Die am 20. Januar verkündete Insolvenz des gemeinnützigen kanadischen Fahrrad-Verleihsystem-Anbieters PBSC Urban Solutions – besser bekannt unter dem Namen seines Verleihsystems Bixi – hat die Welt der Fahrrad-Verleihsysteme kräftig aufgewirbelt…
Zwar soll die Insolvenz dazu genützt werden, das Geschäft sowie die Finanzen des im Jahr 2009 gegründeten Unternehmens neu aufzustellen. Außerdem würde das Geschäft in den zehn Großstädten und weiteren Orten, in denen Bixi derzeit mit mehr als 37.000 Fahrrädern und 2.676 Verleihstationen weltweit im Markt ist, weiterlaufen wie bisher.
Allerdings hat die Westküsten-Metropole Vancouver ihre weit vorangeschrittenen aber bereits extrem verspäteten Bixi-Fahrradverleih-System-Pläne erst einmal zurückgestellt. Zuallererst will nicht nur die Stadtverwaltung von Vancouver genau schauen, wer die Zeche für die Insolvenz von PBSC Urban Solution („PBSC“ steht „Public Bike System Company“) zahlen muss – und wie es genau weiter geht.
Letztendlich musste das im Montrealer Stadtbezirk Lachine ansässige Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen, nachdem sich die Stadtverwaltungen von Chicago und New York (in denen das System zum Einsatz kommt) weigerten ihre ausstehenden Rechnungen in Höhe von 5,6 Millionen $ zu zahlen Hintergrund: Die sowieso schon mit Verspätung ausgelieferte Bixi-Software funktionierte nicht wie erhofft.
Kurzer Hinweis: Nirgends wird ganz klar, ob es sich bei obiger Summe um US- oder CAN$ handelt. Da es sich bei PBSC um ein kanadisches Unternehmen handelt, gehen wir von CAN$ aus. Oben genannte 5,6 Million CAD$ wären umgerechnet 3,7 Millionen Euro, 5,6 Millionen US$ wären 4,1 Millionen Euro.
Aufgrund dieser Pannen ist auch der ehrgeizige Versuch gescheitert, so schnell wie möglich international zu wachsen. Zwar hat man neben nordamerikanischen Metropolen zwei Großstädte in Übersee (London und Melbourne) an Bord. Aber das ist es schon. Auch dort gab es Probleme. All dies führte zum letztendlichen Gang zum Amtsgericht.
Größter Gläubiger: Die Stadt Montreal
Von der Insolvenz ist vor allem die hinter der Non-Profit-Organisation stehende Stadt Montreal betroffen. Laut Bürgermeister Denis Coderre schuldet Bixi der Stadt inklusive aller bereits gewährter Kredite an die 48 Millionen CAN$ (31,7 Millionen Euro). Die Stadt hatte den heimischen Fahrradverleih-Systemanbieter bereits im Jahr 2011 mit einer Bürgschaft in Höhe von 71 Millionen CAN$ vor der Pleite gerettet.
Warum ist leicht erklärt: Schließlich macht es sich gegenwärtig für jede Metropole gut, mit einem grünen Transportsystem als Aushängeschild auf sich aufmerksam zu machen. Und es ist ja auch so, dass die Nachfrage nach Bikesharing-Geschäft weltweit hochschaltet. Alles sieht bzw. sah so rosig aus…
Gläubigerliste umfasst 139 Unternehmen
Und jetzt? Zuerst einmal Schockstarre. Wobei man zumindest in Montreal und Umgebung von den aktuellen Finanzproblemen gewusst hat. Derzeit ist davon auszugehen, dass vor allem der Steuerzahler von Montreal zur Kasse gebeten wird. Aber nicht nur. Dem RadMarkt liegt eine vom Insolvenzverwalter Richter Advisory Group veröffentlichte Liste von 139 Unternehmen vor, denen PBSC Urban Solution derzeit insgesamt 46,1 Millionen CAN$ (30,4 Millionen Euro) schuldet.
