automatisierte Fahrradrahmen-Produktion.

Seit Jahren diskutiert die europäische Fahrradbranche das Thema marktnahe Alurahmen-Produktion in Europa. Bereits in einem 2014 veröffentlichten Interview im internationalen Branchenmagazin »Bike Europe« erklärte Alfred Thun, Geschäftsführer des in Deutschland produzierenden Innenlager-Spezialisten Alfred Thun GmbH, dass es vor etwa 15 Jahren ein großer Fehler gewesen sei, die europäische Stahlrahmen-Produktion zugunsten von Alurahmen-Importen aus Fernost aufgegeben zu haben: »Um eine europäische Fahrradproduktion aufrecht zu erhalten, ist es unabdingbar, eine Alurahmen-Produktion in Europa aufzubauen.« Damals rief Thun europäische Marktführer wie Accell Group, Decathlon und Derby Cycle dazu auf, in dieser Frage an einem Strang zu ziehen.

Investitionen von 15 Millionen Euro
Ähnlich müssen auch die in Agueda ansässigen portugiesischen Komponentenanbieter Ciclo Fapril, Miranda und Rodi gedacht haben. Gemeinsam gründeten sie Triangle’s – Cycling Equipments SA mit dem Ziel, eine voll automatisierte Alurahmen-Serienfertigung »Made in Europe« aufzuziehen.
Insgesamt sollen die drei beteiligten Firmen mit EU-Hilfe rund 15 Millionen Euro in dieses bisher einmalige Projekt investiert haben. Anfangs wurde der Name »Bike Valley Portugal« kommuniziert. Seitdem schießen weitere europäische »Bike Valleys« aus dem Boden.
Es gibt ein »Bike Valley Romania«, das in etwa dieselben Ambitionen hat wie in Portugal – nämlich den Aufbau einer marktnahen Fahrradproduktion für Europa. Weitere »Bike Valleys» sind zum Beispiel »Flanders’ Bike Valley« oder das von Mifa-Chef Heinrich von Nathusius zumindest intern ins Spiel gebrachte »Bike Valley Sangerhausen«.
Was alle »Bike Valleys« eint: Es geht darum, die existierenden Teileanbieter in Europa zu stützen, sie an einem Ort zusammen zu ziehen und marktnah zu produzieren. Nebenbei geht es natürlich auch um EU-Subventionshilfen.
Während viele »Valley«-Ambitionen mehr oder weniger an der Öffentlichkeit vorbeiliefen, kreierte der portugiesische Industrieverband ABIMOTA Mitte 2016 eine eigene Webseite (www.portugalbikevalue.pt). Aus dem bisherigen Initiativnamen »Bike Valley« wurde also »Bike Value Portugal«.

18 Roboter senken Lohnkosten
Besonders stolz sind die drei Initiatoren auf die 18 aufgestellten Roboter; sie stammen von einem der Automobil-Branche nahe stehenden Maschinenbau-Spezialisten aus Deutschland. Damit will man dem Lohnkostenvorteil der konkurrierenden Asiaten die Bedeutung nehmen.
Ohne Fahrrad-Knowhow geht das aber nicht. Deshalb wurde der Bauer von Fahrradproduktions-Maschinen Bike Machinery aus Italien mit an Bord geholt. Dessen Geschäftsführer Luigi Seghezzi und sein Team kümmern sich vor allem um die richtige Alurohr-Verarbeitung: »Natürlich schauen interessierte Fahrradanbieter bevorzugt auf die Roboter. Dabei geht es bei dieser voll automatisierten Produktion – vom Schweiß-Knowhow einmal abgesehen – um die Vorarbeiten und Präparierung der eingesetzten Rahmenrohre. Wenn da mit den Toleranzen etwas nicht stimmt, nutzen einem auch die besten Roboter nichts. Die verzeihen keine Fehler.« Somit stammen sämtliche Maschinen für Rohr-Schneiden, -Formen etcetera von Bike Machinery.
Dank der voll automatisierten Produktion kann Triangle’s einen Alurahmen – egal, ob für Hardtail, Full Suspension oder für E-Bikes – in weniger als fünf Minuten bauen. Da die MIG/MAG-Schweißroboter theoretisch 24 Stunden am Tag eingesetzt werden können, sind die Lieferzeiten weitaus kürzer als bei Anlieferung aus Asien – die Stichworte heißen Marktnähe und Transportwege. Dieser Punkt spielt in Zeiten sich immer schneller drehender Produktzyklen eine bedeutende Rolle. Laut Brancheninsider soll Triangle’s künftig in der Lage sein, innerhalb von 45 Tagen zu liefern – im Vergleich zu den etwa vier bis sechs Monaten für Ware aus Fernost ein enormer Vorteil. So kann auf Nachfrageverschiebungen flexibler reagiert werden.

Schneller, aber nicht günstiger
Bleibt die Frage, ob Fahrräder mit Alurahmen aus Europa künftig billiger werden. Klare Antwort: Nein. Dafür ist die Investition zu hoch und muss erst einmal wieder eingespielt werden.
Außerdem haben die Taiwaner, die die europäische Bikeanbieter mit ihrem über die Jahre gewachsenen  Alurahmen-Knowhow bestens versorgt haben, auch ihrerseits viel in Sachen Kostensenkung getan (Stichwort Alurahmen-Produktionsverlegung in ihre Fabriken in den Billiglohn-Ländern Vietnam und Kambodscha).

Die ersten Aufträge laufen
Die ersten von Triangle’s serienproduzierten Alu-6000er-Hardtail-Rahmen gehen derzeit zu einem spanischen Hersteller. Die Accell-Gruppe soll mit einer ihrer Marken auch schon als Kunde an Bord sein, was allerdings nicht bestätigt wurde. Überhaupt gibt man sich bei Namen von Kunden recht zugeknöpft.
Weiterhin gibt es bereits einige Teilehersteller aus Taiwan, die daran interessiert sind, einen Standort im Portugal Bike Value anzusiedeln. Wer die sind, lesen Sie in unserem Report in der Februar-Print-Ausgabe des RadMarkt.

Text: Jo Beckendorff, Fotos: Bike Machinery, Abb.: Bike Value Portugal

 

 

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