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Fraunhofer ISI und ADFC: Deutschland könnte Radverkehr bis 2035 verdreifachen
Bei Wegen bis 30 Kilometer Länge könnte Deutschland den Radverkehrsanteil bis 2035 verdreifachen. Damit ließen sich die Verkehrsemissionen im Nahbereich um 34 Prozent zu reduzieren und 19 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich einsparen. Voraussetzung wäre, dass Radwege ausgebaut, Schnittstellen mit Bus und Bahn geschaffen und die Kommunen fahrradfreundlich mit kurzen Wegen gestaltet werden. Das zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, die der Fahrradclub ADFC in Auftrag gegeben und heute in Berlin vorgestellt hat.
Mit Infrastruktur, guten Verknüpfungspunkten und kurzen Wegen ließe sich der Radverkehrsanteil an Wegen unter 30 Kilometern verdreifachen, bilanziert das Fraunhofer ISI im Auftrag des ADFC.Foto: ADFC

Die zentralen Studienergebnisse sind:

  • Eine Verdreifachung des Fahrradanteils am Gesamtverkehr von aktuell 13 Prozent auf 45 Prozent ist möglich
  • Das größte Potenzial liegt in Regiopolen (63 Prozent), aber auch auf dem Land ist eine Verdreifachung möglich
  • Gegenüber der Fortführung aktueller Verkehrspolitik wäre eine Einsparung von 19 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr möglich – das entspricht 34 Prozent der Emissionen im Personenverkehr

Die Ergebnisse gelten für den Zeithorizont 2035 und alle Wege im Personenverkehr bis 30 km.

Die Forschungsgruppe hat die Potenziale des Radverkehrs im Rahmen eines Leitbilds »Fahrradland Deutschland« mit drei Ausbaustufen berechnet.

Diese Ausbaustufen für die volle Potenzialentfaltung liegen den Berechnungen zugrunde:

  • Einladende Radinfrastruktur:
    Verdreifachung und Verbesserung der Radwege – vom Autoverkehr getrennt und geschützt, in dichten, lückenlosen Netzen, sicher und komfortabel
  • Gute Schnittstellen zu Bus und Bahn:
    Bahnhöfe und Haltestellen sind gut mit dem Fahrrad erreichbar und verfügen über moderne Fahrradparkplätze – besonders im ländlichen Raum
  • Fahrradfreundliche Kommunen:
    Städte und Gemeinden schaffen kurze Wege und fahrradfreundliche Bedingungen durch verbesserte Nahversorgung, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit und Umgestaltung von Parkraum.
Das geschätzte Einsparpotenzial für CO2 durch den verdreifachten Radverkehrsanteil liegt bei 19 Millionen Tonnen.Foto: ADFC

»Weiter-wie-bisher« reicht nicht aus

Die Forschungsgruppe des Fraunhofer ISI hält fest, dass das volle Potenzial des Radverkehrs für den Klimaschutz nicht ausgenutzt werde, wenn die aktuelle Verkehrspolitik nur fortgeführt würde. Bei Beibehaltung des derzeitigen Kurses schätzen die Forscherinnen und Forscher, würde sich der Radverkehrsanteil im Nahbereich bis 2035 lediglich von 13 auf 15 Prozent erhöhen. Würden aber alle berechneten Maßnahmen umgesetzt, kann der Anteil auf 45 Prozent steigen. Städte wie Münster, Oldenburg, Utrecht, Antwerpen und Amsterdam zeigten, dass dies eine realistische Größenordnung ist.

