Fahrradmarkt Japan: „Nur billig“ am Ende?

Die gute Nachricht zuerst: Die vor Jahren einsetzende nach Japan rollende Import-Invasion billiger Mobilitätsräder aus China konnte 2008 erstmals eingedämmt werden. Allerdings ließ sich – und das ist die andere Seite der Medaille – auch das weitere Schrumpfen der heimischen Produktion sowie die seit 2005 anhaltend sinkende Inlandsanlieferung nicht stoppen.

Immer noch satte 8,69 Millionen Fahrräder rollten im letzten Jahr von China nach Japan. Trotzdem: Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 6,3 Prozent. „Somit konnte das nicht mehr aufzuhalten erscheinende Schritt-für-Schritt-Wachstum der Fahrradimporte von China nach Japan erstmals ausgebremst werden,“ erklärt uns Yuji Watanabe vom Japan Bicycle Promotion Institute (kurz JBPI) in Tokio. Mit obigen Wert hält China immer noch einen mehrheitlich erdrückenden Marktanteil von 96,2 Prozent an den ins Land der aufgehenden Sonne rollenden Fahrradimporte 2008 in seinen Händen. Wobei anzumerken ist, daß viele Japan-Anbieter über Joint-Ventures in China produzieren lassen. Es handelt sich also nicht ausschließlich um chinesische Produzenten, die Nippon mit Billig-Bikes zuschüttet.

Wenn man diesen Billigrädern noch etwas Positives abgewinnen will, dann die Tatsache, daß deren Wert trotz rückläufiger Stückzahlen im Jahr 2008 gegenüber 2007 um 4,5 Prozent gestiegen ist. Der Durchschnittspreis eines aus China nach Japan rollenden Fahrrads lag demnach bei 7.803 JPY (ca. 59 Euro!!!).

Hier scheinen endlich die Bemühungen der Japan Bicycle Association (kurz JBA) zu greifen, die seit einigen Jahren mit einigen Standards und Testüberprüfungen versuchen, echten „Billigschrott“ vom günstigen Alltagsrad zu unterscheiden. Allen Nippon-Branchenkennern haben sich die erschreckenden Crashtests von Billigbikes, die vor vielen Jahren erstmals im Auftrag von JBA durchgeführt wurden und bis zu kollektiven Rahmenbrüchen führten, eingebrannt.

„Spenden-Exporte“
Die Exporte aus Japan beruhen wiederum ausschließlich auf Zahlenmaterial der Polizei. Sie horten falsch geparkte Fahrräder in Sammelstellen, wo man sie gegen Gebühr wieder auslösen kann. Nur: Wenn die Auslöse in einem Land, in dem man ein Billig-Bike schon für 35 Euro beim brachenfremden Massenanbieter um die Ecke kaufen kann, höher ist, fällt vielen Japanern die Entscheidung nicht schwer, auf diese „Wegwerf-Bikes“ (O-Ton Yoshi Shimano) zu verzichten.

Japan entsorgt diese Bikes dann als Spende deklariert in die sogenannte „Dritte Welt“. Im letzten Jahr waren das immerhin 2,28 Millionen Einheiten, die auf diese Weise via Container in benachbarten Ländern Asiens sowie Afrika landeten. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 8,9 Prozent. Kurzer Rückblick: 2004 waren es „nur“ 1 Millionen Bikes, die auf diese Weise aus Japan heraus in die „Dritte Welt“ entsorgt wurden. Wir haben diese Art von Exporten jedenfalls nicht in unsere Statistik aufgenommen (s. Tabelle 1).

Nippon-Produktion
Seitdem Taiwan vor etwa 30 Jahren das Heft in Sachen internationaler Fahrradproduktion in die Hand genommen hat, ist es mit der einst großen Japan-Produktion ein Trauerspiel. Der Downhill scheint nicht aufzuhalten zu sein. 2008 waren es gerade einmal 110.000 Einheiten Made in Japan. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 3,5 Prozent. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Zahl unter die Marke von einer Millionen Einheiten fällt. Vielleicht schon 2009?

Auch hier ein Blick zurück: 1999 wurden im Land der aufgehenden Sonne noch 559.000 Fahrräder produziert (erst gar nicht zu sprechen von den Hochzeiten der Nippon-Bikeindustrie…).

Inlandsanlieferung
Mit den sinkenden Importen und der rückläufigen heimischen Produktion sowie den zwar steigenden aber aus oben genannten Gründen nicht in unsere Kalkulation mit einbezogenen Exporten im Rücken rollte natürlich auch die Inlandsanlieferung (= Heimische Produktion plus Importe minus Exporte) leicht bergab. Sie schaffte es 2008 auf 1,013 Millionen Einheiten. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 5,7 Prozent.

E-Bikes/Pedelecs
Ein Thema, das in der allgemeinen Fahrradstatistik nicht genannt wird, sind E-Bikes – wobei es sich ausschließlich um Pedelecs handelt. Während sie in der Pedelec-Nation Japan noch im Jahr 2007 gegenüber 2006 um 5,1 Prozent zulegen konnten, surrten sie im letztern Jahr gegenüber 2007 gerade aus weiter (Minus 0,2 Prozent). Insgesamt wurden 2008 laut vorliegender Statistik in Japan 247.475 Pedelecs verkauft. Das Gute daran: Der durchschnittliche VK-Preis stieg gegenüber dem Vorjahr um 7,9 Prozent auf nunmehr 54.799 JPY (= ca. 413 Euro).

Lichtblick Bike sportiv
Kleiner Lichtblick am Rande: Bei einer Reise durch Japan ist uns aufgefallen, daß das Hochpreis-Segment vor einem Revival stehen könnte. Das liegt vor allem an einem steigenden Interesse am Thema Fahrrad mit Blick auf Sport und Wellness. Dieser Trend könnte dem Billigberger-Segment im Bereich Mobilitätsrad auf lange Sicht gesehen vielleicht auch einen Push nach oben geben. Nippons auf sportliche Premiummarken setzender Fahrrad-Fachhandel erlebt jedenfalls derzeit einen kleinen Aufschwung. Den hat er – geschrumpft auf ein paar „letzte Mohikaner“ (Anmerkung des RadMarkts: Wir sprechen hier ausschließlich von Fachhändlern mit sportlichen – zumeist internationalen – Premiummarken!) – auch sicherlich nötig.

Zudem rollen einige der in einigen Ländern Fernosts so beliebten Falt- und Miniräder Richtung Markenimage und High-end. Mit Blick auf hochwertige Minibikes wird in Abgrenzung gegenüber Billigmodellen auch gerne international von „der neuen Kompaktrad-Klasse“ gesprochen. Dabei handelt es sich zumeist um nicht faltbare Fahrräder mit Reifengröße 16 bis 20 Zoll. Hier liegt ein Potential, das noch nicht ausgeschöpft scheint – und vielleicht irgendwann auch einmal in Europas Ballungsgebieten zum Thema werden könnte.

– Jo Beckendorff –

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