Eines war schon vorher klar: die vor ihrem nächstjährigen Umzug nach Frankfurt 29. Auflage der letzten Eurobike (31.8. – 4.9.2021) am Bodensee wurde von vielen Branchenteilnehmern aus den unterschiedlichsten Gründen mit einem weinenden und einem lachenden Auge gesehen. Aber erstens kommt immer alles anders, und zweitens als man denkt. Genau so war es auf der Eurobike 2021.
Erinnern Sie sich noch an die größten Kritikpunkte an der Messe am Bodensee? Zum Beispiel die Verkehrssituation – ein Graus. Oder die Hotelbuchung – ein Disaster. Viele sind sogar ins benachbarte Österreich oder auch in die Schweiz ausgewichen. Andere fuhren sich Richtung Norden einen Wolf. Oder die Enge in den Hallen der Messe, die aus allen Nähten zu platzen schien? Man kam nicht mehr durch.
Und jetzt? In diesem Jahr gab es nicht einen einzigen Verkehrsstau, keine Hotelsuche im Umkreis von sagen wir einmal 25 Kilometern – und auch kein Gedränge in den Hallen.
Das hat natürlich alles nichts damit zu tun, dass sich irgend etwas an dem Friedrichshafener Umfeld geändert hat. Ist es aber nicht irgendwie makaber, dass ausgerechnet dieses verdammte Virus als diesbezüglicher Problemlöser in Szene setzt? Alle oben genannten und immer wieder diskutierten Probleme lösten sich auf letzten Fahrradmesse am Bodensee geradezu in Luft auf.
Von wegen Trauerspiel
Bevor Sie meinen, dass die 29. Eurobike einem regelrechten Abgesang glich (im Vorfeld wurde gar von einer Trauerveranstaltung gesprochen): auch damit liegen Sie komplett falsch. Das wird Ihnen jeder Besucher, der diese Messe besucht hat, sicherlich bestätigen können.
Richtig ist: die großen Komplettrad-Anbieter waren bis auf jene, die man an einer Hand abzählen kann, nicht vor Ort. Somit war auch das Messegelände nicht ausgebucht. Selbst die Hallen, in denen die Eurobike 2021 stattfand, waren extrem großzügig ausgelegt. Und die Aussteller-Zahl von kommunizierten 630 war im Vergleich zur letzten Eurobike 2019 gerade einmal halb so groß.
Richtig ist aber auch, dass sich die Branchenteilnehmern lange nicht gesehen hatten. Viele sehnten sich regelrecht danach, mal wieder von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden (selbst jene Anbieter, die diesmal zwar nicht in Friedrichshafen ausstellten, aber doch vorbeischauten).
Richtig ist auch, dass gerade die Komponenten-Aussteller über das Interesse, dass ihnen sicherlich auch aufgrund der fehlenden Komplettrad-Anbieter zugutekam, profitierten. Das gilt auch für kleinere Aussteller, die sonst auf einer großen Messe untergehen. Zudem flog dem Boom-Thema Cargobike und dem von der Messe Friedrichshafen ausgerufenen Start-Up-Area viel Aufmerksamkeit zu.
Internationale Besucherzahl übertrifft alle Erwartungen
Und das alles nicht nur von deutscher Besucher-Seite, sondern – und das war tatsächlich erstaunlich – von internationaler Besucherseite. Wie war doch noch im Vorfeld der Messe geunkt worden, dass diese letzten Bodensee-Veranstaltung zum rein (süd-)deutschen Messe-Get-Together schrumpfen würde. Laut Schlussbericht der Messe kamen die »630 Aussteller, 18.770 Fachbesucher und 13.424 Konsumenten« aus 68 (!!!) Nationen.
»Wir sind wirklich positiv überrascht, wie viele internationale Besucher den Weg zu uns gefunden haben – weit mehr als erwartet und insbesondere industrieseitig«, staunt Eurobike-Chef Stefan Reisinger im Nachinein. Neben den DACH-Nationen waren vor allem Gäste aus Ost- und Südeuropa stark vertreten. Selbst hier und dort Fachbesucher aus den USA, dem Mittleren Osten und Asien ließen sich das Branchentreffen nicht entgehen.
Von allen Seiten großer Dank an Friedrichshafen
Letztendlich meldet sich Burkhard Storck in seiner Rolle als ZIV-Geschäftsführer, der auch Mit-Organisator der Eurobike ist, mit folgenden Worten an die Friedrichshafener: »Das Team der Eurobike hat es unter herausfordernden Bedingungen erneut geschafft, einen hervorragenden Branchentreff und eine erfolgreiche Weltleitmesse zu organisieren. Die Mitgliedsunternehmen des ZIV berichten von konzentrierten Gesprächen von hoher Qualität in einem entspannten Umfeld. Gerade in diesen Zeiten gab es viel zu diskutieren und ebenso viel zu handeln. Zu unterstreichen ist aber vor allem eines: Endlich konnte die Fahrrad-Branche sich wieder persönlich begegnen! Im letzten Jahr der Eurobike am Bodensee ist es auch gelungen, die Brücke für die Zukunft der Messe in Frankfurt zu schlagen. Die Zeit in Friedrichshafen war großartig. Wir danken der Messe und der Stadt Friedrichshafen für die vielen guten Jahre. Die Bedeutung der Eurobike für die beispiellose Entwicklung der deutschen und internationalen Fahrradindustrie und der gesamten Branche kann nicht zu häufig betont werden. Wir freuen uns auf eine Fortsetzung der Partnerschaft auf der Eurobike 2022 in Frankfurt am Main.«
Der RadMarkt schließt sich diesem Dank an die Messe und der Stadt Friedrichshafen für viele tolle Jahre in der Bodensee-Region an. Es waren fantastische Jahre. Trotzdem ist es nun auch Zeit, nach vorne zu schauen. Die nächste und mit neuem Konzept antretende Eurobike 2022 findet vom 13. bis 17. Juli in Frankfurt am Main statt. Alle weiteren Infos dazu unter www.eurobike.com sowie www.eurobike-frankfurt.com.
Mehr News und Stories von der diesjährigen Eurobike in den kommenden RadMarkt-Ausgaben.
Text/Fotos: Jo Beckendorff