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Peloton 07-09/2020: Verkaufsboom kreiert auch wachsende Sorgen
Sorgenkind Lieferzeiten bei den Spinning-Modellen: Peloton.

Nach den bereits vorgelegten fulminanten Zahlen des Geschäftsberichts 2019/2020 (endete am 30. Juni – der RadMarkt berichtete) konnte die junge virtuelle Sportplattform Peloton Interactive Inc. auch im ersten (vom 1. Juli bis 30. September) laufenden Verkaufsquartal des Geschäftsjahres 2020/2021 weiter richtig hochkurbeln. Dass die gegenwärtige Boomphase aber auch eine Schattenseite haben kann, ist den US-Amerikanern bewusst. Sie nennen die Probleme beim Namen, kommunizieren sie öffentlich und wollen rechtzeitig gegensteuern.

Mit mittlerweile 3,6 Millionen globalen Mitgliedern im Rücken sieht sich der laut Eigenangaben »Innovator an der Schnittstelle von Fitness, Technologie und Medien« als Newcomer in der Fitnessbranche gut aufgestellt. Die Abonnement-Plattform, die laut Anbieter »die besten Geräte, eine eigenständige Netzwerk-Software und digitale Fitness- und Wellness-Inhalte von Weltklasse nahtlos kombiniert«, hat sich gerade in Corona-Zeiten, in denen Fitness-Studios teilweise geschlossen waren bzw. sind, bestens entwickelt. Immer dabei: die vorne weg radelnden Peloton-(Indoor-)Marken »Peloton Bike« und »Peloton Bike+«.
Umsatz 07-09/2020 mehr als verdreifacht
In Zahlen: Im ersten Verkaufsquartal des laufenden Geschäftsjahres 2020/2021 erzielten die börsennotierten US-Amerikaner einen Gesamtumsatz on Höhe von 757,9 Millionen US$ (634,26 Millionen Euro). Verglichen mit dem ersten Verkaufsquartal des Vorjahres ist das ein sagenhaftes Plus von 232,4 Prozent! Dieser Gesamtumsatz kann in 601,4 US$ (506,46 Millionen Euro) für »Connected Fitness Products« (wie o.g. Indoor-Cycling-Marken, plus 274,0 Prozent!) sowie 156,5 Millionen US$ (131,74 Millionen Euro, plus 132,9 Prozent!) für »Abonnements« aufgeteilt werden. Zum 30. September 2020 zählt Peloton über 1,33 Millionen Abonnements. Verglichen mit den Abos zum 30. September des Vorjahres ist das ein Plus von 137 Prozent.
Geographisch aufgeteilt entfielen von diesem Gesamtumsatz 721,9 Millionen US$ (= 95,3 Prozent) auf den nordamerikanischen Markt (USA und Kanada) und 36 Millionen US$ (= 4,7 Prozent) auf den Rest der Welt (der bis dato ausschließlich aus den Märkten Vereinigtes Königreich und Deutschland besteht). Hier ist also außerhalb Nordamerikas noch kräftig Luft nach oben. Insgesamt verfügt Peloton in den wichtigsten »Verkaufsländern« USA, Großbritannien, Kanada und Deutschland auch über eine wachsende Zahl an Einzelhandels-Showrooms.
Der Nettogewinn des ersten Quartals 2020/2021 lag mit 69,3 Millionen US$ (58,33 Millionen Euro) ebenfalls weit über den Zahlen des vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Damals fuhr der Newcomer noch einen Nettoverlust von 48,8 Millionen US$ (41,08 Millionen Euro) ein.
Teamausbau: in nur drei Jahren von 443 auf fast 3.700 Mitarbeiter
So ganz geheuer scheint den US-Amerikanern ihr derzeitiges Wachstum allerdings auch nicht. So wurde zum Beispiel das Peloton-Team in nur drei Jahren von 443 Mitarbeitern (Stand: 30. Juni 2017) auf 3.281 Mitarbeitern in Nordamerika, 59 in Kanada, 283 in Großbritannien und Deutschland sowie 71 in Taiwan (für Produktions- und, Qualitätstechnik etc.) hochgefahren (Stand 30. Juni 2020).
Komplexer werdendes Geschäft bereitet auch Sorgen
