Auch wenn hier und da bereits im Vorfeld die Messe Eurobike klein geredet worden war: Laut Veranstalter Messe Friedrichshafen zog es in diesem Jahr 39.834 Fachbesucher (gegenüber 2018 plus 6,6 Prozent) sowie 21.240 Endverbraucher zur 28. Eurobike an den Bodensee. Letztere durften ausschließlich am letzten Samstag – dem letzten Messetag der vom 4. bis 7. September laufenden Eurobike 2019 – auf dem sogenannten Festival Day die Neuheiten 2020 der mehr als 1.400 Aussteller bewundern. Die ersten drei Tage waren dem Fachpublikum vorbehalten.
Auch wenn viele Branchengrößen nicht mehr als Aussteller auf den immer noch größten Branchentreff der Welt setzen und ihre Neuheiten lieber auf Hausmessen präsentieren, auf denen ihre Fachhandelspartner nicht durch Neuheiten von Mitbewerbern aus dem Takt gebracht werden: sie waren trotzdem vor Ort. Gerade jene Branchengrößen, die nicht mehr selbst am Bodensee präsentieren und mit ihrer Ausstellung in diesen Branchentreff investieren, waren mit vielen Leuten vor Ort. Und profitieren so weiterhin von dieser Messe, ohne in diesen Branchentreff zu investieren bzw. dafür zu bezahlen.
Fakt ist, dass ein großer Branchentreff wie die Eurobike mehr ist als »nur« Produkt-Neuheiten-Schau. Es geht auch darum, sich als Branche einheitlich und gemeinsam gegenüber anderen Branchen in Szene zu setzen, um darüber hinaus gehende Lobbyarbeit, Networking und vieles mehr.
Apropos Networking: dieses Thema war neben den urbanen Mobilitätslösungen, die von den ausstellenden Unternehmen präsentiert wurden, das diesjährige Top-Thema. Dieses geht mittlerweile weit über das klassische Thema Fahrrad hinaus. Das boomende E-Bike lässt derzeit kaum noch einen Blick auf nicht motorisierte Fahrräder zu.
Mit dem besonders von der Fahrradbranche kritisch gesehenen Thema E-Step-Scooter sowie dem mit offenen Armen aufgenommenem Thema E-Cargobike entwickelt sich die einst als reine Mountainbike-Messe durchgestartete Eurobike nun auch über das Thema Fahrrad hinaus Richtung Mikro-Mobilität. Das wurde vor allem bei einem Rundgang durch die Rothaus-Halle (A1) klar, in der sich die der Automobil-Branche nahestehenden Anbieter mit zwei-, drei- und vierrädrigen E-Fahrzeugen dem Thema Mikro-Mobilität nähern. Spannend zu sehen, wie sich die aus verschiedenen Richtungen kommenden Aussteller dem heißt gehandelten Thema urbane Mobilität nähern. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen, konnte aber gerade auf dem diesjährigen Branchentreff Eurobike bestaunt werden.
Dazu Messe Friedrichshafen-Geschäftsführer Klaus Wellmann: »Die Eurobike 2019 war eine innovationsgeladene Mobilitäts-Show, auf der Hersteller aus aller Welt die Zukunft des Fahrrads mit all seinen Komponenten als Sportgerät wie auch begehrter Mobilitätsträger beleuchteten. Etablierte, wie auch viele neue Aussteller spiegelten mit ihren Produkten die gegenwärtige Aufbruchsstimmung im Markt wider. Angetrieben vom besonderen Schub der Elektrifizierung wurde in Friedrichshafen klar: Das Fahrrad spielt eine zunehmend wichtige Rolle – ob in der Stadt oder auf dem Land, in der Freizeit oder auf dem Weg zur Arbeit.«
Das wirtschaftliche Interesse und die Freude am Radfahren drückt sich auch in den Zahlen der Eurobike 2019 aus: neben den bereits genannten 39.834 Fachbesuchern und 21.240 Endverbrauchern waren auch 1.345 Medienvertreter aus dem In- und Ausland an den Bodensee gereist. Insgesamt kamen Messebesucher aus 99 Nationen zur Eurobike. Das entspricht einem Auslandsanteil von 59 Prozent – und unterstreicht, dass die Eurobike allen Unkenrufen zum Trotz immer noch als weltgrößte Fahrrad-Messe ein immens wichtiger internationaler Branchentreff ist.
