Münchener Verkehrsbetriebe planen Mietrad-Geschäft

Wie gleich mehrere Münchener Tageszeitungen in ihren Ausgaben zum gestern endenden Wochenende (19./20. Oktober) berichteten, plant die Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) mit einem Zusatzangebot durchstarten zu wollen. Bis 2017 sollen unter dem intern getauften Projektnamen „MVG Rad“ – an ihren Bahn-, Bus- und Straßenbahn-Haltestellen laut der Süddeutschen Zeitung „gut 100 Entleihstation mit mehr als 1.000 Fahrrädern“ in der Bayernmetropole stehen…

Was viele nicht mehr auf dem Radar haben: München ist die Geburtsstadt des Radverleih-Systems in Deutschland. Im Jahr 2000 starteten die beiden Münchener Jungunternehmer Christian Hogl und Josef Gundel gleich nach Beendigung ihres Studiums mit dem Verleih hochwertiger Fahrräder unter dem Namen Call a Bike durch. Aufgrund eines „Liquiditätsengpasses“ endet das Abenteuer nach nur sieben Monaten.
Hintergrund: Die Geschäftsidee wuchs nicht schnell genug. Zur Ausnutzung des in München aufgestellten Service-Centers hätte das Verleihgeschäft innerhalb kürzester Zeit bundesweit wachsen müssen. Die geplante Expansion rückte aber wegen vorhersehbarer Systemmängel, die zuallererst eliminiert werden mussten, in den Hintergrund.
Im April 2001 schlug DB Rent zu. Die Bahntochter übernahm die insolvente Call a Bike mit dem Ziel, mit ihr eine Lücke innerhalb ihrer Mobilitätskette zu schließen. Nicht nur in München, sondern bundesweit. Was ihr auch bis zum heutigen Tag halbwegs gelungen ist.
„Halbwegs“ deshalb, weil der bundesweite Ausbau auch nicht in kürzester Zeit stattfand, sondern über mehrere Jahre und bis heute läuft. Weil es nicht schnell genug ging, konnten sich mittlerweile auch Mitbewerber wie Nextbike GmbH gut in Szene setzen. Die Leipziger gelten heute als das öffentliche Fahrradverleih-System mit dem am weitesten verzweigten internationalen Netzwerk. Beide Mitradsysteme sind auch in München zu Hause – Call a Bike mit etwa 1.200 und Nextbike über seinen Münchener Partner Pedalhelden mit etwa 500 Mieträdern.

Gleich zum Start 1.000 Räder
Eines hat MVG sofort begriffen (vielleicht auch mit Blick auf Call a Bike?): Kleckern gilt im Mietrad-Geschäft nicht. Da muß sofort geklotzt werden. Deshalb wohl auch die genannte Zahl von 1.000 MVG-Rädern, die die Verkehrsbetriebe gleich mit Hilfe einer externen Partnerfirma auf die Beine stellen wollen. Wer letztendlich den Zuschlag für den Bau dieser Bikes erhalten wird? Das soll via öffentlicher Ausschreibung geklärt werden. Hier können also auch „die Platzhirschen“ Call a Bike und Nextbike mitbieten.

Ziel: Schließung der individuellen Mobilitätskette
Auf jeden Fall tritt die MVG aus genau denselben Grund mit einem eigenen Mietrad-System an, den auch die Deutsche Bahn dazu bewogen hatte Call a Bike zu schlucken: Man will das Angebot der eigenen Mobilitätskette schließen. Mit einem Fahrrad ist der letzte Weg von der nächst gelegenen S-/U-Bahn-/Bus-/Strassenbahn-Haltestelle nach Hause und anders herum nicht mehr weit. Die Münchener Verkehrsbetriebe sehen sich wie die Deutsche Bahn auch als „Mobilitäts-Dienstleister aus einer Hand“ – der eine als lokaler, der andere als bundesweiter Anbieter.

Radlhauptstadt München
Wer allerdings für die nicht gerade geringe Investition eines MVG-Mietradsystems aufkommt, ist öffentlich noch nicht genauer geklärt. Branchenkenner gehen davon aus, daß es ohne städtische Subventionen nicht funktionieren wird. Fragt sich nur, wie viel die selbsternannte „Radlhauptstadt München“ bereit ist, für den Ausbau in die Schließung der Mobilitätskette seiner öffentlichen Verkehrsbetriebe zu investieren.

Mit Blick auf München 2022?
Welche Rolle dabei indirekt der gegenwärtige Bürgerentscheid zur Bewerbung Münchens um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022 und dessen Ausgang spielen wird, ist auch eine Frage. Die Begründung des Stadtrats, die die Spiele befürworten, werben bereits mit dem Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. „München verdankt den Olympischen Spielen 1972 wesentliche Entwicklungsimpulse und eine bis heute wirkende weltweite Bekanntheit“, heißt es da unter anderem. Vielleicht zählt eine kräftige politische Finanzspritze in ein städtisch-öffentliches Fahrrad-Verleihsystem mit Blick auf 2022 ja auch zu einem wesentlichen Entwicklungsimpuls in Sachen sanfter individueller Stadtmobilität.

Text: Jo Beckendorff, Foto: MVG

 

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