Wie erwartet hat die verantwortliche EU-Kommission jetzt erstmals Strafzölle auf E-Bike-Importe aus China verhängt. Letzten Freitag (18. Januar) wurde im EU-Amtsblatt bekannt gegeben, dass man am Vortag (17. Januar) per Durchführungsverordnung 2019/73 der Kommission einen endgültigen Antidumping- und Antisubventions-Zoll auf E-Komplettfahrräder mit Ursprung in der Volksrepublik China einführen werde. Einziger Lichtblick für die auf China setzenden europäischen E-Bike-Importeure: Die endgültigen Zollsätze sind niedriger als die seit 18. Juli 2018 in Kraft getretenen vorläufigen Zollsätze.
»In Anbetracht der Schlussfolgerungen zu Dumping, Schädigung, Schadensursache und Unionsinteresse sollten endgültige Antidumpingmaßnahmen eingeführt werden, um eine weitere Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union durch die gedumpten Einfuhren der betroffenen Ware zu verhindern«, heißt es im besten Amtsdeutsch im besagten EU-Amtsblatt. Die betroffene Ware wird derzeit unter den KN-Codes 8711 60 10 und ex 8711 60 90 (TARIC-Code 8711 60 90 10) eingereiht. Wie hoch die für China-Produzenten jeweils unterschiedlich ausfallenden Strafzölle genau ausfallen, erfahren Sie hier.
»Dies ist eine zutiefst bedauerliche Entscheidung der Kommission«, erklärt Leva-EU-Managerin Annick Roetynck. Unter dem Leva-EU-Dach hatte sich ein E-Bike-Importeurskollektiv mit »nicht weniger als 60 europäischen kleineren und mittleren Unternehmen aus 13 verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten« versammelt, das laut Leva-EU »von 27 anderen europäischen Unternehmen sowie vier Mitgliedern des Europäischen Parlaments und verschiedenen politischen Parteien« unterstützt wurde. Der jetzt verhängte Strafzoll hätte auch verheerende Auswirkungen auf eine große Zahl europäischer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs), deren Existenzgrundlage von den Montage-E-Bikes in China abhängt: » Da es außerhalb Chinas nicht genügend Montageeinrichtungen gibt, sind viele dieser Unternehmen heute mit existenziellen Problemen konfrontiert, für die sie in ihrer Geschäftsplanung keine Zeit hatten, sie zu antizipieren. Für die Unternehmen in Großbritannien kommt dies zu den Turbulenzen durch Brexit hinzu.«
Ganz anders sieht das natürlich der europäische Fahrrad-Industrieverband EBMA, auf dessen Beschwerde die Untersuchung seitens der EU erst initiiert wurde. »Heute hat die EU zusätzliche Gesamtzölle auf chinesische E-Bikes von 18,8 bis 79,3 Prozent eingeführt. Die Europäische Kommission hat die Aufrufe von europäischen Gewerkschaften, Fahrradherstellern, Kleinunternehmen und Radfahrern gehört, das Dumping von chinesischen E-Bikes zu stoppen. Nach einer eingehenden Untersuchung stellte die Europäische Kommission fest, dass chinesische Hersteller E-Bikes zu Dumpingpreisen verkaufen, um sich Marktanteile in der EU zu sichern und dabei illegale Subventionen von der chinesischen Regierung erhalten«, erklärte EBMA-Generalsekretär Moreno Fioravanti am Tag der Amtsblatt-Veröffentlichung.
Die endgültigen handelspolitischen Schutzmaßnahmen der EU würden über 800 europäische kleine und mittlere Unternehmen und 90.000 Arbeitsplätze in der EU vor unlauterem Wettbewerb aus China schützen. Zudem werden die Antidumping- und Antisubventions-Maßnahmen der EU laut EBMA »bereits in der ersten Jahreshälfte 2019 zur Schaffung von über 4.500 neuen europäischen Arbeitsplätzen führen, da die Produktion von 900.000 E-Bikes in diesem Jahr neu ausgerichtet wurde. Die große Zahl der Fahrradhersteller in der EU wird für ein wettbewerbsfähiges und innovatives Umfeld sorgen und den europäischen Verbrauchern ein breites und diversifiziertes Portfolio attraktiver Pedelecs in allen Preisklassen bieten. Importeure können problemlos E-Bikes kaufen, die in 22 EU-Mitgliedstaaten hergestellt wurden, und fair gehandelte E-Bikes aus China und Nicht-EU-Ländern auf der ganzen Welt.«
So ganz zufrieden ist EBMA jetzt allerdings auch nicht. »Leider haben die chinesischen E-Bike-Hersteller bereits damit begonnen, die Handelsmaßnahmen der EU durch Drittländer zu umgehen. Die EBMA wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine solche illegale Umgehung zu verhindern«, versichert Fioravanti.
Text: Jo Beckendorff. Abb.: EBMA