Die Top-Five dieser Gläubigerliste wird von der Stadt Montreal mit 36,6 Millionen CAN$ (24,2 Millionen Euro) angeführt – inklusive eines 5,3 Millionen (3,5 Millionen Euro) Bankenkredits der National Bank of Canada. Auf Platz Zwei und Drei folgen der US-Software-Entwickler Personica Inc. und der für die in der frankophonen Stadt verantwortliche Bixi-Anbieter JFG Logistique Inc. (jeweils 1 Millionen CAN$ = 0,7 Millionen Euro). Auf Platz Vier rangiert der heimische Bixi-Bikebauer Cycles Devinci Inc. (844.000 CAN$ = 586.000 Euro) gefolgt von dem auch Antriebslösungen produzierenden heimischen Maschinenbauer CMP Advanced Mechanical Solutions Inc. (728.000 CAN$ = 480.000 Euro).
Ein Großteil der Gläubiger stammt aus Kanada und den USA. Allerdings befinden sich auch fünf britische und ein österreichisches Unternehmen auf der dem RadMarkt vorliegenden 139 Gläubiger umfassenden Liste.
Wer steigt ein?
Wie wird es weitergehen? Zuerst einmal soll alles daran gesetzt werden, das Unternehmen mit einer umfassenden Umstrukturierung zu retten. Nur: Eine Umstrukturierung wird ausschließlich mit weiteren öffentlichen Kosten zu bewerkstelligen sein. Ist die Stadt Montreal dazu weiterhin bereit? Bürgermeister Denis Coderre hofft eher auf einen Käufer, der die von den Bürgern aller Großstädte aufgenommene „gute Idee“ öffentlicher Fahrrad-Verleihsysteme besser und vor allem profitabel umsetzt. Auch ohne die oben genannten Verbindlichkeiten und der Insolvenz habe PBSC’s operatives Geschäft immer noch ein jährliches Defizit von circa 1,5 Millionen CAN$ (1 Millionen Euro) eingefahren.
Zuerst einmal müssen in den kommenden Wochen die Gläubiger überzeugt werden, dass sich diese grüne Transportalternative auch tatsächlich irgendwann einmal rechnet – und das nicht nur vom Image her sondern langfristig auch irgendwie finanziell eigenständig.
Worst case: Unternehmsaufgabe
Nicht auszudenken, wenn der mit Startup- und Innovationspreisen überschüttete Fahrrad-Verleihsystem-Anbieter tatsächlich sein Leben aushauchen würde. Der für die Insolvenz und von Richter Advisory Group eingesetzte Raymond Massi beruhigte jedenfalls schon einmal gegenüber der Tageszeitung Montreal Gazette heimische Steuerzahler mit dem Hinweis, daß die Stadt Montreal die Sicherheit in ihren Händen hält, als größter und allererster Gläubiger an die Bixi-Vermögenswerte heranzukommen: „Falls das Unternehmen aufgelöst werden sollte, wird die Stadt Montreal zuerst ausgezahlt.“ Trotzdem würde sie auf einem enormen Schuldenberg sitzen bleiben.
Heißt aber auch: Erst wenn die Stadt ihr Geld zurück hat, werden andere Gläubiger bedient. Somit werden sie neben den Steuerzahlern von Montreal die großen Verlierer dieser Pleite sein.
Zum Zeitpunkt dieses Schreibens liefen alle im Markt befindlichen Bixi-Verleihsysteme weiter. Der in den USA verantwortliche Betreiber Alta Bicycle Share gab auch offiziell bekannt, dass er die weitere Funktion der in seiner Heimat laufenden Systeme garantiere. Die in der PBSC-Zentrale arbeiten 66 Mitarbeiter arbeiten derzeit ebenfalls weiter wie bisher. Fortsetzung folgt.
Text: Jo Beckendorff, Foto: Bixi Montreal