Die Unternehmen stehen weiterhin vor erheblichen Herausforderungen. Dazu gehören steigende Energiekosten, Lieferketten-Probleme und die anhaltende Inflation. Zudem hat die Konsumzurückhaltung der Endverbraucher wegen hoher Energiepreise und Inflation zu einer Verringerung ihres verfügbaren Einkommens geführt. Das wirkt sich wiederum negativ auf die Unternehmen aus.
So greift ein Rädchen ins andere: die resultierenden Kaufkraft-Verluste belasten die Firmen zusätzlich. »Die finanzielle Lage vieler Unternehmen wird negativ durch gestiegene Produktionskosten, höhere Personalausgaben und einen Anstieg der Zinsen beeinflusst,« betont Crif-Deutschland-Geschäftsführer Dr. Frank Schlein.
Trotzdem könne nicht von einer »Insolvenzwelle« gesprochen werden: »Es handelt sich vielmehr um eine Rückkehr zur Normalität im Insolvenzgeschehen, nachdem in den letzten Jahren umfangreiche Unterstützungsprogramme in Milliardenhöhe durchgeführt wurden. Die Prognose für das Gesamtjahr 2023 liegt derzeit bei 17.500 Firmeninsolvenzen.«
Somit liegt der aktuelle Wert im Vergleich zu den Vorjahren auch niedrig. Der Durchschnitt seit 1999 beträgt knapp 26.200 Firmeninsolvenzen pro Jahr – wobei im bisherigen Rekordjahr 2003 die Zahl bei 39.320 lag.
Insolvenzdichte nach Bundesändern
Die höchste Insolvenzdichte im ersten Halbjahr 2023 wurde in Bremen mit 66 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen verzeichnet. Zum Vergleich: der Bundesdurchschnitt liegt bei 28 Firmeninsolvenzen pro 10.000 Unternehmen. Ebenfalls über dem Durchschnitt lagen Berlin (49 Firmeninsolvenzen je 10.000 Unternehmen), Hamburg (40), Nordrhein-Westfalen und das Saarland (je 35).
Die niedrigsten Anzahlen von Firmenpleiten 01-06/2023wurden in Thüringen (20), Bayern (21) und Baden-Württemberg (22) verzeichnet. Absolut gesehen meldeten Nordrhein-Westfalen (2.160), Bayern (1.201) und Baden-Württemberg (905) die meisten Firmeninsolvenzen.
Am stärksten angestiegen sind die Firmeninsolvenzen im ersten Halbjahr in Bremen mit einem Plus von 75,6 Prozent. Aber auch das Saarland (plus 47,3 Prozent) und Schleswig-Holstein (plus 40 Prozent) meldeten deutlich mehr Firmeninsolvenzen.
Anstieg der Geschäftsaufgaben
Die Geschäftsaufgaben verzeichneten im ersten Halbjahr 2023 einen Anstieg um 13,1 Prozent. Insgesamt gab es in den ersten sechs Monaten knapp 248.000 Unternehmensschließungen (plus 13,1 Prozent).
»Für viele Unternehmen ist die wirtschaftliche Lage so schlecht, dass sie keine Zukunft mehr sehen und ihr Geschäft aufgeben, noch bevor sie in eine Insolvenz geraten. Gerade für viele kleine Unternehmen ergibt eine Fortführung in der aktuellen Situation keinen Sinn«, kommentiert Dr. Schlein die aktuellen Zahlen.
Verschlechtertes Zahlungsverhalten
Ein erster Indikator für die weiterhin angespannte Situation bei den Unternehmen ist laut Crif die Analyse des Zahlungsverhaltens von Firmen. Wie eine Auswertung von knapp 540.000 Unternehmen in Deutschland zeigt, hat sich diese im August 2023 verschlechtert: überfällige Rechnungen wurden im Durchschnitt mit einer Verzögerung von 17,9 Tagen bezahlt. Zum Vergleich: im August 2022 waren es 16,2 Tage.
»Wir beobachten derzeit vermehrt ein liquiditätsschonendes Verhalten seitens der Firmen«, erklärt Dr. Schlein. Im Durchschnitt gewähren Deutschlands Unternehmen ihren Gläubigern ein Zahlungsziel von 26 Tagen. Bei Nicht- oder Spätzahlern werden Rechnungen derzeit erst nach durchschnittlich 44 Tagen bezahlt: »Unternehmen warten dadurch weitaus länger auf das Geld als ursprünglich einkalkuliert. Damit werden sie unfreiwillig zum Kreditgeber ihrer Kunden.«
Regional unterschiedliche Zahlungsverzüge
Allerdings zeigen sich auch hier regionale Zahlungsverzugs-Unterschiede: Schleswig-Holstein führt im August 2023 die Liste mit einer durchschnittlichen Verzögerung von 25,5 Tagen (August 2022: 22 Tage) an. Unternehmen in Berlin (durchschnittlich 23,1 Tage verspätet) und Brandenburg (22 Tage) zahlten ihre Rechnungen ebenfalls mit erheblichem Verzug. Anders in Thüringen: dort zahlen die Unternehmen im Durchschnitt nur mit einer Verzögerung von 11,7 Tagen.
Crif-Fazit: »Das schlechte Zahlungsverhalten von Unternehmen belastet oft mittelständische und kleingewerbliche Betriebe. Dies liegt daran, dass ein Mangel an Liquidität, der beispielsweise durch verspätete oder unbezahlte Rechnungen entsteht, als eine der häufigsten Ursachen für Insolvenzen gilt.«
Zusätzlich würden nicht oder zu spät bezahlte Rechnungen durch Kunden oder Auftraggeber einen erhöhten Verwaltungsaufwand und zusätzliche Kosten für die betroffenen Unternehmen bedeuten. Da Unternehmen durch verspätete Zahlungen ihrer Kunden länger als geplant auf ihre eigenen Investitionen verzichten müssen oder sogar Bestellungen nicht bedienen können, entwickelt sich im schlimmsten ein wahrer Teufelskreis entwickeln: »Dies kann bei kleinen Unternehmen schnell zu einer wirtschaftlichen Schieflage führen.«
Text: Jo Beckendorff/Crif Deutschland GmbH