Nachdem ABIMOTA-Generalsekretär Gil Nadais letztens schon kommunizierte, dass die Mitglieder seines Industrieverbandes im letzten Jahr ihre Fahrradexporte aus Portugal heraus um 39 Prozent auf nahezu 600 Millionen Euro (genau genommen 594 Millionen Euro) hochschalten konnten, kann er nun auf ein paar weitere vom portugiesischen Nationalen Institut für Statistik INE zusammengestellte interessante 2021er-Daten zurückgreifen. Sie belegen die wichtige Rolle, die die heimische Fahrradindustrie unter dem Dach von Portugal Bike Value für das südeuropäische Land mittlerweile einnimmt.
Seit Anfang dieses Jahrhunderts ist die portugiesische Fahrrad-Industrie stetig gewachsen. So richtig beschleunigt wurde dieses Wachstum aber erst ab 2015. Dazu Nadais: »Die Schaffung von Portugal Bike Value war ein Meilenstein. Die Einführung dieser Dachmarke, die die gesamte portugiesische Zweirad- und sanfte Mobilitäts-Industrie umfasst, hat es diesem Sektor ermöglicht, internationale Sichtbarkeit und Dimension zu erlangen. Auf diese Weise wurde Portugal zu einem äußerst wettbewerbsfähigen Land.«
Laut Nadais hatte man für 2021 eine Wachstumsperspektive von etwa 30 Prozent anvisiert. Dann seien aber gerade in der zweiten Jahreshälfte noch so viele Aufträge hereinbekommen, dass »unsere optimistischsten Erwartungen übertroffen« wurden.
»Bereits 2020 haben wir festgestellt, dass die Saisonalität, die es in der Branche gab, verschwunden ist. Bis 2019 war es normal, dass die Fabriken bis zum Sommer mit voller Kapazität arbeiteten. Das zweite Halbjahr war eine Periode geringerer Produktion, in der die Unternehmen im Wesentlichen daran arbeiteten, ihre Lagerbestände aufzufüllen. Seit dem letzten Jahr gibt es diese Saisonalität nicht mehr. Dies ist auf die aktuelle große internationale Nachfrage zurückzuführen«, meint der Generalsekretär.
Unter der Dachmarke Portugal Bike Value hat sich das Land von der iberischen Halbinsel zum größten Fahrrad-Mengenhersteller Europas gemausert. »Portugal verfügt über das größte europäische Fahrradmontage-Werk, den größten Hersteller von Laufrädern und Felgen sowie den größten Hersteller von Fahrradketten in Europa«, heißt es nicht ohne Stolz aus der ABIMOTA-Zentrale. Nicht zu vergessen Carbon Team, die letztjährig loslegende erste europäische Fabrik für Karbon-Rahmen außerhalb Asiens.
Wichtiger Wirtschaftszweig
Insgesamt gibt es derzeit 51 portugiesische Unternehmen, die sich der Herstellung von konventionellen und elektrischen Fahrrädern sowie anderen Fahrzeugen der sanften Mobilität widmen. Laut INE erzielen diese Unternehmen einen durchschnittlichen Umsatz von jeweils über 10 Millionen Euro. Zudem schaffen sie mehr als 8.000 direkte und – wenn man die zunehmende Komplexität und Ausdehnung der Lieferkette berücksichtigt – mehr als 24.000 indirekte Arbeitsplätze.
Die in Portugal produzierten Fahrradexporte rollen bereits in sage und schreibe 100 Länder. Die wichtigsten Zielländer sind (in genau dieser Reihenfolge) »Spanien, Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Belgien und die Niederlande«.
Die Investitionsquote dieses für Portugal immer wichtigeren (und von der EU unterstützten) Produktions-Sektors lag im Jahr 2020 bei 25,13 Prozent. Zum Vergleich: der nationale Durchschnitt lag bei 21,72 Prozennt. Was aus den INE-Zahlen auch hervorgeht: »Die Ausgaben für das Unternehmenspersonal lagen in diesem Wirtschaftszweig pro Beschäftigten bei 21.457,93 Euro – ein Wert, der 148 Prozent über dem nationalen Gesamtdurchschnitt und 5 Prozent über dem des im Automobilsektor praktizierten Wertes liegt.«
Aktuelle Hürde Komponenten-Verfügbarkeit
Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Eines der größten Probleme, mit denen die nationalen Unternehmen derzeit konfrontiert sind, ist (wie sollte es anders sein) die Knappheit einiger (weiterhin in Asien produzierter) Komponenten auf dem Markt. Aufgrund der Corona-bedingten Lieferproblematik und des teureren Transports ist es zu Verzögerungen und Preiserhöhungen in der Produktion gekommen. Genau deshalb würde derzeit stark in Innovationen investiert. So wolle man die Unabhängigkeit der heimischen Fahrradproduktion erhöhen. Darin sehen die Portugiesen den Schlüssel zum Erfolg.
»Die Suche nach kurzen Vertriebsketten ist eine Marktanforderung und für uns eine Notwendigkeit. Deshalb investiert der nationale Sektor zunehmend in Forschung und Entwicklung. Um uns weiterhin auf höchstem Niveau im internationalen Sektor zu behaupten, haben wir vor, eine für Portugal von grundlegender Bedeutung neue Einheit zu schaffen.«
So habe man zum Beispiel im Zusammenhang mit E-Bikes zum ersten Mal alle Tests in Portugal durchgeführt – und zwar größtenteils in den Einrichtungen von ABIMOTA. Dafür wurde in den letzten Jahren groß in die Testeinrichtungen der ABIMOTA-Zentrale in Borralha investiert. Die dort aufgebauten und erworbenen Ressourcen würden es der heimischen Fahrradindustrie ermöglichen, auf hohem Niveau auf die Bedürfnisse der Partner und des Sektors zu reagieren.
Übrigens: Die Auswahl und die Investition in diese Ressourcen zielen auch immer mehr in die Entwicklung des sanften Mobilitäts-Sektors. Anders ausgedrückt: Die Testanlagen für E-Scooter und Lastenfahrräder wurden strategisch ausgebaut.
Text: Jo Beckendorff/ABIMOTA, Foto: ABIMOTA