Viel Rauch um nichts, sagen die einen. Gut daß wir aufgepaßt haben, sagen die anderen. Auch dabei: Brian Montgomery. Glücklich nahm der Geschäftsführer des Europäischen Fahrrad-Industrieverbandes EBMA die gestern (28. Februar) im EU-Amtsblatt veröffentlichte Nachricht mit dem Satz „Wir haben gewonnen“ entgegen. Jetzt hat er die Aufrechterhaltung bestehender EU-Anti-Dumping-Strafzölle auf Fahrräder und Fahrradteile made in China noch einmal Schwarz auf Weiß. Papier ist geduldig(er). Hier die Hintergründe zu einer Verordnung, die letztendlich alles beläßt wie es ist.
Auf fünf Seiten des EU-Amtsblatts L55 vom 28. Februar geht die verantwortliche EU-Kommission auf die – so der genaue Wortlaut – „Aufrechterhaltung der Verordnung (EG) Nr. 71/97 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 auf Fahrräder mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus der Volksrepublik China“ ein.
Was das bedeutet? Überprüft wurde zum einen der seit September 1993 geltende EU-Strafzollsatz auf Kompletträder (Verordnung Nr. 2474/93). Der lag zuerst bei 30,6 Prozent. 2005 wurde er allerdings nach Überprüfung auf 48,5 Prozent erhöht – und läuft offiziell bis zum 15.7.2010 laufen.
Des Weiteren geht es um die Verordnung Nr. 71/97. Sie bezieht sich auf Fahrradteile. Diese Verordnung wurde 1997 ins Leben gerufen, um die mutmaßliche Umgehung des Strafzolls auf Kompletträder „durch die Verwendung chinesischer Fahrradteile für die Montage von Fahrrädern in der Gemeinschaft“ in den Griff zu kriegen. Somit wurde der EU-Strafzoll damals mittels sogenannter „Antiumgehungsmaßnahme“ auf Fahrradteile ausgeweitet. Heute liegt der Strafzollsatz auf Fahrradteile Made in China wie bei Kompletträdern auch bei satten 48,5 Prozent.
Damit aber Anbieter aus der EU weiterhin Fahrradteile und vor allem Rahmen (deren Bedarf gegenwärtig nur mit Hilfe der Weltfabrik China abgedeckt werden kann!) aus China beziehen können, hat Brüssel 1997 auch die sogenannte 60:40 Regelung eingeführt. Sie besagt, daß ein EU-Hersteller nur bis zu 60 Prozent der am Fahrrad genutzten Teile Made in China einsetzen darf. Trifft das zu, kann der EU-Hersteller auf Befreiung des Anti-Strafzolls plädieren.
Was wurde jetzt genau überprüft? Die EU führt an, daß seit oben genannter Ausweitung der Maßnahmen „eine große Zahl von in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen von der Antiumgehungsmaßnahme befreit“ wurde. Heißt: Viele Anbieter halten sich an die genannte 60:40-Regelung und sind somit nach Antragstellung vom Strafzoll befreit. Ferner hätten der verantwortlichen Kommission „hinreichende Anscheinsbeweise“ dafür vorgelegen, daß „bei einem Außerkrafttreten der Antidumping-Massnahme die Umgehungspraktiken nicht anhalten bzw. nicht erneut auftreten würden“.
Letztendlich kam die verantwortliche EU-Kommission jedoch zu dem Ergebnis, daß zur Zeit offensichtlich keine Umgehung stattfindet. Gleichwohl könne aber auch nicht ein erneutes Auftreten der Umgehung völlig ausgeschlossen werden: „In Anbetracht der Analyse scheint ein – wenn auch nur begrenztes – Risiko zu bestehen, daß sich die gegenwärtige Situation, in der keine Umgehung stattfindet, im Falle der Aufhebung der Antiumgehungsmassnahme mittelfristig ändert: Die Montagebetriebe in der Gemeinschaft könnten ihre Montagetätigkeit erheblich ausweiten, indem sie mehr als 60 Prozent an chinesischen Fahrradteilen verwenden, was wiederum die Abhilfewirkung des Anti-Dumping-Zolls auf chinesische Fahrräder untergraben würde“.
Alles klar? Hier die freie Übersetzung: Die Antiumgehungsmaßnahme wird aufrechterhalten, um sicherzustellen, daß die Hauptmaßnahme – sprich der Anti-Dumping-Strafzoll von 48,5 Prozent auf Kompletträder – wirksam bleibt und nicht durch Umgehung in Form von Montagetätigkeiten untergraben werden kann. Anders ausgedrückt: Es bleibt in Sachen EU-Strafzoll gegenüber Kompletträder und Fahrradteilen Made in China zumindest derzeit alles beim Alten. Glückwunsch!
– Jo Beckendorff