Der elegant gekleidete junge Mann bewegt sich ganz unbefangen durch die Fahrrad-Werkstatt, in der es nach anstrengender Handarbeit aussieht: Andreas Bothe (Bildmitte mit Krawatte), Staatssekretär im NRW-Integrationsministerium, informierte sich über das Projekt „Fahrräder bewegen Bielefeld“ (FBB). Angelika Wilmsmeier (dritte von rechts) und Stefan Mielke (links neben Bothe im roten T-Shirt) von FBB erklärten ihm das Konzept und sprachen ihn auf drohende Abschiebungen an, die aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigt sind.
FBB hatte ursprünglich einen Beitrag leisten wollen zur Integration von Geflüchteten, indem sie ihnen Mobilität per Fahrrad ermöglichen. Durch öffentliche Aufrufe wurden bis jetzt an die 1.000 alte Fahrräder eingesammelt, die ihre bisherigen Besitzer nicht mehr brauchten, in der eigenen Werkstatt aufbereitet und den Geflüchteten übergeben. Diese mussten dafür nichts bezahlen, aber an der Aufbereitung mitarbeiten. Ausgebildete Zweiradmechaniker betreuen die Werkstatt.
Mit der Zeit erweiterte sich der Fokus, es erhielten generell Bedürftige ein Fahrrad und Kinder wurden besonders gefördert. So ist der Einsatz bei der geplanten gemeinsamen Sommerferienschule „Rund ums Fahrrad“ mit dem Kooperationspartner „Tabula e.V.- Verein für Bildungsgerechtigkeit“ geplant. Bei seinen Projekten wird der Verein von seinem Partner „DRK-Fahrradwerkstatt“ unterstützt.
„Wir möchten den Bereich ‚Jedes Kind braucht ein Fahrrad‘ weiter ausbauen. Mobilität ist für uns ein wichtiger Faktor der sozialen Teilhabe. So können wir Kindern helfen, die zum Beispiel keine finanziellen Mittel für den Kauf eines Fahrrads haben und die nicht zu unserer Werkstatt kommen können. Weiterhin kann der Verein auch so die äußeren Stadtbezirke von Bielefeld mit seinen Angeboten erreichen“, schreibt der Verein.
Im Frühjahr konnte eine mobile Fahrradwerkstatt in Form eines E-Lastenrads angeschafft werden. Damit will man vor Ort an Schulen oder sonstigen Orten tätig werden. Möglich wurde dies durch Spenden des Lions-Clubs Gütersloh-Lutteraue, der Bielefelder Bürgerstiftung und des Architekten Christoph Buschmeier.
Nun infomierte sich also Staatssekretär Andreas Bothe über die FBB-Aktivitäten vor Ort. Er nahm sich viel Zeit, blieb nach der Besichtigung noch auf eine Wurst vom Grill. Er erfuhr von Stefan Mielke alles über Themen wie „Kein Kind ohne Fahrrad“, „Perspektiven statt Projekte“ und „Miteinander Bielefeld erfahren“. Letzteres ist eine Maßnahme, bei der ein FBB-Mitarbeiter einen Senior oder eine Senioren mit eingeschränkter Mobilität mit einem speziellen Lastenrad abholt und herumfährt, für Besorgungen oder ein Naturerlebnis.
In die Vorstandsarbeit von FBB sowie die Werkstattarbeit sind auch Geflüchtete eingebunden, die sich bereits gut integriert haben und einen wertvollen Beitrag leisten. Einige von ihnen konnte Bothe vor Ort kennen lernen. Wilmsmeier und Mielke wiesen eindringlich darauf hin, dass manche von ihnen von Abschiebung bedroht sind und einen unklaren Status haben, obwohl ihre Integration weit vorangeschritten ist. Der RadMarkt hatte beispielsweise den Fall eines iranischen Ingenieurs geschildert, der christlichem Glaubens verfolgt wurde. Bothe bekannte sich zur dringenden Erfordernis eines Einwanderungsgesetzes und befürwortet, dass die teilweise seit 2012 anhaltenden Hängepartien beendet werden. Generell sagte Bothe zur Integration von Migranten: „In einer polarisierenden Diskussion gelangen vor allem die Fälle ans Licht der Öffentlichkeit, in denen Integration nicht gelungen ist. Von den vielen Beispielen gelungener Integration und von der Bedeutung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt hören und lesen wir dagegen zu wenig.“
Text/Foto: Michael Bollschweiler