Alle zwei Jahre überprüft das Bundesverkehrsministerium mit seinem »Fahrrad-Monitor« den Umsetzungsstand der selbst gesteckten Ziele des Nationalen Radverkehrsplans. Für die Branche enttäuschend: In diesem Jahr werden die Ergebnisse erstmals nicht im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert. Hintergrund: Die Entwicklungen sind ernüchternd. Folge: Der Fahrradclub ADFC kritisiert »fehlende Impulse des Bundes«.
»Es ist zum Verzweifeln«, macht ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork keinen Hehl aus seinem Frust, »die Menschen wollen Fahrrad fahren, sie kaufen immer mehr und immer teurere Räder, Fahrradfahren gehört zum neuen, modernen Lebensstil. Aber die Politik tut zu wenig dafür. Paris, London, Wien, Madrid, Ljubljana, Odense – moderne europäische Metropolen setzen massiv auf die Fahrradförderung, um Klimaprobleme in den Griff zu bekommen und die Innenstädte vom Autoverkehr zu entlasten. Nur in Deutschland fehlen mutige Impulse. Hier und da ein paar Markierungen auf die Fahrbahn zu pinseln, ist Symbolpolitik, aber keine Fahrradförderung!«
Im „Fahrrad-Monitor 2015“ fällt die Beliebtheit des Fahrrads laut Umfrage im Vergleich zu 2011 von »gut« auf »befriedigend« – das Fahrrad wird weniger häufig genutzt. 38 Prozent der Menschen fahren selten bis nie. 2011 waren es 34 Prozent. Den Satz »Radfahren macht in meiner Gemeinde Spaß« unterschrieben 2013 noch 65 Prozent der Befragten. In der aktuellen Umfrage waren es nur noch 56 Prozent.
Dazu Stork: »Der rückläufige Trend bei der Fahrradnutzung liegt nicht am Wetter oder am inneren Schweinehund der Menschen – das liegt an den widrigen Verhältnissen, mit denen sich Radfahrer in den meisten Städten herumschlagen müssen. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, verfehlt Deutschland die ohnehin nicht besonders hoch gesteckten Ziele des Nationalen Radverkehrsplans.“
Als besonders problematisch bewertet der ADFC die Rückmeldung, dass fast die Hälfte aller Befragten sich beim Radfahren nicht sicher fühlt (48 Prozent, gleichbleibend). Die genannten Gründe sind: Zu wenig Radwege (67 Prozent) und zu viel Verkehr (67 Prozent).
Deshalb fordert der Fahrradclub ein ambitioniertes Bundesprogramm zur Förderung von Radschnellwegen als Mittel zur Stauvermeidung, Planungshilfen für Kommunen – und ein klares Bekenntnis des Bundesverkehrsministers zum Fahrrad als Lösung für viele Verkehrsprobleme. »Solange Minister Dobrindt unter Verkehrspolitik ausschließlich Auto-Politik versteht, wird sich kein Bürgermeister und keine Bürgermeisterin trauen, die Schwerpunkte anders zu setzen und der aktiven Mobilität den Vorrang zu geben. Der amerikanische Verkehrsminister Foxx macht vor, dass es auch in Autonationen möglich ist, die Verkehrswende von ganz oben voranzutreiben«, legt Stock nach.
Fakt ist: Das Bundesverkehrsministerium misst im »Nationalen Radverkehrsplan 2020« der Förderung des Radverkehrs als Teil eines modernen Verkehrssystems einen hohen Stellenwert bei. Ein bundesweiter Radverkehrsanteil von 15 Prozent wird dort als anzustrebendes Ziel formuliert. Nach offiziellen Zahlen liegt Deutschland bei etwa zehn Prozent. Fahrradnationen wie die Niederlande und Dänemark zeigen mit Radverkehrsanteilen von über 30 Prozent, dass auch wesentlich ambitioniertere Ziele möglich wären.
Die aktuelle Studie »Fahrrad-Monitor 2015« ist auf den Seiten des Bundesverkehrsministeriums www.bmvi.de zu finden.
Text: Jo Beckendorff/ADFC, Foto: ADFC