Darüber hinaus wird das Geschäft mit zunehmendem Wachstum immer komplexer. »Um unser Wachstum effektiv zu steuern und daraus Kapital zu schlagen, müssen wir unseren Vertrieb und unser Marketing weiter ausbauen, uns auf innovative Produkt- und Inhaltsentwicklung konzentrieren, unsere Management-Informationssysteme und andere Prozesse modernisieren und mehr Platz für unser expandierendes Personal schaffen«, heißt es im vorliegenden Peloton-Geschäftsbericht. Und weiter: »Unser kontinuierliches Wachstum könnte unsere vorhandenen Ressourcen strapazieren, und wir könnten bei der Verwaltung unseres Geschäfts in zahlreichen Gerichtsbarkeiten auf anhaltende betriebliche Schwierigkeiten stoßen, einschließlich Schwierigkeiten bei der Einstellung, Schulung und Verwaltung eines diffusen und wachsenden Mitarbeiter-Stamms. Wenn es uns nicht gelingt, unsere Unternehmenskultur mit Wachstum zu skalieren und zu erhalten, könnte dies unserem zukünftigen Erfolg schaden, einschließlich unserer Fähigkeit, Personal zu halten und zu rekrutieren und uns effektiv auf unsere Unternehmensziele zu konzentrieren und diese zu verfolgen.«
Unwägbarkeiten durch Covid-19
Aber auch die Corona-Pandemie, von der Peloton mit seinen Indoor-Fitnessprodukten profitiert, scheint Sorgen zu bereiten: Man sei möglicherweise während Covid-19 nicht immer in der Lage, das Geschäft effektiv zu führen. »Insbesondere können wir Schwierigkeiten haben, die Verbrauchernachfrage nach unseren ‚Connected Fitness‘-Produkten und -Dienstleistungen zu befriedigen, da unsere Mitarbeiter krank werden und dann nicht in der Lage sind, zu unseren Einrichtungen zu reisen. Somit wäre unsere Lieferkette eingeschränkt. Wenn wir uns nicht anpassen, um diesen sich entwickelnden Herausforderungen gerecht zu werden oder wenn unser Managementteam sich nicht effektiv mit unserem Wachstum skaliert, kann es zu einer Erosion unserer Marke kommen. Die Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen kann darunter leiden und unsere Unternehmenskultur Schaden nehmen.«
Anmerkung des RadMarkts: schon jetzt dauern die Lieferzeiten des Indoor-Bike »Peloton Bike« nach Bestellung vier bis sechs Wochen, die von »Peloton Bike+« sogar über drei Monate.
Zudem habe die Pandemie zu einer erheblichen Volatilität auf den Finanzmärkten geführt »und eine wahrscheinlich anhaltende globale Rezession verursacht«. Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die sich aus Covid-19 und Vorsichtsmaßnahmen von Regierungen und Unternehmen zur Eindämmung seiner Ausbreitung ergeben – einschließlich Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen – könnten zu einer allgemeinen Verlangsamung der Weltwirtschaft beitragen und somit auch unsere Mitglieder, Drittlieferanten, Vertragshersteller, Logistikanbieter und andere Geschäftspartner negativ beeinflussen bzw. Betriebsabläufe stören: »Änderungen in unseren Betriebsabläufen als Reaktion auf Covid-19 oder auf durch die Pandemie verursachte Mitarbeiter-Erkrankungen haben bereits zu Ineffizienzen oder Verzögerungen geführt.«
Dass sich das Unternehmen mit all diesen möglichen Hürden schon jetzt auseinandersetzt, hat einen Grund: die derzeitige Wachstums-Boomphase ist noch nicht abgeschlossen. Somit könnte man zum Opfer des eigenen Erfolgs mutieren. Dem gelte es rechtzeitig aktiv gegenzusteuern.
Für das zweite und vom 1.Oktober bis 31. Dezember laufenden Verkaufsquartal des laufenden Geschäftsjahres 2020/2021 gehen die US-Amerikaner erstmals von einem Gesamtumsatz in Höhe von über 1 Milliarden US$ (0,84 Milliarden Euro) aus. Gut zu wissen, dass sich das Unternehmen jetzt schon mit den Problemen auseinandersetzt, die in so einer Boomphase des Erfolgs auftreten – und diesen letztendlich schnell wieder zum Einsturz bringen können.

Text: Jo Beckendorff, Fotos: Peloton

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