Mit Fahrrädern helfen – das haben sich gerade in den letzten Jahren immer mehr Fahrradanbieter auf die Fahne geschrieben. Zahlreiche Bikeprogramme wurden im Rahmen einer aufkeimenden „Corporate Social Resonsibility“ – frei übersetzt „unternehmerische Sozialverantwortung“ – für die sogenannte Dritte Welt angekurbelt. Das wohl größte und bekannteste ist das 2004 nach dem Tsunami im Indischen Ozean gegründete World Bicycle Relief von US-Komponentengröße Sram. Aber auch deutsche Hersteller mischen mit. Wie beispielsweise Schauff in Namibia. Dort engagiert er sich sowohl an einem Schulprojekt mit rustikalen und eigens für diesen Einsatz gebauten Neurädern als auch an einem Projekt mit überholten Gebrauchträdern.
Ja, im Laufe der letzten Jahre ist es etwas ruhiger geworden um den traditionellen Anbieter Fahrradfabrik Schauff GmbH & Co. KG aus Remagen. Aber es gibt ihn noch. Zwar ist er nicht mehr immer auf den großen Fahrradmessen als Aussteller dabei. Dafür hat er sich unter anderem auf die Produktion diverser hochwertiger „Editionen“ und Spezialproduktionen spezialisiert.
„Solche Sonderaufträge sind mittlerweile ein unverwechselbarer Bestandteil unseres Gesamtprogramms,“ betont der die Geschäfte führende Jan Schauff. So bauen die Remagener Incentive-Fahrräder für einige bekannte Markenartikler, Sondereditionen für Anbieter wie Autobauer Volvo, Spezialräder für das österreichische Bundesheer, Mieträder für Call a Bike (ein 100prozentiger Ableger von Bahntochter DB Rent) sowie Stadträder für diverse Touristikunternehmen. Nicht zu vergessen jene Spezialräder, die eng mit dem Markennamen Schauff verbunden sind (Stichwort Tandems, „Sumo“ – das Fahrrad für die Gewichtsklasse bis 180 Kilogramm – sowie „Luna“, das Kompaktrad mit dicken Ballonreifen, die schon aufgezogen wurden, als der Begriff „Big Apple“ ausschließlich auf New York bezog).
Über diese Geschäftsschiene kamen Firmengründer Hans Schauff und sein Team auch auf die Idee, Fahrräder für Schüler in Namibia zu bauen. Es durften keine High-tech-Räder sein, sondern möglichst wartungsarme rustikale Fahrräder ohne Gangschaltung mit Rücktrittbremse sowie angeschweißten Gepäckträger. Denn gerade in den abgelegenen Ecken des Landes gibt es keinerlei Ersatzteile geschweige denn Reparaturmöglichkeiten.
„Die Grundidee, ein rustikales Fahrrad für Afrika zu bauen, liegt allerdings schon Jahre zurück,“ erinnert sich Schauff senior, „damals wurde ich anläßlich eines Radrennens in Köln, wo ich den Präsidenten der südafrikanischen Radsport-Verbandes kennenlernte – wir sponsorten zu der Zeit die südafrikanische Nationalmannschaft – auf dieses Thema gebracht.“ Dieser Mann habe ihm gegenüber darüber geklagt, daß die Jugend in Südafrika barfuß zur Schule laufen und nicht mit dem Fahrrad fahren, „weil Fahrräder zu teuer und nicht repariert werden können. Er suchte einfach Räder, die nichts kosten. Daraufhin schlug ich ihm vor, gebrauchte Fahrräder zu sammeln und nach Südafrika zu verladen, wenn er die Fracht organisiert.“ Bei Verteilung an Schulen könnten ja dann auch seine Radsportler den Kindern das Reparieren beibringen. Schauff schickte 1999 einige 100 Räder in die Kap-Provinz. Irgendwie schlief dieses Projekt aber wieder ein.
Erster Namibia-Kontakt
Jahre später erhielten die Remagener eine Anfrage aus Namibia, ob man einfache Räder für die Bestückung von Schulen liefern könne: „Da wir das Thema kannten, sagten wir zu. Es erschien dann eine Delegation mit der Sekretärin des damaligen Staatspräsidenten Dr. Sam Nuyoma und Philip Ellis, dem Anwalt von Air Namibia. Die staatliche Fluglinie sollte den Transport übernehmen – und zwar sowohl von neuen als auch gebrauchten Fahrrädern“. In Katatura-Windhoek wurde damals ein Schulprojekt gestartet, wo die Kinder auch lernten, die Fahrräder zu reparieren. Wegen der Bezahlung der Räder startete man dann im Bordbuch der Air Namibia eine Spendenaktion, bei der Geld für etwa 250 Fahrräder gesammelt wurde, die wir dann auch hinschickten.“ Auf anderen Wegen kam Geld für weitere circa 500 Bikes zusammen. Dann aber, so Schauff, „schlief die Sache am Ende der Präsidentschaft von Dr. Nuyoma wieder ein“.
