Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Frankfurt am Main stellten sie jetzt die Ergebnisse vor und empfehlen eine Verstetigung der infrastrukturellen Maßnahmen ebenso wie eine aktive Einbindung der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Gewerbetreibenden in die weitere Gestaltung vor Ort.
Im Projekt werden noch weitere Umgestaltungsmaßnahmen untersucht, die Teil des Fahrradstadt-Beschlusses der Stadt Frankfurt am Main von 2019.
»Ein Hauptziel der Umgestaltung war, den motorisierten Durchgangsverkehr im Oeder Weg zu reduzieren. Wo vorher etwa 9.000 Kraftfahrzeuge und 2.000 Fahrräder am Tag unterwegs waren, sind es nun jeweils ca. 4.000. Diese Zahlen verdeutlichen die erfolgreiche Verkehrsberuhigung«, erläutert Projektleiter Dennis Knese, Professor für nachhaltige Mobilität und Radverkehr an der Frankfurt UAS. Die wissenschaftliche Begleitung umfasste u.a. Verkehrsbeobachtungen, Unfallanalysen, die Auswertung von Verkehrszählungen, Parksuchzeitermittlungen, mehrstufige quantitative Befragungen und Tiefeninterviews mit Gewerbetreibenden. »Die Forschungsergebnisse zeigen, dass wir keineswegs nur für eine sportliche, fahrradbegeisterte Minderheit planen«, meint Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert. »Denn zu einer zügigen Verkehrsberuhigung im Oeder Weg haben zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt selbst aktiv beigetragen.«
Zum Teil fanden Verlagerungen auf einzelne Seitenstraßen statt, so dass die Stadt weitere Anpassungen vorgenommen hat, z.B. die Einführung weiterer Diagonalfilter, die nur Fahrräder und Fußgängerinnen und Fußgänger durchlassen. Im gesamten Quartier seien nun weniger Fahrzeuge unterwegs, und ein Großteil dieser habe sich auf die Hauptverkehrsstraßen verlagert. Von fast 2.000 Befragten in einer quantitativen Befragung 2023 haben 44 Prozent ihr Mobilitätsverhalten nach der Umgestaltung angepasst, 69 Prozent fahren mehr Fahrrad, 55 Prozent sind häufiger zu Fuß unterwegs und 51 Prozent nutzen seltener das Auto. »Auto- und Radfahren muss also kein Widerspruch sein«, konstatiert Wolfgang Siefert. »Auch Autobesitzerinnen und -besitzer steigen gerne aufs Rad um oder gehen zu Fuß, wenn die Infrastruktur entsprechend attraktiv, komfortabel und sicher gestaltet ist.«
Weniger Unfälle
Die Befragten nahmen subjektiv eine bessere Verkehrssicherheit wahr, die sich auch in den Unfallzahlen im Untersuchungsgebiet widerspiegelt: 47 Unfälle im Jahr 2023 wurden erfasst, 2019 waren es mit 87 Unfälle noch fast doppelt so viele. Unfälle mit Radfahrenden haben trotz einer deutlichen Zunahme des Radverkehrs leicht abgenommen. Unfälle unter der Beteiligung von Fußgängerinnen oder Fußgängern wurden im Jahr 2023 keine erfasst. Aus Sicht der Befragten wirken sich insbesondere die sog. Gehwegnasen (erweiterte Seitenräume), die Sicherheitstrennstreifen zwischen Fahrbahn und parkenden Autos, die Rotmarkierung an den Kreuzungen sowie eine insgesamt übersichtlichere Aufteilung des Straßenraums positiv auf das Sicherheitsgefühl aus.
Außerdem hat sich von der ersten Befragung 2022 zur zweiten in 2023 die Wahrnehmung der Aufenthaltsqualität verbessert. Dazu tragen die neu eingerichteten Multifunktionsflächen, die Sitzgelegenheiten und Grünelemente im Seitenraum, mehr Außengastronomie sowie die Reduzierung des Verkehrslärms bei. Die umstrittenste Maßnahme ist der 2023 installierte Diagonalfilter in der Cronstettenstraße. 45 Prozent der Befragten, die die Maßnahme wahrgenommen haben, sehen in ihr eine Ursache für eine schlechtere Erreichbarkeit ihres Zielortes. Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern im direkten Umfeld der Maßnahme liegt der Wert sogar bei 69 Prozent.
Kaum Änderungen bei den Gewerbebetrieben
Von den jeweils 50 bis 60 teilnehmenden Gewerbebetrieben am Oeder Weg berichten bei den quantitativen Befragungen wie auch den Tiefeninterviews ca. zwei Drittel über keine nennenswerten Änderungen hinsichtlich ihrer Geschäftszahlen. Zehn bis 15 Gewerbetreibende beklagten gesunkene Umsätze und/oder Kundenzahlen. Auf der anderen Seite geben 103 von 231 befragten Kundinnen und Kunden an, häufiger und 97 länger im Oeder Weg unterwegs zu sein. 31 sind seltener bzw. 26 sind kürzer vor Ort. 65 geben nach eigenen Angaben mehr Geld aus, 22 weniger. Laut Knese ist dies ein Phänomen, welches mittlerweile aus diversen Studien zahlreicher Städte bekannt ist: »Viele Geschäftsinhaberinnen und -inhaber unterschätzen die Konsumkraft von Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen, und überschätzen die Anteile der Kundinnen und Kunden, die mit dem Pkw anreisen.«
»Gleichwohl zeigen unsere Untersuchungen, dass solche Umgestaltungen nicht nur Gewinner hervorbringen«, so Knese. Zielkonflikte und emotionale Diskussionen seien an der Tagesordnung. Die Betroffenen vor Ort sollten aktiv eingebunden werden, z.B. bei der Gestaltung der Multifunktionsflächen oder der Errichtung weiterer Lieferzonen, die von vielen Gewerbetreibenden gefordert werden.
Wolfgang Siefert skizziert, wie es mit dem Projekt weitergehen könnte: »Ein wesentlicher Aspekt ist die barrierefreie Umgestaltung der Knotenpunkte. Wichtig wäre uns auch die weitere Aufwertung der Gehwegbereiche und Multifunktionsstreifen inklusive Baumpflanzungen, die wir gern im Austausch mit den Betroffenen entwickeln würden.«
Die detaillierten Projektergebnisse sind nachzulesen unter:
www.relut.de