In der heute extrem wuseligen Zeit ist es auch gut, auf Leute zu treffen, die eine gewisse Ruhe ausstrahlen und alles etwas gelassener angehen. Dazu gehört sicherlich auch Taiwans Branchenveteran George Lin, Gründer des sich auf hochwertige Nischenmarken spezialisierten Produzenten Pacific Cycles aus dem Xinwu-District bei Taoyuan. Auch wenn er das Geschäft bereits an seinen Sohn Michael und dessen Schwestern übergeben hat – das Fahrrad ist immer noch sein Steckenpferd. Wir trafen den »’elder statesman’ der taiwanesischen Fahrradindustrie« zu einem Gespräch am Pacific-Stand.
Was George Lin zur Messe trieb, waren die langjährig aufgebauten Kontakte zu seinen Kunden. Die freuen sich immer wieder, den erfahrenen Fahrradmann zu sehen – und mit ihm über Fahrräder und die allgemeine Marktlage zu diskutieren. Und der möchte wissen, was die heutigen »jungen Wilden« so alles an Fahrradinnovationen präsentieren.
Während Taiwans Fahrradbranche derzeit durchaus bedrückt auf die 2016er-Zahlen mit zweistelligem Minus schaut, beschwichtigt Lin: »10 bis 15 Prozent weniger ist nicht so viel. Man muss auch sehen, wo wir gestanden haben. Gewisse Wellenbewegungen hat es immer gegeben. Mal waren sie kleiner, mal größer.«
Auch Pacific Cycles (übrigens nicht zu verwechseln mit Pacific Cycle aus den USA, der ausschließlich den Massenmarkt anfahrenden Cycling Sports Group-Schwester unter dem Dach von Dorel Sports!) habe im letzten Jahr auch ein leichtes Minus schlucken müssen: »Wir schauen aber schon wieder positiv ins laufende Jahr 2017.« Grund: »Das Geschäft mit Fahrrädern mit kleinen Laufrädern wird immer stärker. Davon profitiert auch unsere Eigenmarke Reach.«
Das Geschäft mit E-Bikes entwickelt sich für Pacific ebenfalls bestens: »Auf diesen Zug sind viele aufgesprungen. Wir helfen ihnen.« Dabei profitiert Pacific Cycles auch vom Erfolg der E-Cargobikes von Riese&Müller, einer der langjährigen Geschäftskunden des Taiwan-Produzenten. Die Geschicke beider Unternehmen sind mit Riese& Müllers Faltrad-Klassiker »Birdy« verbunden: George Lin hatte den Prototypen der beiden damaligen »Jungspunde« Markus Riese und Heiko Müller auf der Eurobike gesehen – und die Produktion übernommen.
Aber auch andere von Pacific Cycles produzierte Nischenkategorien wie Liege- und Dreiräder behaupten sich derzeit gut im Markt. Dazu Lin nicht ohne Stolz: »Alle wichtigen Nischenmarken lassen bei uns produzieren.«
Insgesamt hat der mittlerweile 78-Jährige in seinen 46 Jahren Fahrradbranche – 1972 startete er mit Pacific Cycles durch – auch viele Berg- und Talfahrten verschiedenster Fahrradkategorien miterlebt. Lin erinnert in diesem Zusammenhang an BMX-Räder. Und meint weise: »So etwas passiert immer wieder einmal.«
www.pacific-cycles.com
Text/Foto: Jo Beckendorff