Erst gab es eine Helmpflicht für schnelle Pedelecs, dann gab es kurze Zeit Zweifel daran, jetzt ist klar: Ja, die Helmpflicht gilt. Und das muss der Händler wissen. Aber der Reihe nach.
Ausgangspunkt ist die Drucksache 17/9110 des Deutschen Bundestags. Sie enthält eine Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Sören Bartol, Petra Ernstberger sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD (Drucksache 17/8929) zum Stellenwert des Fahrradverkehrs für die Bundesregierung, und zwar als elektronische Vorabfassung. Dort heißt es unter Punkt 29:
»Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, eine Versicherungspflicht und eine Helmpflicht für E-Bikes einzuführen, die mehr als 25 km/h Geschwindigkeit erreichen?«
Antwort der Bundesregierung: »Da es sich bei den in Rede stehenden E-Bikes um Kleinkrafträder und damit um Kraftfahrzeuge handelt, besteht eine Versicherungspflicht gemäß § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes bereits jetzt. Diese ist zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden auch nicht entbehrlich.
Die Helmtragepflicht ist in § 21a Absatz 2 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung geregelt. Danach muss derjenige, der Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf ihnen mitfährt, während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen. Es besteht damit auch für diese E-Bikes eine Helmpflicht.«
Diese Antwort wurde von den Medien breit wiedergegeben in dem Tenor, dass die Bundesregierung klargestellt habe, dass man die »Schnellen« nur mit Helm benutzen dürfe – und der Fahrradhelm dafür nicht genüge. So schreibt die Süddeutsche Zeitung am 14. April: »Es gilt schon immer die für Fahrer von leistungsstarken Elektrofahrrädern die Helmpflicht – und ein üblicher Fahrradhelm reicht dabei nicht, es muss ein ‚geeigneter Schutzhelm’ sein, wie ihn beispielsweise Mopedfahrer tragen.«
Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweiradindustrieverbands (ZIV), konnte sich dieser Sichtweise zunächst nicht anschließen, denn in der Auskunft der Bundesregierung wurde auf die »bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit« abgestellt. Diese wird bisher eigentlich als die maximale Geschwindigkeit definiert, die nur durch Motorkraft allein erreichbar ist. Bei den bisher auf dem Markt mit Betriebserlaubnis erschienenen Pedelecs ist diese Geschwindigkeit auf 20 km/h beschränkt und wird beispielsweise durch einen Gasdrehgriff erreicht. Dass der Motor oberhalb dieser Grenze beim Mittreten des Fahrers bis maximal 45 km/h weiter unterstützt, wäre demnach nicht maßgeblich gewesen.
Da dem ZIV dann aber eine Klarstellung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung avisiert wurde, fragte der Radmarkt nach und erhielt von dem Ministeriumssprecher Dr. Matthias Schmoll folgende verbindliche Auskunft:
»Entscheidend ist die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit des jeweiligen Fahrzeuges (§ 21a StVO). Derzeit ist die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit anhand der dazu verbindlich von den Mitgliedstaaten anzuwendenden Vorschriften (Richtlinie 2002/24/EG) nur für rein durch Maschinenkraft angetriebene Kraftfahrzeuge eindeutig bestimmbar (…). Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass bei Pedelecs, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/24/EG fallen, die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit im Sinne des § 21a Abs. 2 StVO als die Geschwindigkeit anzusehen ist, bei deren Erreichen die Unterstützung des elektromotorischen Hilfsantriebes unterbrochen wird. Werden die 45 km/h mit Motorunterstützung erreicht, folgt daraus eine Helmtragepflicht.«
Damit ist klar, dass die Helmpflicht für die schnellen Pedelecs bereits gilt – und das dürfte für fast alle Marktteilnehmer überraschend kommen. Und dann wäre da noch die Frage, was ein »geeigneter« Helm ist. Keineswegs sollte das ein Moped-Helm sein, sagt Neuberger, denn ein modifizierter Fahrradhelm wäre hier angemessener. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Fahrer eines schnellen Pedelecs stärker schwitzt als ein Moped-Fahrer, weil er eben in die Pedale treten muss, um die höheren Geschwindigkeiten zu erreichen. Damit muss er an die Belüftung Ansprüche stellen, die nur ein Fahrradhelm erfüllt. Der ZIV hat bereits eine Initiative gestartet, die sich mit der Weiterentwicklung der entsprechenden Helm-Normen beschäftigt.
Der Fahrradhändler tut jedenfalls gut daran, Kaufinteressenten für schnelle Pedelecs im Verkaufsgespräch und beim Kaufabschluss auf die Helmpflicht hinzuweisen. Zu diesem Hinweis ist er rechtlich nicht verpflichtet, er ist aber Bestandteil einer korrekten Fachberatung.
Michael Bollschweiler