Die am 6. Januar angemeldete Insolvenz des deutsch-österreichischen E-Bike-Newcomers Freygeist Lightweight E-Bikes GmbH veranlasste letzten Freitag (13. Januar) die Süddeutsche Zeitung (SZ), in ihrem Wirtschaftsteil einen generellen Bericht zum Thema Crowdfunding zu veröffentlichen. Überschrift: »Das Crowd-Kasino«.
Hintergrund: Die Insolvenz des »schwarminvestierten« Start-Up-Unternehmens Freygeist könnte sich zur bisher größten Crowdfunding-Pleite Deutschlands entwickeln (und laut SZ zur zweiten Crowdfunding-Millioneninsolvenz innerhalb kürzester Zeit). Wie der RadMarkt bereits berichtet hatte, konnte das hinter Freygeist stehende Trio im Jahr 2015 innerhalb von nur 100 Tagen bei 1.107 (Klein-)Investoren eine Summe von an die 1,5 Millionen Euro einsammeln. Das Crowdfunding des aus Wien stammenden Gründertrios lief über die Berliner Crowdfunding-Plattform Companisto GmbH.
Auch wenn auf der Companisto-Webseite im Zusammenhang mit einem Schwarminvestment immer wieder der Begriff »Risikokapital« fällt: So ganz scheint vielen Privatinvestoren nicht klar zu sein, in was sie Ihr Geld stecken – und vor allem: Dass es zu einem Totalverlust kommen kann.
Im besagten SZ-Bericht wird darauf hingewiesen, dass das vor gut fünf Jahren angelaufene Crowdfunding viele begeistert: »Crowinvestments sollten die Start-Up-Welt demokratisieren, die lange Zeit nur Großinvestoren offenstand. Nun sollten auch private Anleger von dem plötzlichen Reichtum erfolgreicher Gründer profitieren können. So wie jene, die sich in einer frühen Phase Anteile an Facebook oder Google gesichert haben und dadurch zu Millionären wurden. Zu erzählen, wie sie die Welt revolutionieren werden und wie David gegen Goliath gewinnen kann, darin sind viele Gründer besonders gut.«
Fakt sei: Bei Start-Ups ist die Gefahr der Insolvenz viel größer als bei etablierten Konzernen. »Häufig ist das Geschäftsmodell nicht ausgereift, allzu oft gibt es zwischen den unerfahrenen Chefs Streit, so wie offenbar beim Fahrrad-Start-Up Freygeist«, heißt es in der SZ. So würden professionelle Investoren davon ausgehen, dass »von zehn Start-Ups zwischen sechs und acht pleitegehen«.
Fakt ist laut SZ auch, dass die Crowdinvestment-Branche statt über die Freygeist-Pleite lieber über positiv ausgehende Fälle – wie zum Beispiel über den erfolgreichen Berliner Start-Up »5 Cups and some sugar« – berichten. Der hatte bereits 2013 auch über die Crowdfunding-Plattform Companisto 300.000 Euro eingesammelt. Die Macher von »5 Cups and some sugar« konnten genügend Investoren von ihrer Idee einer Teesorten-Mischung auf Kundenwunsch überzeugen. »2015 kaufte das Start-Up die Crowd-Anteile für rund 450.000 Euro von den Anlegern zurück. Die Kleinsparer erzielten so einen Gewinn von rund 50 Prozent«, heißt es in der SZ.
Nur: Solche Fälle seien die Ausnahme. Das unter einem Kasino-Bild zusammengefasste SZ-Fazit: »In diesem Londoner Kasino lässt sich das Geld zumindest in angenehmer Atmosphäre verzocken. Crowdfunding dagegen läuft virtuell im Internet ab – vom Prinzip her ähnelt es manchmal dem eines Kasinos.
Nichtsdestotrotz liegt das Volumen erfolgreich finanzierter abgeschlossener Crowdinvest-Projekte 2016 bei vorläufig geschätzten 63,4 Millionen Euro (Quelle: Crowdfunding.de). Laut einer vom Bundesfinanzministerium veranlassten Studie könnte dieser Markt in den nächsten Jahrzehnten auf 1 Milliarde Euro anwachsen.
Dazu beitragen werden sicherlich auch erste Crowdfunding-Aktivitäten der Banken. So kreierte bereits die Commerzbank als erste Großbank im letzten Jahr mit »Main Funders« eine eigene nicht öffentliche Crowdlending-Plattform. Laut dem von Crowdfunding.de zusammen gestellten Crowdfunding-Jahresrückblick 2016 wird auch die größte deutsche Nachhaltigkeitsbank GLS Bank aus Bochum im März eine eigene Crowdinvesting-Plattform unter einem noch nicht bekannt gegebenen Namen launchen.
Dazu Crowdfunding.de: »Der Markteintritt etablierter Finanzmarkt-Player bringt zusätzliches Know-How in den Markt. Durch die bestehende Kundenbasis der Banken besteht die Chance auf deutliches Marktwachstum.«
Text: Jo Beckendorff, Abb.: 1x Crowdfunding.de, 1x Companisto GmbH