Fahrrad-Manufaktur Velotraum in neuen Händen
Die Spatzen pfiffen es schon länger von den Dächern – nun wurde offiziell Vollzug gemeldet: seit 1. Januar ist die Fahrrad-Manufaktur Velotraum GmbH & Co. KG in neuen Händen. Im Rahmen eines Händlertreffens am 21. Januar 2024 haben sich der neue Inhaber Axel Keller und die neue Führungsriege bereits den ausgesuchten Velotraum-Partnerhändlern vorgestellt.
Foto: Jo Beckendorff

In persönlichen Worten melden sich auch Stefan Stiener und Patricia Rose auf ihrer Velotraum-Webseite an ihre vor allem aus (Welt-)Reiseradlern bestehende Community. Wenn es jemanden in der Branche gibt, der seinen individuellen »Erlebnis á la Carte«-Velotraum privat und geschäftlich lebte – dann dieses Ehepaar.

Leben ihren Velotraum: der bisherige Velotraum-Inhaber Stefan Stiener und seine Ehefrau Patricia Rose.Foto: Velotraum

Was aber auch gilt: »Patricia und mir war es immer wichtig, zum richtigen Zeitpunkt abzugeben. Also wenn man eigentlich noch weitermachen könnte, aber in ehrlichen Momenten spürt, dass man nach 37 Jahren Unternehmer-Dasein über seinen Zenit hinaus ist.«
Nun wird in der Manufaktur-Geschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Branchen-Derwisch und WM-Trading GmbH-Geschäftsführer Axel Keller hat den Bikeanbieter vom bisherigen Inhaber Stefan Stiener für eine nicht näher genannte Summe komplett übernommen und unter sein junges Label Velobyrd gepackt.
Wichtig zu wissen: an der Firmierung, der Adresse, der Registrierung im Firmenregister/HRB Nummer, der Bankverbindung und allen anderen vitalen Daten der Gesellschaft hat sich nichts geändert.
Übergabe eines Lebenswerks
Für Stiener hat sich die Nachfolge-Frage eigenen Angaben schon gestellt, als er auf die 60 zuging. Bereits vor sechs Jahren fingen er und Rose an, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. 2019 wurde dann auch der Nachfolge-Prozess angestoßen.
Das sei allerdings einfacher gesagt als getan gewesen: »Bei Velotraum geht es nicht darum, ein Unternehmen zu verscherbeln, sondern ein Lebenswerk zu übergeben, also in die richtigen Hände zu geben. Dafür die/den Richtigen zu finden, ist alles andere als trivial, noch dazu in der Betriebsgröße von Velotraum. Zu groß und komplex für Überzeugungstäter und Idealisten, zu klein für Große und Anleger. Dazu gesellt sich die allgemeine Work-Life-Balance-Mentalität, in der sich immer weniger Menschen ein Kleinunternehmertum `zumuten´ wollen. Nicht von ungefähr steckt da das Wörtchen `Mut´ drin…«
Zunächst lief alles wie am Schnürchen. Dann kam Corona mit dem zunächst heraufbeschworenen Kollaps, der sich dann aber für die Bikebranche als Mega-Turbo entpuppte. Dem folgte in den Post-Corona-Jahren (Stichwort Überangebot) der große Katzenjammer. »Kurzum, wir sind mit unserem Nachfolge-Projekt in extrem herausfordernde Zeiten mit äußerst schwierigen Rahmenbedingungen gelandet«, schreiben Stiener und Rose dazu.
Umso glücklicher sind beide jetzt über die gefundene Lösung. Sie entspräche einer Idealvorstellung von einem »Übergeben« – oder anderes ausgedrückt: »Eine eindeutige Stabübergabe, aber auch die Möglichkeit, weiter mitwirken zu können.«
Neuer Inhaber ist langjähriger Velotraum-Geschäftspartner

Neuer Velotraum-Inhaber: Branchenkenner Axel Keller.Foto: WM-Trading/Velobyrd

Manchmal ist die Lösung eben näher als man denkt – so auch in diesem Fall. Schließlich arbeitet Velotraum schon seit Jahren mit Axel Keller und seiner WM-Trading/Velobyrd zusammen. »Mit Axel Keller nimmt ein sehr erfahrener und gut vernetzter Branchenexperte Velotraum unter seine Fittiche«, freuen sich die Velotraum-Gründer.
Überhaupt hat sich Kellers Unternehmen in den letzten Jahren stark gewandelt (siehe dazu auch RadMarkt-Ausgabe 6/2023). Standen in der Vergangenheit Produktion und Handel im Vordergrund, so sind mittlerweile auch umfangreiche Entwicklungsprojekte und technische Dienstleistungen in den Mittelpunkt gerückt. Die laufen über das WM-Trading-Label Velobyrd.
Das neue alte Velotraum-Team (alle Velotraum-Mitarbeiter bleiben an Bord!) um den neuen Inhaber Axel Keller setzt weiter auf Kontinuität Marke »Gleiches immer etwas besser machen« – oder wie es Stiener so schön in seiner langjährigen Velotraum-Philosophie formuliert: »Marken, begriffen als wertschöpfende, wertebegleitende Sinn-Systeme, reduzieren Komplexität, absorbieren Risiken, indem es ihnen gelingt, Vertrauenskapital aufzubauen
Neue Wege unter Bewahrung der Manufaktur-Wurzeln
Zum »Bessermachen« gehört laut Stiener aber auch, das Marktgeschehen zu antizipieren, neue Wege zu gehen und letztendlich die optimale Symbiose aus Bewährtem und Neuem einzugehen. So sei im bereits zusammen mit Axel Keller konzipierten 2024er-Portfolio der Manufaktur ein Work-in-Progress schon sichtbar.
In der Zukunft wird es vor allem darum gehen, das vorhandene Renommee auch für ein moderates Wachstum zu nutzen. »Ein mittelfristig angelegtes Wachstum mit Augenmaß ist unabdingbar für die Zukunft, denn darauf basiert der Spielraum für weitere Entwicklungen,« betont Stiener.
Heißt auch: Velotraum wird immer individuelle Fahrräder der Premiumklasse im Baukasten-System anbieten. Damit die Preise aber nicht im Luxussegment landen, müssen aber laut Stiener »zum Beispiel Mindestorder-Mengen erfüllbar und die Amortisierung von Innovationen gewährleistet sein«.
Wer hingegen befürchtet, dass Velotraum zum uniformen Massenprodukt wird, kennt den neuen Inhaber Axel Keller schlecht. Er wird Velotraum selbst beim Verdreifachen der Absatzzahlen als kleine und persönliche Manufaktur im Sinne des scheidenden Inhabers bewahren.

Text: Jo Beckendorff

In der Kepplerstadt Weil der Stadt im baden-württembergischen Landkreis Böblingen zu Hause: die Velotraum-Manufaktur mit Flagship-Store.Foto: Jo Beckendorff

 

 

 

 

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