Ein vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) durchgeführter Crashtest mit schnellen Pedelecs sorgt für Unruhe in der Fahrradbranche. Bei simulierten Kollisionen zwischen schnellen Pedelecs und anderen Verkehrsteilnehmern schnitten die E-Bikes nicht gut ab. Die Branche bezieht Stellung zum Test und verweist auf Mängel in der Darstellung des GDV.
Fraglos muss die Sicherheit jedes Straßenverkehrsteilnehmers der Imperativ aller den Straßenverkehr betreffenden Regeln sein. Dass die Regeln hinsichtlich der neu aufgekommenen schnellen Pedelecs angepasst werden müssen, weil diese ein neues Gefahrenpotential darstellen, davon ist der GDV überzeugt. In einer Pressemitteilung vom 7. April 2011 weist er auf die erhöhte Unfallgefahr durch Pedelecs hin. Erstens haben die S-Pedelecs eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit und eine höhere Kilometerlaufleistung als normale Räder. Das allein führt statistisch zu einer steigenden Zahl an Unfällen. Der GDV sieht zweitens ein Problem darin, dass zum Beispiel Radwege gemeinsam von schnellen Pedelecs und normalen Rädern benutzt werden und sich durch die zum Teil erheblichen Geschwindigkeitsunterschiede das Risiko für gefährliche Verkehrssituationen erhöhen. Auch Fußgänger seien davon Betroffen, die einer Kollision mit einem Pedelec schutzlos ausgeliefert seien. Drittens führt der GDV an, dass die Pedelecs noch nicht in das Erfahrungsraster der Autofahrer aufgenommen seien. Für einen Autofahrer sei es schwer zwischen einem normalen Radfahrer und einem Pedelec zu unterscheiden und seine Geschwindigkeit korrekt einzuschätzen. Viertens seien die Bauteile und Komponenten der Pedelecs nur unzureichend auf die Belastungen durch die Elektromotoren ausgelegt und bergen damit eine weitere Gefahrenquelle für die Nutzer dieser Fahrzeuge und andere Verkehrsteilnehmer.
In der Summe fordert der GDV die Ausstattung der Pedelecs mit Abblendlicht, Bremslicht, Rückspiegel, bauartgenehmigter Bereifung und angemessenen Bremsanlagen. Auch eine Helmpflicht erachtet der GDV für notwendig, sowie eine Klarstellung der Rechtslage, denn viele E-Bike-Fahrer seien „illegal“ unterwegs. Der GDV hält die Einführung einer neuen Fahrzeugklasse für angebracht, welche die Geschwindigkeit für Pedelecs auf 30 Stundenkilometer sowie die Motorleistung auf 500 Watt begrenzt und zudem Versicherungskennzeichen und Mofaprüfbescheinigung für den Betrieb vorschreiben.
Pedelecs nicht illegal
Der Zweirad-Industrie-Verband verweist als Reaktion auf die Meldung auf bereits bestehende Richtlinien und Übereinkünfte, welche den Betrieb und die Fahrerlaubnis der schnellen Pedelecs reglementieren: „In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Vertretern von Behörden, verschiedenen Prüfinstituten und dem ZIV wurden Rahmenbedingungen festgelegt, unter denen die ‚schnellen Pedelecs’ in Deutschland auf öffentlichen Straßen gefahren werden dürfen.“, sagt der ZIV in einer Pressemitteilung. Dazu zählen eine Betriebserlaubnis, ein Versicherungskennzeichen sowie eine Mofaprüfbescheinigung. Zudem werde innerhalb der EU-Richtlinien geprüft, ob das schnelle Pedelec die notwendigen Anforderungen für den Betrieb im Straßenverkehr erfüllt, zum Beispiel, ob eine ausreichende Bremsleistung bei Nässe und Trockenheit gegeben sei, so der ZIV. Auch die Frage der Helmpflicht sei in der Arbeitsgruppe diskutiert worden, mit dem Ergebnis, dass das Tragen eines Helms jedem Radfahrer – nicht nur den E-Bike-Fahrern – empfohlen werde. Die für eine Helmpflicht notwendige Änderung der Straßenverkehrsordnung sei laut ZIV nicht kurzfristig umsetzbar gewesen.
Meldung schürt unbegründete Bedenken
Was die Regulierung der schnellen E-Bikes angeht, scheint die Wirklichkeit den Forderungen des GDV ein großes Stück voraus zu sein. Viel schwerer wiegt der Umstand, dass der GDV normale und schnelle E-Bikes in den selben Topf wirft und die Meldung von verschiedenen tagesaktuellen Medien ihrem Ton nach übernommen wird (siehe FAZ vom 19.04., http://www.sueddeutsche.de/auto/pedelecs-im-crashtest-pfeilschnell-ins-verderben-1.1083074-2 vom 10.04.). Tatsächlich seien nur rund fünf Prozent der in 2010 verkauften 200.000 E-Bikes zur Klasse der schnellen Pedelecs zu zählen, berichtet der ZIV. Für einen Großteil der E-Bikes trifft die Meldung des GDV folglich nicht zu. Allerdings ist es bei dem Medienecho kein Wunder, dass die Fahrradbranche um das Image einer ihrer wirtschaftlichen Zugpferde besorgt ist. Schließlich werden beim Verbraucher unbegründete Bedenken durch die Pressemeldungen geschürt.
Auch mit unmotorisierten Rädern lassen sich Geschwindigkeiten jenseits von 30 Stundenkilometern erreichen und gefährliche Verletzungen treten sogar schon bei geringeren Geschwindigkeiten auf; auch das hat der GDV in einem Film gezeigt (http://www.youtube.com/watch?v=JsY1f-msh_w) gezeigt. In seiner Meldung erscheint es jedoch so, als ließen sich die verheerenden Unfallbilder allein den E-Bikes zurechnen. Dabei liegt das sicherheitstechnisch größte Manko jedweden Rades nicht so sehr in der erreichbaren Höchstgeschwindigkeit, als vielmehr in der nicht vorhandenen Knautschzone, die den Fahrer bei einem Aufprall schützt. Entscheidend für die Sicherheit im Straßenverkehr ist die gegenseitige Rücksichtnahme aller Teilnehmer.
Text: Christopher Müllenhof
http://www.gdv.de/Presse/Pressemeldungen_2011_Uebersichtsseite/inhaltsseite28536.html