Eurobike Branchengespräch: Die Stunde des Fahrrads

Bevor es per Shuttlebus zum Demo Day in den Allgäu ging, gab es für die Medienvertreter Zahlen zum Fahrradmarkt und zur Entwicklung der Eurobike.

Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen, konnte für die 17. Eurobike mit beachtlichen Zahlen aufwarten: 936 Aussteller auf 85.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind Rekord für die Messe am Bodensee. Die Eurobike 2008 sei die größte Messe, die jemals in Friedrichshafen stattgefunden habe und dürfe aufgrund der Beteiligung von Ausstellern und Besucher aus aller Welt zu Recht auch als Globalbike bezeichnet werden, so Wellmann. Auch der zweite Demo Day konnte mit einer Zahl von über 100 ausstellenden Firmen noch einmal wachsen. Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis, heißt es für die Messeverantwortlichen. Die Qualität des Angebots stehe immer im Vordergrund, erklärte Wellmann.
Mit großem Interesse wurden von den Medienvertretern die Ausführungen des Messegeschäftsführers zu den Verbesserungen in der Infrastruktur aufgenommen. Aus den Erfahrungen im letzten Jahr habe man gelernt und daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet, so Wellmann. Dazu gehörten eine grüne Welle bei der Ampelschaltung, Busspuren und Einbahnstraßenregelungen sowie ein verstärktes Eingreifen der Polizei. Die geänderten Öffnungszeiten seien auch eine Möglichkeit, die Verkehrssituation zu entzerren. Für die Zukunft sei ein satellitengesteuertes Verkehrsleit- und Parksystem angedacht, das den Besuchern über ihr Handy Hinweise zur Situation auf den Straßen liefere.
Die fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten für Messebesucher sollen durch Hotelneubauten, die zum Teil schon begonnen wurden, entzerrt werden. 1.000 zusätzliche Betten sollen so entstehen. Im Zuge der Messeerweiterung und der neuen Messezufahrt Nord würden auch neue Parkplätze gebaut, stellte Wellmann in Aussicht. 1.200 Plätze stünden schon jetzt zur Verfügung.

Zahlen des Marktes

Christoph Goebel , Vorsitzender des Zweirad Groß- und Außenhandelsverbandes (ZGA) und geschäftsführender Gesellschafter des Fahrrad- und Zubehörgroßhändlers Grofa, gab die aktuellen Zahlen der Fahrradbranche bekannt. Allgemein gesehen gab es nur geringe Steigerungen, aber für den Fachhandel lässt sich eine immer stärkere Position ablesen.
Demnach gab es bei der Inlandsanlieferung, die sich aus der Produktion zuzüglich den Importen abzüglich der Exporte ergibt, eine Steigerung von einem Prozent. Insgesamt entspricht das einer Zahl von 2,842 Millionen Fahrrädern bis Ende Juli 2008. Bei der Produktion gab es eine Steigerung von 1,503 Millionen auf 1,658 Millionen Fahrräder, die komplett in den Export ging. Auch hier erhöhten sich im ersten Halbjahr die Stückzahlen von 328.000 im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres auf 590.000 in diesem Jahr.
Um 8,3 Prozent ist der Import von Fahrrädern in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gewachsen. Im ersten Halbjahr 2008 wurden nach Angaben des Verbandes 1,774 Millionen Fahrräder eingeführt. 2007 waren es in dem Zeitraum 1,638 Millionen.
Was den Umsatz der Branche angeht, so machte sich die gestiegene Nutzung des Fahrrades in den ersten sechs Monaten des Jahres besonders im After-Sales-Bereich bemerkbar. Insgesamt teilt sich das Umsatzvolumen von mehr als drei Milliarden Euro auf in einen Anteil von 1,7 Milliarden Euro für Fahrräder und 1,45 Milliarden für Reparaturen, Zubehör und Ersatzteile.
Für die deutsche Fahrradbranche gibt der Verband eine Beschäftigtenzahl von rund 30.000 an. 2006 wurde mit Fahrrädern ein Umsatz von 1,548 Milliarden Euro erzielt, 2007 waren es 1,686 Milliarden Euro.
Import-Nation Nummer eins in Deutschland ist Taiwan, gefolgt von Polen und Thailand. Vietnam liegt auf dem vierten Platz.
Im Jahr 2007 kamen laut ZGA 4,58 Millionen Fahrräder in der Inlandsanlieferung auf den deutschen Markt. Aus deutscher Produktion stammten 2,4 Millionen Fahrräder, 2,75 Millionen kamen aus dem Import und knapp 600.000 Fahrräder aus deutscher Produktion gingen in den Export. Das Verhältnis der einheimischen Produktion zum Import beträgt in Bezug auf die Inlandsanlieferung 40 zu 60 Prozent.

