Schon zwei Mal – 2012 und 2014 – hatte der RadMarkt-Redakteur Nippon-Bootsbauer Sueshiro Sano und seinen Ein-Mann-Betrieb Sano Magic in Koto – dem traditionellen Sitz der japanischen Holzindustrie südöstlich von Tokio – persönlich besucht. Bekannt wurde das Unternehmen mit dem Bau leichter – und vor allem fahrbarer – Rennräder aus Mahagoni-Holz. Nach großem Medieninteresse aus dem Ausland sind jetzt auch heimische Medien auf „den letzten Mohikaner“ aufmerksam geworden. Was auch an seinem neuen Geschäftsfeld Lautsprecher-Boxen liegt (im Bild Sueshiro Sano mit kleinen Sample Box-Paaren aus von links nach rechts: Mahagoni-, Fichten- und Walnuss-Holz). So gibt es zum Beispiel jetzt jeden Samstagnachmittag einen Tag der offenen Tür. Der wird von heimischen Musikliebhabern geschätzt.
Sueshiro Sano ist der letzte einer alten Nippon-Zunft. Seine zwei Töchter werden den Betrieb nicht übernehmen. Der Handwerker vertritt die neunte Generation einer 230 Jahre alten und in Koto ansässigen Bootsbauer-Familie.
Bei unserem letzten Firmenbesuch hatte Sano erklärt, sich ein zweites Geschäftsstandbein aufgebaut zu haben. Die Grundstückspreise waren derart gestiegen, dass er kaum noch die Miete für seine Werkstatt zahlen konnte. So kam er auf den Lautsprecherbau. Dabei setzt er – wie bei seinen Hand-Made-Rennrädern auch – auf einen Vorrat gut abgelagertes Mahagoni-Holz, dass sein Vater und er vor Jahren für ihren traditionellen Bootsbau angelegt hatten.
Fahrradbau
Sano hat sich immer schon zu helfen gewusst. Als das Geschäft mit Holzyachten, auf das er sich im Laufe der Jahre spezialisiert hatte, von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 komplett ausgebremst wurde, stellte er auf Fahrräder um. Jahresproduktion: Vier handgemachte Sano-Magic-Renner aus Mahagoni – in Leichtbauweise wohlgemerkt. Dazu Sano: „Ich sitze genau drei Monate an so einem Fahrrad.“ Preis: Ohne Steuern 2 bis 2,3 Millionen JPY (bei aktuellem Wechselkurs circa 16.500 – 19.000 Euro). Bei unserem letzten Besuch in 2014 war die Fahrradproduktion bis 2017 ausbucht.
Warum stellt er dann nicht – um die Nachfrage schneller zu befriedigen – niemanden ein? Sano lächelt: »Heute ist es unmöglich, jemanden zu finden, der die filigrane traditionelle Handwerkskunst lernen will – und vor allem die Geduld dazu aufbringt. Das geht nicht alles von jetzt auf gleich. Bisher habe ich da sehr wenige Anfragen.“ Ein anderer Punkt ist, dass er einen Auszubildenden gar nicht bezahlen könnte. Der Preis eines 7,8 Kilogramm leichten Mahagoni-Flitzers mag hoch sein. Bei einer Jahresproduktion von vier Modellen relativiert sich das aber.
Lautsprecher-Boxenbau
Um weiter überleben zu können, suchte der findige Handwerker ein anderes Produkt, das ihn erstens (wie Rennräder auch) selbst interessiert – und zweitens weniger aufwendig zu verarbeiten ist wie seine handgefertigten Flitzer. So kam er auf Lautsprecher-Boxen aus Mahagoni. Die hochwertigen Modelle kosten fast so viel wie ein Sano-Fahrrad, sind aber laut Sano »mit weitaus weniger zeitintensiver Filigranarbeit herzustellen«.
Mehr Loud-Speaker, weniger Bikes
Nachteil: Der Lautsprecher-Box- geht auf Kosten des Fahrrad-Baus. Bei unserem letzten Besuch mussten Sano-Radfans bereits die bittere Pille schlucken, dass nur noch drei anstelle von vier Flitzern pro Jahr gebaut wurden.
Bei unserem diesjährigen Besuch informierte uns der ausgebildete Bootsbauer, dass er wegen der erhöhten Nachfrage nach Lautsprecher-Boxen nur noch jährlich zwei handgefertigte Rennräder produzieren würde. Heißt auch: Sano Magics Bikeproduktion ist jetzt »leider bis 2021 ausgebucht«.
