Die Themen Lieferfähigkeit und Kostensteigerung in China beschäftigen weiterhin die Branche (siehe auch RadMarkt 2/07). Aufgrund des Ende Januar einsetzenden überraschend harten Wintereinbruchs zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – nämlich zum Chinesischen Neujahrsfest – könnten sich eventuell einige Lieferungen aus China weiter nach hinten verschieben, befürchten jetzt erste Branchenkenner. Hier die Hintergründe.
Das Chinesische Neujahrsfest führt jährlich zur größten Völkerwanderung der Welt. So auch zu Beginn des Neujahrsfestes 4706 (nach chinesischer Zeitrechnung = 2008 nach christlicher Zeitrechnung). Das „Jahr der Ratte“ wurde am 7. Februar eingeläutet. Das dem Neujahrsfest folgende Frühjahrfestival dauert 15 Tage und wird traditionell mit Heimatbesuchen und im engsten Familienkreis gefeiert.
Nun setzte kurz vor Beginn des Neujahrsfestes 4706 ein Wintereinbruch mit Schneechaos ein, den es chinesischen Quellen zufolge so seit 50 Jahren nicht mehr gegeben haben soll. Kurz darauf machten sich chinesische Arbeiter Richtung Urlaub auf. Besonders der Küstenstreifen des Landes – die Heimat der „Weltfabrik China“ – leidet dann immer wieder unter dem einsetzenden Verkehrschaos. Hier arbeiten viele Arbeiter aus dem Innern des Landes, die in den boomenden Ballungsgebieten an der Küste Arbeit gefunden haben und jetzt nach Hause wollen.
Das durch den Schnee verstärkte diesjährige Chaos auf den Straßen sowie geschlossene Flughäfen führten dazu, daß alleine in der Wirtschaftsregion Guangdong (gleich neben Hongkong liegend) eine halbe Millionen Menschen den Bahnhof der Hauptstadt Guangzhou blockierten und dort tagelang feststeckten. Etwaige Panikhandlungen Verzweifelter mußten von der Polizei in Schach gehalten werden. Landesweit ging gar nichts mehr.
Guangdong ist auch Heimat vieler Fahrradproduzenten. Anbieter wie Dahon, Ideal, Kinesis und Sanfa haben hier ihre Fabriken. Wie von diesen Anbietern zu erfahren ist, wären weniger „irgendwelche durch den Schnee verursachte Schäden wie im Inland“ das Problem, wo viele Dächer und Gebäude unter den Schneemassen zusammenbrachen. Aber auch das hat es hier und da an der Küste gegeben, wie die uns vorliegenden Bilder betroffener Fahrradfabriken aus den Wirtschaftsregionen der Küste belegen (siehe auch in einer der kommenden RadMarkt-Ausgaben).
Das Schneechaos habe eher dazu geführt, daß „unsere Arbeiter verspätet in den Neujahrsurlaub aufbrechen konnten und verspätet wiederkommen“. Zudem bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzuwarten, wie das aktuelle Verkehrschaos mit feststeckenden Lastwagen und Transporten im Inland sich im nachhinein auf die „Weltfabrik“ an der Küste auswirken wird. Man werde aber alles daransetzen, es aufgrund der „weißen Gefahr“ nicht zu weiteren Lieferverzögerungen kommen zu lassen.
– Jo Beckendorff –