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China: temporäre Hafen-Schließungen sorgen für mehr Rückstau
Foto: JumpStory.

Mit der auch die Fahrradbranche betreffenden Suezkanal-Blockade im März hatte die durch die Corona-Pandemie hervorgerufene Lieferketten-Problematik noch einmal eine weitere Hürde zu nehmen. Dabei liegt die größte Hürde – nämlich die Container-Knappheit in China sowie die damit verbundenen Lieferverzögerungen – noch nicht einmal hinter uns.

Nachdem es Ende Mai in Shenzhens Yantian International Container Terminal Port zu erneuten Covid-19-Fällen unter Hafen-Arbeitern gekommen war und die dortige Annahme von Export-Container ausgesetzt wurde, wird der Frachtverkehr derzeit noch einmal kräftig durcheinandergewirbelt. In der ersten Hälfe des laufenden Monats Juni kam dann auch in anderen Frachthäfen Südchinas die Container-Annahme temporär zum Erliegen: dort kam es durch den Mehraufwand ebenfalls zu Verspätungen. So wird der katastrophale Rückstau selbst bei 24/7-Einsätzen auf jeden Fall weder kurz- noch mittelfristig behoben werden können. Zudem meldeten auch noch andere Werften vereinzelte Covid-19-Fälle unter den Arbeitern. Auch dort wurde die Arbeit temporär heruntergefahren.
Container-Knappheit und Rückstau
In der RadMarkt-Ausgabe 3/2021 waren wir schon einmal detailliert darauf eingegangen, wie es zu besagter Container-Knappheit überhaupt gekommen ist: Als in Europa und Amerika der Corona-bedingte Lock-down einsetzte, wurde auf einmal nichts mehr bestellt. Die leeren Container blieben vor Ort stehen. Als dann nach dem Lock-down ein noch nie da gewesener Bestell-Boom aus aller Welt einsetzte, fehlten diese Container in der »Weltfabrik« China.
Der Rückstau im Hafen von Yantian-Hafen hat viele Reedereien dazu gezwungen, Schiffe in andere Häfen in Südchina umzuleiten – was wiederum zu einer größeren Unsicherheit in der Schifffahrts-Industrie führt. Und das zu einem äußert ungünstigen Zeitpunkt: gerade beschleunigt sich die wirtschaftliche Erholung wieder weltweit.
Aktuelle Frachtverkehr-Auslastung in Yantian: 60 Prozent
»Die volle Auswirkung der Pandemie in Shenzhen und Guangzhou und der Welleneffekt der jüngsten Yantian/Shekou/Nansha-Hafenstauungen haben möglicherweise zu Störungen in Ihrer Lieferkette geführt«, heißt es zum Beispiel in einer Meldung auf der Webseite der weltweit größten Containerschiff-Reederei Maersk Line mit Hauptsitz in Dänemark.
Fakt sei, dass die Auslastung der Yantian-Werft auf 60 Prozent reduziert wurde. Somit erwartet die Reederei dort in der kommenden Woche weitere Schiffsausfälle und Schiffsverspätungen von mehr als vier Tagen. Die Nansha-Werft geht in den kommenden Wochen ebenfalls von Schiffsverspätungen »von vier bis fünf Tagen aufwärts« aus.
Weiterer Mangel bestimmter Container-Typen
Zudem sieht Maersk Line durch die massiven Schiffsverspätungen und Auslassungen in Yantian und Shekou einen Mangel an Leercontainer-Typen 40 GP und 40 HC. Kunden wird bereits empfohlen, dort alternativ auf den Container-Typ 20 GP auszuweichen.
Laut einem Bericht in der englischsprachigen chinesischen Tageszeitung »Global Times« werden in Yantian »über ein Drittel des Außenhandels von Guangdong und ein Viertel der chinesischen Exporte in die USA abgewickelt«. Zum Zeitpunkt dieses Schreibens seien dort wieder 70 Prozent der gesamten Umschlagskapazität aufgenommen worden. Bis bis Ende Juni hofft man, wieder zur Normalität zurückkehren zu können: »Yantian ist einer der wichtigsten Gateway-Hubs weltweit, und der Welleneffekt der teilweisen Schließung des Hafens hat zu Staus in nahegelegenen Häfen, wie Nansha, Shekou und Hongkong geführt. Um diese Auswirkungen weiter abzumildern, evaluiert Maersk ständig die Situation und zieht Eventualitäten in diesen Häfen in Betracht.«
Weiter viel Druck unter dem Kessel
Nur: selbst wenn wieder mehr Arbeiter an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und mehr Liegeplätze in Yantian wieder geöffnet werden, haben die Rückstände bei der Verschiffung in diesem Hafen auch andere Häfen unter Druck gesetzt – »darunter Shekou und Chiwan in Shenzhen sowie Nansha in Guangzhou und Hongkong«.
Um den ungehinderten Fluss des Außenhandels zu gewährleisten, hat zum Beispiel der Guangzhouer Hafenterminal von Nansha 38 zusätzliche Schiffe abgefertigt. In einer Erklärung gegenüber der »Global Times« ließ die Werft wissen, dass der Container-Terminal infolgedessen geschäftiger geworden ist – »was zu Druck auf den Hafenbetrieb sowie zu Staus auf einigen in den Hafen gehenden Straßen geführt hat. Die Sendungen stapeln sich in der zweiten Phase von Nansha, und die Produktivität ist um 20 Prozent gesunken.«
Um überhaupt noch den Überblick zu bewahren, mussten laut dem chinesischen Logistik-Informationsanbieter Oneshipping schon mehr als 300 Fahrten entweder gestrichen, auf andere Routen verlegt oder in andere Häfen umgeleitet werden.
Frachtkosten steigen ins Unermeßliche
Tatsache ist aber auch, dass die weltweiten Frachtraten durch die Rückstände weiter heftig in die Höhe getrieben werden. »Global Times« zitiert Oneshipping-Gründer und -CEO Zhong Zhechao mit den Worten, dass Seetransporte von Asien nach Europa 20.000 USD pro 40-Fuß-Container kosten werden, ein Sprung von etwa 1.000 Prozent im Vergleich zu vor einem Jahr: »Die Rückstände an Waren in den südchinesischen Häfen sind sehr groß, alte Sendungen warten noch immer, während neue ankommen. Die Häfen Shekou und Nansha sind bereits voll ausgelastet.« Zhong warnt sogar, dass die Folgen des Rückstaus in den südchinesischen Häfen schwerwiegender sein würden als die Suezkanal-Blockade. Somit sieht er auch sorgenvoll in die kommenden Hochsaison-Monate August und September: »Was den globalen Schifffahrtssektor in der zweiten Jahreshälfte angeht, bin ich trotz langsamer Erholung pessimistisch. Das könnte die Lagerbestände des Einzelhandels in den USA und Europa bedrohen, die sich schon jetzt auf das Weihnachts-Geschäft vorbereiten.«
Unabhängig von Weihnachten heißt es unter anderem auch schon für die Fahrradbranche und deren Kunden: Die Verkaufspreise werden steigen.

Text: Jo Beckendorff, Fotos: JumpStory

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