Dafür hat das Geschäft mit den Mahagoni-Lautsprechern einiges bei Sano Magic verändert. Lange hat der Meister an deren Form herumgetüftelt. So will er auch den Sound verbessert haben.
Tag der offenen Tür
Die heimische Berichterstattung über sein neues Geschäft sowie erste Kundenbesuche bekannter Orchestermusiker haben irgendwann dazu geführt, dass nun »jeden Samstagnachmittag in der Sano-Magic Zentrale in Koto ein Tag der offenen Tür stattfindet, an dem sich zahlreiche Musikliebhaber einfinden. Die wollen einfach Musik hören«. Man sitze in der Werkstatt zusammen, trinke Tee – und höre Musik. Ab und an komme man dann auch auf die Sano-Renner zu sprechen.
Jeden Samstag – wenn die zahlreichen Holzanbieter der Nachbarschaft ihre Läden geschlossen haben – erhebt sich in einem Teil des alten Holzindustrie-Viertel Koto in der Mittagszeit ein weicher Klangteppich. Interessierte Japaner pilgern in die nicht weit vom Bahnhof Shin-Kiba gelegene Sano Magic-Werkstatt, setzen sich auf einen Schemel – und hören die unterschiedlichste Musik aus den von Sano in unterschiedlichen Formen gebauten großen und kleinen Mahagoni-Loud-Speaker.
Der Meister schätzt diese durch Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt gewordenen Magic Sano-Samstagnachmittage: »Manchmal muss ich sogar Kunden bitten zu gehen. Wir sitzen hier manchmal bis 21 Uhr. Das ist überhaupt nur machbar, weil die Nachbarschaft an diesem Tag geschlossen hat und wir in diesem Holzindustrie-Gebiet niemanden stören.«
Das Lautsprecherboxen-Geschäft
Mit der steigenden Zahl von »Samstags-Hörern« hat sich Sueshiro Sano auch Gedanken über sein zukünftiges Geschäft gemacht. Die teuersten Lautsprecher-Modelle liegen bei 1,65 Millionen JPY (ca. 13.600 Euro), die günstigsten bei 1,2 Millionen JPY (9.900 Euro): «In letzter Zeit tüftele ich vor allem an bezahlbaren kleineren Einstiegsmodellen. Ich habe hier Samstags viele Kunde, die vielleicht bereit wären, in größere Mahagoni-Boxen zu investieren, dafür aber nicht den Platz haben.« Zudem mache es keinen Sinn, in einem kleinen Wohnzimmer irgendwo in Downtown Tokio große Boxen aufzustellen, mit denen man sogar kleine Konzertsäle bestens beschallen könnte.
Aus diesem Grund hat er auch einige Musterstücke aus verschiedenen Hölzern gebaut. Bei unserem Besuch stehen neben kleinen bezahlbaren Lautsprecher-Boxen aus Mahagoni, die in der kleinsten Nippon-Wohnung für beste Klangerlebnisse sorgen, auch welche aus Walnuss- und Fichtenholz: »Nur so kann ich vergleichen und weiter forschen.«
Groteske Rennrad-Angebote
Die durch das Boxengeschäft ausdehnte Wartezeit für seinen Custom-Made-Rennrad-Bau führt mittlerweile zu grotesken Anfragen. »Letztens schaute ein Chinese vorbei, der im Namen seines Chefs – einem Fahrradsammler – unbedingt jetzt und gleich einen Sano-Renner kaufen sollte. ‘Und wenn er keines auf Lager hat, kauf’ ihm eines seiner Modelle ab. Ich weiß, dass er zwei Bikes sein Eigentum nennt’, hatte im sein Chef aufgetragen. Der Preis schien egal«, erklärt Sano, »’wenn Dir das nicht reicht – wir zahlen mehr’, bekam ich während unserer Diskussion immer wieder zu hören. Der wollte 10 Millionen JPY – also das Fünffache meines aktuellen Preises – auf den Tisch legen. Und einfach nicht verstehen, dass ich das nicht mache. Ich mag das einfach nicht!«
Er sei ein Zimmermann aus einer traditionellen Bootsbau-Familie: »Ich hasse diese Eile. Was gut ist, braucht Zeit. Geld mag wichtig sein, ist aber nicht alles. Außerdem habe ich auch meinen Stolz. Das sollte man respektieren.«
Mehr Info unter http://sanomagic.world.coocan.jp/englishindex.html.
Text/Fotos: Jo Beckendorff