Die aufstrebende E-Bike-Marke Stromer hat nicht nur den nötigen Investor gefunden, sondern gleich ein neues Firmendach: Andy Rihs hat mit seiner ISH die Marke übernommen und verschafft ihr damit den nötigen Schub für den internationalen Auftritt.
Dieser Aufsehen erregende Zusammenschluss entspringt einer industriellen Logik: Thomas „Thömu“ Binggeli ist mit seiner neuen Marke Stromer vor drei Jahren gerade noch rechtzeitig auf den fahrenden Elektrozug aufgesprungen und hat sich in der Schweiz etablieren sowie in einigen ausländischen Märkten positionieren können. Andy Rihs hingegen hat sich mit seiner Hauptmarke BMC mit großem Einsatz auf den Rennsport konzentriert und mit dem Tour de France-Sieg heuer auch den Lohn dafür einfahren dürfen. Allerdings ist BMC eine der letzten international tätigen Firmen, die noch kein Elektroangebot haben, abgesehen von einigen Modellen der deutschen Marke Bergamont, die seit zwei Jahren auch zur ISH International Sport Holding AG gehört.
Dieser Schulterschluss kommt in zweifacher Hinsicht überraschend: Zum einen trat Rihs nicht einfach wie bei BMC gewohnt als Investor auf, sondern hat Stromer gleich unter seinem Dach inkorporiert. Dafür warf Rihs anscheinend keine enorme Summe auf, sondern trat Binggeli 30 Prozent seiner ISH ab. Rihs bleibt mit 70 Prozent Mehrheitsaktionär, trägt sich aber angesichts seiner 69 Jahre offenbar mit dem Gedanken, Binggeli gelegentlich als vollumfänglichen Nachfolger einzusetzen.
Die eigentliche Überraschung an diesem Coup ist nun aber die personelle Rochade: Part of the Deal war nämlich, dass Binggeli als Delegierter des Verwaltungsrates ab sofort auch die Verantwortung der gesamten ISH (und damit auch BMC) übernimmt und dafür die Leitung seiner Hausmarke Thömus an seinen Bruder Markus Binggeli abgibt.
Der bisherige ISH-Verantwortliche, Mike Hürlimann, ist damit schlicht überzählig geworden; er hat an sich nichts falsch gemacht, sondern es im Gegenteil verstanden, das ins Schlingern geratene Flaggschiff BMC in diesen zweieinhalb Jahren nicht nur wieder auf Kurs zu bringen, sondern international als die Premium-Racingmarke zu etablieren, die Investor Andy Rihs schon längst vorschwebte.
Gewiss wird Selfmademan Binggeli auch für ISH / BMC ein Gewinn sein mit seiner volksnahen Art und seinem sicheren Instinkt für Kundenbedürfnisse, welche sein Hauslabel Thömus in einem guten Jahrzehnt von einer Dorf zu einer nationalen Marke gemacht haben. Er wäre auch der Richtige, um das durch die Rennsportausrichtung zuweilen etwas elitär gewordene Image zu korrigieren. Bei aller Bauernschläue Binggelis darf man aber gespannt sein, wie gut und rasch es ihm gelingen wird, auch die neue Aufgabe zu meistern. Eine Weltmarke wie BMC zu führen ist jedenfalls einige Nummern anspruchsvoller als „Hightech vom Bauernhof“ zu vermarkten.
Peter Hummel