»Unsere Mission ist es, Ausstellern und Fachbesuchern beste Geschäftsmöglichkeiten zu bieten. Ich freue mich, dass die Eurobike die hohen Erwartungen erfüllt hat und die Hersteller wie auch Fachbesucher den geschäftlichen Erfolg ihrer Messebeteiligung beziehungsweise ihres Messebesuchs positiv bewerten. Die Eurobike hat sich als globale Leitmesse des Bike-Business etabliert, sie zieht das ‚Who is Who‘ der Szene nach Friedrichshafen und schafft als Netzwerk- und Knowhow-Plattform viele reale Mehrwerte über das Produkt hinaus. Viele der Newcomer sind etablierte Unternehmen aus dem Technologiesegment und bringen ihre Sicht auf den aktuellen Megatrend Mobilität ein«, erklärt Eurobike-Bereichsleiter Stefan Reisinger.
Mit Blick auf die Fachbesucher ergab eine vom RadMarkt durchgeführte Vor-Ort-Blitzumfrage leider kein klares Bild. Während einige Aussteller die unzähligen Fachhandels-Kontakte lobten, sprachen andere davon, kaum welche gesehen zu haben. Letztere gaben an, eher internationale (Landes-)Importeure und Großhändler angetroffen zu haben. Was vielleicht auch den hohen Auslandsanteil der diesjährigen Besucher erklären würde. So reichten auch die Aussteller-Aussagen über die Messe von einem Extrem (»die Messe ist tot«) zum anderen (»für uns war die Messe so gut wie nie«). Selbst dann ließ sich das Aussagen-Puzzle nicht einfach zusammensetzen, wenn man versuchte, nach Produktgruppen bzw. -bereichen oder Hallen vorzugehen.
Deshalb ziehen wir folgendes Fazit: nachdem die Eurobike schon im Vorfeld fast schon totgeredet wurde und einige Umfragen vermuten ließen, dass sich nur wenige Fachbesucher auf den Weg zum Bodensee machen würden, war die 28. Auflage ein Riesen-Erfolg. Es scheint, dass es sich der eine oder andere doch noch kurzfristig anders überlegt hat.
Wenn dann auch noch jene Branchengrößen in Teamgröße aufschlagen, die ihre Eurobike-Präsentation zugunsten eigener Hausmessen aufgegeben haben und sich nun quasi »low-budget« dort blicken lassen, kann das nur eines bedeuten: Nach wie vor ist die Eurobike als größte Fahrrad-Messe der Welt bei aller Kritik immer noch das Maß der Dinge. Warum sonst würden sich jene »Ausstellungsverweigerer« dort blicken lassen?
Ob sich diese »Abweichler« irgendwann wieder einmal für einen eigenen Eurobike-Auftritt begeistern lassen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auch wenn es Großmessen derzeit generell schwer haben – wichtig wird es sein, weiter im Gespräch zu bleiben. Vielleicht entsteht dann auch wieder ein »Wir-Gefühl«, das die Branche in Sachen Lobbyarbeit & Co. weiter nach vorne bringt. Die Konkurrenz – siehe die sich derzeit im Umbruch befindende und nach Mobilitätslösungen suchende Autobranche – schläft nicht.
Mehr Informationen zur diesjährigen Eurobike in den kommenden RadMarkt-Augaben.
Last but not least der Hinweis, dass die 29. Eurobike im kommenden Jahr vom 2. bis 5. September 2020 stattfinden wird.
Text/Fotos: Jo Beckendorff