Das waren rund 13.500 oder 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei sind nach vorläufigen Werten 470 Fahrradfahrende ums Leben gekommen (plus 26 Prozent) und 15.925 schwer verletzt worden. Bei den Getöteten ist das der höchste Wert seit dem Jahr 2006.
Einen noch stärkeren Anstieg gab es bei E-Scooter-Unfällen mit Personenschaden. Die Statistikbehörde verzeichnete 8.260 Unfälle mit E-Scootern im Jahr 2022, ein Zuwachs von 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Unfällen sind 10 E-Scooter-Fahrende getötet (eine Verdopplung) und 1.090 schwer verletzt worden.
„Die Radverkehrsinfrastruktur muss dringend ausgebaut werden, um Zweiradfahrende besser zu schützen“, sagt Marc-Philipp Waschke, Experte für Verkehrssicherheit beim TÜV-Verband. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei die angekündigte Reform des Straßenverkehrsrechts in Deutschland. Waschke: „Die Kommunen brauchen mehr eigene Zuständigkeiten und Kompetenzen, um den Straßenverkehr zu entflechten, bei Bedarf zu verlangsamen und ein flüssiges und sicheres Nebeneinander verschiedener Fortbewegungsformen zu ermöglichen.“
Besonders besorgniserregend sind aus Sicht des TÜV-Verbands die stark steigenden Unfallzahlen mit Pedelecs. So waren von den 470 im Jahr 2022 tödlich verunglückten Radfahrenden 206 mit einem Pedelec unterwegs. Das entspricht einem Anteil von 44 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der getöteten Pedelec-Fahrenden um 57 Prozent angestiegen.
„Räder und E-Scooter brauchen für mehr Sicherheit mehr Straßenfläche“, sagt Waschke. Durchgängige Radverkehrsnetze in Ballungszentren und Radschnellwege im ländlichen Raum könnten mehr direkte Verbindungen schaffen und somit einen sicheren Radverkehr fördern. Auch ausreichend gute und sichere Abstellanlagen seien vielerorts Mangelware. Das komme letztlich auch dem Fußverkehr zu Gute.
E-Scooter-Verbot der falsche Weg
Von einer besseren Fahrradinfrastruktur profitieren auch E-Scooter-Fahrende, da sie Radwege benutzen müssen. „Bei der Mobilitätswende im urbanen Raum haben E-Sooter ihren festen Platz“, sagt Waschke. Aus Sicht des TÜV-Verbands bedarf es jedoch primär in Ballungsräumen einer besseren Verteilung des öffentlichen Raums. „Für eine Mobilitätswende in urbanen Gebieten braucht es eine sichere Infrastruktur für alle. Insbesondere der zunehmende Zweiradverkehr mit ‚normalen‘ Fahrrädern und elektrisch angetriebenen Pedelecs, Lastenrädern und E-Scootern muss weiter gefördert werden“, sagt Waschke.
Das Verbot von E-Scooter-Angeboten in Städten sei die falsche Antwort auf die steigende Beliebtheit dieser Fahrzeuge. Mehr Akzeptanz und Vertrauen würden europaweit einheitliche Vorschriften schaffen, die grundlegende Anforderungen an die technische Sicherheit und die jeweiligen Straßenverkehrsordnungen in den EU-Mitgliedsstaaten stellen.
Gleichzeitig fordert der TÜV-Verband die Einhaltung und Überwachung der Verkehrsregeln im Zweiradverkehr. „Nicht wenige Radfahrende halten sich nicht an grundlegende Verkehrsregeln, überfahren Ampeln bei Rot oder fahren mit hoher Geschwindigkeit auf Gehwegen und gefährden damit Zufußgehende“, sagt Waschke.
E-Scooter-Fahrende sind häufig unerlaubt auf Bürgersteigen, zu zweit oder alkoholisiert unterwegs. Im Jahr 2021 war bei fast jedem fünften Unfall mit Elektrorollern Alkohol im Spiel (18,1 Prozent). „Die polizeiliche Verkehrsüberwachung darf angesichts des steigenden Verkaufsaufkommens nicht vernachlässigt werden“, sagt Waschke. Die personellen Kapazitäten für diesen Kernbereich der Polizeiarbeit müssten erhöht werden, um aggressives Fahrverhalten, Falschfahrten sowie Alkohol- und Drogenverstöße im Sinne der Verkehrssicherheit zu ahnden.