Trekkingräder und Spezialisten gefragt

Die deutschen Fahrradfahrer lieben das Trekkingrad. Mit 32 Prozent führt dieser Radtyp die Verkaufsliste an. Cityräder kommen auf 23 Prozent, Mountainbikes auf einen Anteil von 12 Prozent. Bei den E-Bikes rechnet der Verband mit 100.000 verkauften Rädern. Hier liegt die besondere Aufmerksamkeit der Branche, konnten doch in anderen europäischen Ländern in diesem Segment starke Zuwächse erreicht werden.
Spezialisten sind gefragt, diese Feststellung könnte man angesichts des Fachhandelanteils von 59 Prozent an den Vertriebswegen treffen. Betrachtet man den absoluten Wert der verkauften Fahrräder, werden dort sogar 78 Prozent verkauft. Der Verkauf über die grüne Wiese ist rückläufig (36 Prozent in 2006, 34 Prozent in 2007).
Über alle Vertriebswege gesehen, kostete ein Fahrrad durchschnittlich 370 Euro. Der Durchschnittserlös im Fachhandel betrug 440 Euro und solle auch in der Zukunft steigend bleiben, so Christoph Goebel.
Mittlerweile besitzen in Deutschland 81 Prozent aller privaten Haushalte in Deutschland ein Fahrrad, das sind 10 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. In Zahlen ausgedrückt: 68 Millionen Mountainbikes, Stadt- und Sporträder stehen in Deutschland zur Nutzung im Alltag und in der Freizeit zur Verfügung.

Fahrrad ist Thema

Mathias Seidler, Geschäftsführer von Derby Cycle, macht gegenwärtig einen positiven Trend zum Fahrrad aus, der auch in den Medien ablesbar ist. Gründe dafür sind für ihn zum einen die steigenden Benzinkosten, das gestiegene Gesundheitsbewusstsein und die Diskussionen zur Schadstoffbelastung durch Kohlendioxyd.
Dass der Verbraucher Qualität beim Produkt und auch in der Beratung sucht, sieht er durch den gestiegenen Anteil des Fachhandels und auch am durchschnittlichen Fachhandels-Verkaufspreis bestätigt.
Die Zukunft des E-Bikes schätzt Seidler besonders positiv ein: »In zwei Jahren wird das E-Bike zum normalen Fahrrad werden«, so seine Prognose. Die verbesserte Akku-Technik ermögliche einen größeren Aktionsradius und ändere so das Nutzungsverhalten.
Beim Mountainbike gehe die Entwicklung vom Wettkampfsport hin zum Freizeitsport und auch das Rennrad sieht Seidler wieder im Aufwind durch die Anstrengungen für einen sauberen Sport: »Der Radrennsport hat seine Talsohle durchschritten.«
Nach einem geschätzten Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent in diesem Jahr beim Fachhandel prognostizierte Seidler auch für die kommenden Jahre einen Zuwachs, der auch dem E-Bike zuzurechnen sein werde.
Für die Verbraucher habe sich die Kaufsituation für Fahrräder in den letzten Jahren günstig entwickelt: »Für den gleichen Preis bekommt der Kunde mehr Fahrrad«, so Seidler. Durch den Verfall von Dollar und Yen seien die Teile günstiger geworden und die Hersteller hätten diesen Vorteil an die Verbraucher weitergegeben.
Auch die verstärkte Nutzung des Fahrrades werde den Fachhandelsanteil weiter steigen lassen, meinte der Derby-Chef.

E-Bike löst das Fahrrad ab

Andreas Lübeck, Betriebsberater und Spezialist im Fahrradfachhandel, sieht im deutschen Fahrradfachhandel keine homogenen Unternehmen. Es zeige sich ein Trend zu großer Fläche, aber auch zu kleinen Läden, die besonders auf Service setzten, so Lübeck, denn das Fahrrad sei ein Produkt mit einem großen Beratungs- und Servicebedarf.
»Deutschland ist ein Fahrrad-Kulturland mit großer Bandbreite«, erklärte Lübeck. Zum Beispiel hätten die VSF-Läden einen Durchschnittsverkaufspreis von 800 Euro für ein Fahrrad erzielt. Also deutlich mehr als der übrige Fachhandel.
»Bisher konnte durch den höheren Benzinpreis noch kein großer Durchbruch für den Fahrradfachhandel erreicht werden, aber die Werkstattumsätze sind gestiegen. Früher oder später führt es aber zum Kauf«, so die Meinung des Betriebsberaters.
Für die Zukunft des E-Bikes wagt sich Andreas Lübek mit seiner Prognose für die nächsten sieben bis zehn Jahre sehr weit vor: »Das E-Bike wird das normale Fahrrad ablösen, denn es hat keine natürlichen Feinde mehr – nämlich Berge und das Wetter.«

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