Mittlerweile geht der bestehende EU-Strafzoll auf Komplett-Fahrräder aus China ins 31. Jahr. Damit gilt er als die längste jemals verhängte Antidumping-Maßnahme seitens der EU. Der Strafzoll auf wesentliche »Made in China«-Fahrradteile gilt auch schon seit 27 Jahren.
Während der europäische Fahrradindustrie-Verband (EBMA) die Europäische Kommission auffordert, den bestehenden Strafzoll zu überprüfen und um weitere fünf Jahre zu verlängern, betont LEVA-EU die Notwendigkeit einer kritischen Bewertung ihrer Auswirkungen auf die EU-Industrie.
LEVA-EU contra EBMA
EMBA argumentiert, dass der Zustrom billiger (teilweise unter Herstellungspreis angebotener) Fahrräder aus China nur mit Hilfe des bestehenden EU-Strafzolls verhindert wird. Nur so würden europäische Montagebetriebe geschützt, nur so könnte die lokale Produktion sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert werden.
LEVA-EU sieht das komplett anders. Um Zölle auf Fahrradteile aus China zu vermeiden, müssten europäische Montagebetriebe nach geltenden Vorschriften strenge Kriterien erfüllen: »Die Situation ist jedoch seit den Maßnahmen gegen Elektro-Fahrräder und den damit verbundenen Herausforderungen bei der Beschaffung von Bauteilen außerhalb Chinas viel komplexer geworden.«
Knackpunkt E-Bikes
Während EBMA für strenge Maßnahmen gegen die Umgehung von Zöllen auf konventionelle Fahrräder plädiert, versichert sie den europäischen Montagebetrieben, dass es ihnen freisteht, chinesische Komponenten für die Montage von E-Bikes zu importieren. »Infolgedessen bauen viele Unternehmen derzeit Elektro-Fahrräder in der EU in einer Weise zusammen, die nach den gesetzlichen Normen Maßnahmen gegen die Umgehung von Vorschriften nach sich ziehen könnte«, heißt es dazu aus der LEVA-EU-Zentrale im belgischen Gent, »diese Diskrepanz gibt Anlass zu berechtigten Bedenken.«
LEVA-EU-Vorwurf: trotz der prompten Antwort seitens der Europäischen Kommission auf das Ersuchen der EBMA in Bezug auf konventionelle Fahrräder würden sie gegenüber der Situation bei E-Fahrrädern gleichgültig bleiben: »Obwohl die Kommission die Befugnis hat, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, hat sie sich dafür entschieden, dieses Problem zu übersehen. Dieses Versäumnis ist verwunderlich, da man sich fragen kann, warum chinesische Hersteller, die bei konventionellen Fahrrädern einer weit verbreiteten Umgehung beschuldigt werden, bei Elektro-Fahrrädern keine ähnliche Taktik anwenden.«
Anders ausgedrückt: trotz der Zusicherungen der EBMA in Bezug auf die Verwendung chinesischer Teile für E-Fahrräder hält LEVA-EU die Gefahr von Umgehungsmaßnahmen für nach wie vor groß. Der Verband warnt, dass »die Unterstützung der EBMA-Forderungen zwar vorteilhaft erscheinen mag, die EU-Montagebetriebe aber nicht unbedingt vor möglichen Zollmaßnahmen schützt«.
Mehrere Fälle von mutmaßlicher Umgehung hätten bereits zu potenziell hohen Geldstrafen, Freiheitsstrafen und rechtlichen Verwicklungen geführt, die bis zu einem Jahrzehnt dauern können und das Wachstum und die Nachhaltigkeit von Unternehmen behindern.
Anmerkung des RadMarkts: in diesem Zusammenhang hatte sich LEVA-EU in der Vergangenheit bereits über die unterschiedliche Auslegung der Zolldienste in den EU-Mitgliedstaaten beschwert, die in der Spitze zu Zoll-Geldstrafen von bis zu 2.000 Prozent führen würde. Die könne man zwar vor Gericht anfechten, müssten zuerst aber einmal gezahlt werden. Dieser Tatbestand könne Unternehmen in den Konkurs treiben. Ohne Namen zu nennen bezog sich LEVA-EU zur damaligen Zeit definitiv auf Qwic-Macher Hartmobile B.V.. Den hatte eine unerwartete Steuer-Rückzahlungsforderung in Höhe von 12 Millionen Euro in die Insolvenz getrieben.
LEVA-EU fordert Strafzoll-Ende für wesentliche Fahrradteile aus China
Angesichts dieser Bedenken setzt sich LEVA-EU für die Beendigung der Dumpingzölle auf wesentliche Fahrradteile ein: »Die derzeitigen Vorschriften behindern nicht nur Innovationen und den Markteintritt neuer Hersteller von Elektro-Fahrrädern, sondern bedeuten auch unnötige finanzielle Belastungen und potenziell existenzbedrohende Risiken für bestehende Unternehmen. Die Behauptung, dass diese Maßnahmen für die Verlagerung der Produktion und die Schaffung von Arbeitsplätzen unerlässlich sind, wird als falsch angesehen, da sie den Wettbewerb einschränken und letztlich sowohl den Verbrauchern als auch den europäischen Branchenakteuren schaden.«
Text: Jo Beckendorff