Dr. Claus Doll, Projektleiter des Fraunhofer ISI: »Klassische Prognosen unterschätzen die Potenziale des Radverkehrs bislang massiv, weil sie die besonderen Anforderungen dieser Verkehrsart nicht ausreichend berücksichtigen. Wir haben in den für den ADFC erstellten Potenzialabschätzungen erstmals entscheidende Faktoren wie die Kontinuität und Dichte des Radwegenetzes, das Sicherheitsempfinden im Verkehr, die Verknüpfung des Radverkehrs mit Bus und Bahn sowie die Gestaltung der Wegelängen in einer Gemeinde in die Analyse einbezogen – und sind zu viel treffenderen Potenzialen gekommen. Ein Ergebnis daraus ist: Bei entsprechender politischer Ambition, ausreichenden Ressourcen und dem Abbau überflüssiger Bürokratie ist eine Verdreifachung des Radverkehrsanteils möglich. Voraussetzung dafür ist die vollständige Umsetzung der politischen Maßnahmen, die wir unseren Berechnungen zugrunde gelegt haben.«

ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat: »Wir sind froh, nun den wissenschaftlichen Nachweis dafür zu haben, dass unsere These stimmt. Deutschland kann bis 2035 ein weltweit führendes ‚Fahrradland-Plus‘ werden, in dem die Menschen gerne und sicher fast die Hälfte der alltäglichen Wege auf dem Rad zurücklegen. Es ist erwiesen, dass das Fahrrad enormes Potenzial zur Verbesserung der Klimabilanz hat, da es ein Drittel der Verkehrsemissionen im Nahbereich einsparen kann. Voraussetzung ist, dass die Verkehrspolitik den ambitionslosen ‚Weiter wie bisher‘-Kurs verlässt und leistungsfähige Radwegenetze baut, eine hervorragende Verknüpfung von Rad und Bahn fördert und Kommunen mit kurzen Wegen und angepasstem Verkehrstempo schafft. Wenn es Deutschland mit den Klimazielen und hoher Lebensqualität ernst meint, muss das Fahrrad der neue Goldstandard für die alltägliche Mobilität sein – und mit neuem politischen Elan gefördert werden.«

Verkehrswende muss schneller auf die Straße

Masurat fordert: »Die Verkehrswende muss schneller als bisher auf die Straße kommen. Die Umsetzung des ‚Fahrradland-Plus‘ ist dafür der günstigste und effizienteste Weg.«

Konkret fordert der ADFC:

  • politischen Mut und Umsetzungswillen zum schnellen Ausbau durchgängiger, sicherer, einladender Radinfrastruktur in allen deutschen Kommunen,
  • den Nationalen Radverkehrsplan zu einem ambitionierten Aktionsplan für das Fahrradland-Plus weiterzuentwickeln,
  • bis spätestens 2035 bundesweit lückenlose Radwegenetze zu schaffen und dafür die Mittel in Bund, Ländern und Kommunen aufzustocken und langfristig zu sichern,
  • die fahrradfreundliche Modernisierung des Straßenverkehrsrechts (StVG und StVO) und der technischen Regelwerke umzusetzen
  • Mobilitätsgesetze auf Länderebene zu verabschieden, um Kommunen zum Ausbau der Radwegenetze zu verpflichten

Die Potenzialanalyse hat der ADFC in Auftrag gegeben, weil seiner Meinung nach die üblichen Verkehrsprognosen den Radverkehr unterschätzen, da sie die weichen Faktoren der Verkehrsmittelwahl wie Qualität der Infrastruktur, Stressfreiheit oder Sicherheitsgefühl nicht berücksichtigen.
Während die Bundesregierung im Nationalen Radverkehrsplan das Zieljahr 2030 anvisiert, in dem Deutschland ein attraktives »Fahrradland« sein soll, wählt das Fraunhofer ISI in seiner Studie einen längeren Zeithorizont. Denn die Umsetzung des flächendeckenden Radwegeausbaus, die Verbesserung der Schnittstellen zu Bus und Bahn und die fahrradfreundliche Umgestaltung der Städte braucht nach Ansicht der Forschungsgruppe Zeit bis 2035. Den Bezugsrahmen der Studie bildet der landgebundene Personenverkehr im Entfernungsbereich bis 30 Kilometer, da der Radverkehr im Wesentlichen im Nahbereich stattfindet.

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