MMCT schaltet sich ein
Die Schulen im Norden des Landes benötigten aber viel mehr. Irgendwann wurde die namibische Kinderstiftung Michelle McLean in die Sache einbezogen: „Die beschafft nun die Spendengelder und kauft bei uns ein.“ Unter Vermittlung von Philip Ellis und seinem Arbeitgeber Air Namibia wurden Schauff-Räder an Schüler in Okahao, einem kleinem Ort im abgelegenen nördlichen Owambo-Land, ausgegeben. Zuerst bekamen jene Schüler ein Fahrrad, die den weitesten Weg zur Schule haben.
So wie die 13-jährige Rahel. Zum ersten Mal in ihrem Leben hielt sie ein Fahrrad in ihren Händen. Ein gelbes funkelnagelneues Fahrrad Made by Schauff. Rahel ist eine von 4.000 Schülern der großen zehnklassigen Niita Yiitul-Schule in Okahao. Mit ihren Mitschülern hat sie gemein, daß ihr Schulweg über mehr als 13 Kilometer unwegsame Wege und Straßen führt. Schauff will, daß irgendwann einmal alle Schüler dieser Schule ein eigenes Fahrrad haben. Und so schwang sich der rüstige 70-Jährige Mitte 2009 bei einem offiziellen Besuch noch einmal kurz selbst in den Sattel, um Rahel das Radfahren beizubringen. Zusammen mit seiner Frau Ute war Hans Schauff bei der Übergabe höchstpersönlich vor Ort.
Cool Project Bicycles
Mittlerweile hat Schauff mit Hilfe eingesammelter Spendengelder einige seiner „Schul-Räder“ nach Namibia verschifft. Die Aktion rollt unter dem Namen „Cool Project Bicycles“ (Cool = „Cycle to school“). Es läuft unter der Schirmherrschaft des oben genannten Michelle McLean Children’s Trust (kurz MMCT, siehe www.mmct.org.na). Das ehemalige Modell Michelle McLean, das 1991 zur Miss Namibia und 1992 zur Miss Universe gewählt wurde, gründete ihre Stiftung im Jahre ihres Miss-Universe-Erfolges in Windhoek. Zudem konnte Ex-Staatspräsident Dr. Sam Nuyoma für das Cool Project gewonnen werden. Spender erhalten eine von ihm unterzeichnete Urkunde.
Gebrauchträder für Katatura
Des Weiteren hat Schauff sein Namibia-Fahrradprojekt ausgeweitet. „Wir sammeln Gebrauchträder ein, die hier ansonsten auf den Sperrmüll landen würden und überarbeiten sie,“ erklärt Schauff. Die Versandkosten sollen von teilnehmenden Unternehmen wie DHL, Air Namibia etc. gesponsert werden. Die Second-Hand-Bikes werden allerdings nicht im abgelegenen Norden Namibias, sondern ausschließlich in Katatura nahe der Metropole Windhoek zum Einsatz kommen. Denn bei diesen Rädern gäbe es doch hin und wieder etwas zu reparieren. „Schließlich wurden diese Bikes mit all ihrer Technik nicht für den Hardcore-Einsatz gebaut,“ erklärt Schauff. Hier vertraut der deutsche Anbieter auf die in Windhoek ansässigen Fahrradgeschäfte. Die Gebrauchträder gehen nicht nur an Schulen, sondern auch an den medizinischen Dienst diverser Krankenhäuser. Dazu noch einmal Schauff senior: „Wir liefern übrigens auch spezielle Räder an eine andere Organisation. Die kommen bei einem medizinischen Dienst in Lumumbashi im Kongo zum Einsatz.“
Beim Einsammeln gebrauchter Fahrräder, die Schauff dann wieder in seiner Produktion für den Versand fit macht, helfen auch einige Fahrrad-Fachhändler. „Wir haben hier genügend Händler aus dem Bonner Raum für diese Aktion gewinnen können. Die Menge, die wir insgesamt bekommen, reicht aus. Das Problem liegt eher beim Transport. Da gibt es aufgrund der anfallenden Kosten immer wieder Engpässe.“
Mehr Informationen zu Schauffs Fahrradaktivitäten für Schüler in Namibia siehe www.mmct.org.na oder direkt bei Schauff (Tel. 02642/93640).
– Jo Beckendorff –