Das Fahrradjahr 2009 wird laut US-Branchenanalyst Jay Townley in seiner Heimat als das Jahr der fundamentalen Änderungen und Verlagerungen eingehen. Das hat auch sein Gutes. Weniger gut sind die nackten Zahlen: Insgesamt sanken die 2009er-Fahrradimporte in die USA gegenüber dem Vorjahr mengenmäßig um 19,7 Prozent und wertmäßig (FOB-Preis) um 19,3 Prozent. Somit sanken die Gesamtverkäufe auf 14,9 Millionen Einheiten (Wert: 1,04 Milliarden US$) – laut Townley „der niedrigste Wert in der Dekade der grossen Rezession“. Der Fahrradmarkt würde aufgrund des ökonomischen Drucks schrumpfen. Chancen speziell für den Fachhandel bestünden aber im Wandel des Marktes, für den man besonders auf regionaler Ebene ein Gespür entwickeln müsse.
Geprägt wurde das US-Fahrradjahr durch folgende Fakten: Konsumenten seien bei ihrem Kaufverhalten zurückhaltend geworden, liessen Vorsicht walten und würden den Dollar noch einmal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Zudem würden sie zuerst alltägliche Bedürfnisse befriedigen, bevor sie noch etwas in irgendwelche persönlichen Wünsche oder Hobbies investierten. Die Krise habe aber auch ihr Positives: So sei das Servicegeschäft des Fahrrad-Fachhandels sowie jenes mit Gebrauchträdern in Schwung gekommen.
Menge/Wert ein Fünftel runter, Durchschnittspreis stabil
Das oben genannte Minus von 19,7 Prozent bei den Mengen- und 19,3 Prozent bei den Wertverkäufen birgt ebenfalls eine positive News: Der Durchschnittspreis – gemessen an den von Townley angegebenen FOB-Preisen (= „free on board“ – also der vereinbarte Preis, zu dem der Verkäufer die Ware an Bord des Schiffes im kaufvertraglich festgelegten Verschiffungshafen bringen muss) – eines 2009 in den USA verkauften Fahrrads konnte sich gegenüber dem Vorjahr um 0,4 Prozent auf 69,86 US$ mehr als behaupten.
Laut Townley mussten 2009 alle Fahrradkategorien Verluste hinnehmen – mit einer Ausnahme: Das 27 Zoll/700C-bereifte Bikesegment konnte von Januar bis November wachsen. Dies ist sicherlich auf das allmähliche Anwachsen der 700C-bereiften Alltagsrad-Klasse Marke unseres Trekking-/Hybridbike zurückzuführen. Hier lag der Durchschnittspreis übrigens bei 275,93 US$ (gegenüber Vorjahr plus 4,8 Prozent).
Importe: (Fast) Alles aus China
Satte 94,4 Prozent der Fahrradimporte in die USA kamen aus China. Durchschnittspreis dieser Räder: 51,16 US$. Zum Vergleich: 5,2 Prozent der US-Importe rollten aus Taiwan in die neue Welt. Ihr Durchschnittspreis: 395,81 US$.
Mehr als 140 Fahrradmarken stehen auf dem US-Markt im direkten Wettbewerb. Gute Zuwächse in der Krise konnten im letzten Jahr laut Jay Townley „Electra, Sun Bicycle, Red Line (Anmerkung des RadMarkts: Marke der Accell-Tochter SBS aus Seattle), Fuji und Haro“ einfahren – übrigens alles Marken, die nicht nur sportliche, sondern vor allem Alltagsräder anbieten.
Fahrrad-Fachhandel schluckte nur einstelliges Minus
Die Krise hat auch den US-Fahrrad-Fachhandel getroffen. Ihre Lieferanten rollten im letzten Jahr 8,5 Prozent weniger Bikes in diesen Vertriebskanal. Insgesamt waren es 2,5 Millionen Einheiten. Ihr Wert (FOB-Preis) lag bei 874,4 Millionen US$ (Minus 3,7 Prozent). Der Durchschnittspreis eines über den US-Fahrrad-Fachhandels verkauften Fahrrads kletterte allerdings um beachtliche 5,2 Prozent auf 355,60 US$.
Ausblick 2010
„2010 ist das Jahr des neuen Abnormalen,“ verkündete Townley während seines Vortrags auf der Interbike. Und erklärte auch gleich warum: Dieses Jahr stünde bisher ganz im Zeichen schizophrener Konsumenten. „Zum einen sind mit Blick auf beliebige hochwertige Produkte regelrechte Kauforgien auszumachen. Zum anderen ist es bei Verbrauchsartikel von Markenherstellern zu Verkaufseinbrüchen gekommen.“ Zumal mache sich allmählich der demographische Wandel bemerkbar. Die Baby-Boomers würden älter und weniger. Eine neue Konsumenten-Generation rücke nach. Das sei auch eine Chance für den US-Fahrradmarkt. Somit könnte die Krise auch zur Gesundung und (Wieder-)Belebung des Zweirad-Markts genutzt werden.
Trends und Entwicklungen
Was bisher im Jahr 2010 besonders gut im Fahrrad-Fachhandel gelaufen sei: „Cross-/Hybridbikes, Rennräder, Alltagsräder, vollgefederte Mountainbikes, Reifen und Schläuche, Servicearbeiten, Verschleissteile und Helme.“ Insgesamt hätten US-Konsumenten in diesem Jahr mehr Wert auf Einfachheit und Nachhaltigkeit gelegt. Zudem würden Nischen speziell auf regionaler Ebene wachsen. Hier müsse jeder Fachhändler genau seinen lokalen Markt im Auge behalten und selbst ein Gespür entwickeln, was laufen könnte und was nicht.
– Jo Beckendorff –