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China Daily: Mietrad-Flut wird in der Heimat zum echten Problem
China Daily

In ihrer Ausgabe vom letzten Dienstag (10. Oktober) widmete sich China Daily – die erste und größte englischsprachige Tageszeitung in der Volksrepublik China – ganzseitig dem im Reich der Mitte boomenden Thema Mietrad-Systeme. Wie es scheint, ist ein Ende des Booms abzusehen: Überkapazitäten haben dazu geführt, dass eine wachsende Zahl von Großstädten Mieträder die rote Karte zeigen.

Grund: Die auf den Mietrad-Boom aufspringenden Produzenten und Anbieter haben den Markt derart vereinnahmt, dass bereits ganze Mietrad-Flotten auf Freiflächen außerhalb der Stadt quasi entsorgt wurden. Dabei handelt es sich um Mieträder, die in den Stadtgebieten zu einem Park-Chaos, Verkehrsüberlastungen und öffentlichen Sicherheitsbedenken geführt haben.
Die großen heimischen Mietrad-Player, die bereits auch Europa ins Visier genommen haben und auch dort schon für wachsenden Unmut sorgen versichern, ihren Service und ihre Management-Struktur zu verbessern. Späten Newcomern wurde bereits die rote Karte gezeigt, bevor sie ein Mietrad in den Markt stellen können.
Laut China Daily sind im Juli diesen Jahres »an die 70 Mietrad-Systeme bzw. –Marken mit 16 Millionen Fahrrädern für einen Kundenkreis von circa 130 Millionen Menschen« in Chinas Ballungsgebieten vertreten gewesen (Quelle: Verkehrsministerium).
Dabei verdienen Marktgrößen wie Mobike und Ofo noch immer kein Geld. Darum geht es derzeit auch nicht. Gegenüber China Daily bestätigt Mobike-Mitbegründer und -Präsident Hu Weiwei: »Profit ist momentan nicht das wichtigste Ziel. Wir fokussieren uns auf Expansion.« Nicht nur in China, sondern weltweit.
Auf der vorliegenden Seite wird auch darauf hingewiesen, dass viele heimische Fahrrad-Produzenten in einer Zeit, in denen es ihnen nicht so gut ging, sehr schnell auf den boomenden Mietrad-Markt in China aufgesprungen sind. Nun werden sie von dem Mietrad-Bann einer wachsenden Zahl chinesischer Ballungsgebiete hart ausgebremst. Laut der Vorsitzenden der Beijing Electric Bicycle Industry Association Guo Jinzhi ist dieser Bann »auch eine Warnung an die Fahrradproduzenten. Die boomende Mietrad-Produktion hat ihre Ambitionen hin zu einer hochwertigeren Fahrradproduktion verlangsamt«.
Ofo lässt zum Beispiel einen Teil seiner Mieträder seit letztem Jahr von Produzent Tianjin Flying Pigeon Cycle Development Co. bauen. Im Mai 2017 wurde dann auch noch ein Vertrag mit Produzent Shanghai Phoenix Bicycle Co. Ltd. für den Bau von fünf Millionen Einheiten unterschrieben.
Auch wenn in Zukunft weniger Mieträder produziert werden: Bis zum Jahresende werden alleine in China an die 20 Millionen Mieträder auf den Strassen stehen. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Verzehnfachung.
Was auch dazu führte, dass viele Mieträder mittlerweile auf großen Flächen außerhalb der Stadt gehortet werden. Viele von ihnen sind beschädigt. Laut dem Direktor für Nachhaltigkeit und Urbanisierung an der Tongji University of Shanghai Zhu Dajian »sollten die Mietrad-Systemanbieter Verantwortung übernehmen und diese Räder entweder recyceln oder reparieren«.
Gerade der bisher von diesen Mietrad-Anbietern vernachlässigte Reparatur-Service würde für die Industrie zum künftigen Kernthema werden. Das Problem sei, dass ein kollektiver Reparatur-Service auf einen Preis von um die 1.000 CNY (129 Euro) pro Mietrad kommen würde. Zum Vergleich: Ein Mietrad – wie es von den chinesischen Mietrad-Systemanbietern angeboten wird – kostet in der Herstellung nur an die 740 CNY (95 Euro). Warum also reparieren?
Dazu noch einmal Zhu: »Die Mietrad-Systemanbieter sollten nicht nur einen Mietservice anbieten, sondern auch die Theorie der Kreislaufwirtschaft im Auge haben und ihren Fokus auf Produktion, Geschäftsbetrieb und Recycling legen. Das ist dann eine tatsächliche ‚sharing economy‘.«
Die beiden Mietrad-Größen Mobike und Ofo haben bereits reagiert – allerdings weniger mit Reparaturservice, sondern Recycling. Beide arbeiten jeweils mit einem Recycling-Unternehmen zusammen, die sich um den »Fahrradmüll« kümmern.
Mehr zur aktuellen Situation der Mieträder in China siehe unter diesem China Daily-Link.

Text: Jo Beckendorff, Abb.: China Daily

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